Wie die dpa heute berichtet, rollte im Nachgang zum Eurovision Song Contest 2014 in Kopenhagen ein Kopf: wegen massiver Budgetüberschreitungen musste der Projektverantwortliche für den Wettbewerb bei der Tourismus-Marketinggesellschaft Wonderful Copenhagen, welche die B&W Hallerne bereitstellte, seinen Hut nehmen. Für dem Umbau der ehemaligen Werfthallen hatte man ursprünglich mit 4,6 Millionen Euro kalkuliert – viel zu wenig, wie sich im Nachhinein herausstellte. War im Mai 2014 noch von 3 Millionen Mehrkosten die Rede, so summierten sich die Ausgaben für das städtische Unternehmen am Ende auf über 15 Millionen. „Erst wenige Wochen vor der Show haben wir gemerkt, in welche Richtung das läuft“, sagte Lars Jørgensen, der Chef von Wonderful Copenhagen. Nun schießen laut dpa-Meldung die Kommune, die Region und die Tourismusgesellschaft noch jeweils mehrere Millionen nach, wobei immer noch ein Finanzloch von 7,8 Millionen klaffe.
Malen das Budget rot: die Dänen
Dabei handelt es sich nur um einen geringen Teil der Gesamtkosten des diesjährigen Wettbewerbs, die der Prinz-Blog im Mai auf 70 Millionen Euro taxierte, wobei nicht klar ist, wo dieser Betrag herkommt bzw. aus welchen Bestandteilen er sich zusammensetzt. Er steht zudem im Widerspruch zu einem Artikel des österreichischen Finanzblattes vom Mai dieses Jahres, der einen ungefähren Anhaltswert von 25 Millionen für die Ausrichtung eines Song Contests nennt. Die Wettbewerbe der letzten Jahre hätten nach dieser Auflistung das Ausrichterland jeweils 25 Millionen (Oslo 2010), 22 Millionen (Düsseldorf 2011), 18 Millionen (Malmö 2013) und 25 Millionen (Kopenhagen 2014) gekostet, wobei hier die Überschreitung für den Hallenumbau noch nicht eingerechnet ist, die wohl zum Teil auch daraus herrührte, dass alles verbaute Equipment aufgrund von Förderrichtlinien nach dem Wettbewerb wieder entfernt werden musste. In aller Regel entfällt hiervon jeweils der Löwenanteil auf den ausrichtenden Sender, allerdings übernimmt erfahrungsgemäß die gastgebende Stadt einen Teil der Kosten, und oft gibt es Zuschüsse aus dem Staatssäckel.
Tja, wenn es mit einem Banner alleine getan wäre…
So habe die ARD laut Wirtschaftsblatt 2011 lediglich 12 Millionen gezahlt: Düsseldorf erhielt vor allem deswegen den Zuschlag, weil es die Kosten für die Arena – inklusive Ersatzgestellung für den während des Song Contests ausquartierten heimischen Fußballclubs Fortuna – in Höhe von knapp 10 Millionen aus dem Stadtsäckel beglich. Der ORF rechne nach einer Meldung des österreichischen Kurier mit einem Budget von rund 20 Millionen Euro für den Sender, im Hintergrund laufen wohl noch Verhandlungen mit der Stadt Wien (und den anderen Bewerbern) um die Übernahme der Kosten für die Halle. Keine offiziellen Zahlen gibt es darüber, was die Erdöldiktatur Aserbaidschan für den Protzwettbewerb in Baku 2012 ausgegeben hat, für den in Rekordzeit eigens eine neue Halle aus dem Boden gestampft wurde. Die Schätzungen pendeln sich allgemein zwischen 100 und 140 Millionen Euro ein. Hoffen wir mal für unser sympathischen Nachbarvölkchen, deren einziger reichlich sprudelnder Bodenschatz Red Bull ist, dass die Kosten dort nicht ganz so aus dem Ruder laufen!
Tja, das liebe Geld! Die Entwicklung beim ESC erinnert mich immer mehr an Olympische Spiele oder die Fussball-WM. Auch dafür lassen sich das IOK oder die Fifa von korrupten Regimes kaufen. Die EBU befindet sich auf dem besten Weg dazu. Ist doch alles “Jon Ola was Blatter”… Wenn bei uns über die Ausrichtung von solchen vulgären Megaveranstaltungen demokratisch abgestimmt werden kann, dann sagen die Leute in aller Regel NEIN dazu (siehe u.v.a. die Olympiaabstimmung von München). Aserbaidschan kann 100 bis 140 Millionen ausgeben, klar!, die Dänen oder die Österreicher werden aber nicht gefragt. Die aufgeklärten Leute dort würden sonst wahrscheinlich sagen: Sendet doch dem Schmarrn aus einem TV-Studio. Reicht doch!
Nein, ein TV-Studio reicht natürlich nicht! Der ESC ist ja mehr als nur eine Fernsehsendung. Er ist auch ein jährliches paneuropäisches Schwulentreffen, und wer einmal die fröhlich-friedlich-durchgedrehte Atmosphäre erlebt hat, die sich in der Eurovisionswoche rund um Halle, Euroclub und Pressezentrum entfaltet, wird wie ich heilfroh sein, dass über die Ausrichtung nicht demokratisch abgestimmt wird. Im übrigen lebt auch die TV-Show massiv von der unvergleichlichen Live-Atmosphäre, die eine Halle voll mit enthusiastischen Fans (die im übrigen mit ihren Eintrittskarten und den touristischen Ausgaben einen Teil der Kosten refinanzieren) liefert.
Ich glaube nicht, dass die Skandinavier (Norwegen 2010, Schweden 2013, Dänemark 2014) sich allzu massiv über die Veranstaltung beschwert haben, und ich habe auch nicht viel von Protesten der Briten im Vorfeld der Olympischen Sommerspiele 2012 gehört. Natürlich würde bei einer Volksabstimmung der ESC in Wien höchstwahrscheinlich mit großer Mehrheit abgelehnt werden, aber das liegt wohl eher daran, dass sich die meisten Leute (zumindest in Mittel- und Westeuropa) kaum darüber im Klaren sind, welche Bedeutung dieser “lächerliche Wettbewerb” für viele Menschen hat. Abgesehen davon hat die europaweite Volksabstimmung, wo der Wettbewerb stattfinden soll, ja schon stattgefunden, und Wien hat Amsterdam und Stockholm deutlich geschlagen.