Betrübliche Nachrichten kommen dieser Tage aus dem erweiterten Mittelmeerraum, was die Bestückung des 60. Eurovision Song Contests im Mai 2015 in Wien betrifft: die Teilnahme Rumäniens könnte massiven Sparzwängen zum Opfer fallen, welche die Existenz des Staatssenders TVR bedrohen, wie Wiwibloggs berichtet. Demnach sei die finanzielle Lage der Rundfunkanstalt trotz bereits erfolgter Massenentlassungen so desaströs, dass TVR nach Aussage des Senderchefs Stelian Tanase gegenüber der rumänischen Presseagentur Mediafax im kommenden Frühling für wenigstens einen Monat schließen müsse. Zwar wolle man, wie die Programmdirektorin Irina Radu nachschob, alles Menschenmögliche versuchen, um eine Teilnahme des Landes am Eurovision Song Contest dennoch zu ermöglichen, weil man auf der europäischen Bühne weiterhin Präsenz zeigen möchte und der Wettbewerb im Land sehr hohe Einschaltquoten erziele. Ob das aber angesichts der angespannten Lage möglich sein wird, bleibt abzuwarten. TVR wäre damit nach dem griechischen Staatssender ERT und der isrealischen IBA bereits das dritte EBU-Mitglied, das aus politischen und / oder finanziellen Gründen dicht macht: eine beunruhigende Entwicklung.
Liegt ein Fluch (Dida Drăgan bei der ESC-Vorauswahl 1993) über Rumänien?
Auch die von der EBU und vielen Fans erhoffte Rückkehr der Türkei steht weiter in den Sternen: gab es in den Abendnachrichten des Senders TRT vor einigen Tagen noch die etwas kryptische Ankündigung, man wolle sich Anfang September zu den weiteren Eurovisionsplänen des Landes erklären, was kurzfristig die Hoffnungen nährte, das Bosporusland komme aus dem Schmollwinkel zurück, so erhielt Garrett Mulhall von Eurovision Ireland auf Nachfrage bei der Pressestelle des Senders die knappe, aber klare Ansage: “TRT wird am Eurovision Song Contest 2015 nicht teilnehmen und die Zukunft bleibt abzuwarten”. Anfang August geisterte noch eine Meldung durch die Gegend, nach welcher der Wettbewerb aus dem Hauptprogramm auf den reichweitenschwachen Spartenkanal TRT Muzik abgeschoben werden solle, der auch den osmanischen Gegenentwurf zum ESC namens Türkvizyon organisiert und sich nun auch um das Original kümmern solle. In diesem Zusammenhang fiel erneut der Name des in Aachen aufgewachsenen und derzeit in den USA lebenden Sängers Kenan Williams, der schon mehrfach als Eurovisionsvertreter des Landes im Gespräch war. Hat sich dann wohl erledigt. Und à propos ESC-Gegenentwürfe: nach Informationen von ESCkaz verschiebe sich die ursprünglich für Herbst 2014 geplante russische Intervision “aufgrund der aktuellen politischen Situation” mindestens auf den Frühling 2015: man verhandele derzeit noch mit potentiellen osteuropäischen Teilnehmerländern. Na dann, viel Glück!
Aktuelle Single von Kenan Williams: Warrior
Wo wir uns gerade in der Gerüchteküche aufhalten: einer Meldung der schwedischen Tageszeitung Göteborgs-Posten zufolge behaupte die fünffache Melodifestivalen-Teilnehmerin Linda Bengtzing, von der britischen BBC hinsichtlich einer Eurovisionsteilnahme für das Mutterland des Pop angefragt worden zu sein. “Das wäre unglaublich cool, selbst wenn ich auf Englisch singen müsste,” sagte sie dem Blatt. Allerdings fällt es schwer zu glauben, dass die BBC nach dem gerade erst vollzogenen Schwenk vom Plündern der Popstars-und-Komponisten-der-Achtzigerjahre-Gruft (Andrew Lloyd Webber, Pete Waterman, Engelbert Humperdinck, Bonnie Tyler) zur Nachwuchsförderung (Molly Smitten-Downes) ihr Heil ausgerechnet im Rekrutieren stimmschwacher Schwedenschlagersängerinnen suchen will, auch wenn das skandinavische Land zumindest beim ESC schon längst das Vereinigte Königreich als Powerhouse des Pop abgelöst hat. Bleibt abschließend noch, der traurigen Chronistenpflicht Genüge zu tun: gestern verstarb in Barcelona der spanische Rumba-König Peret 79jährig an Krebs. Der als Pedro Pubill Calaf geborene Peret, der 1971 mit dem hauptsächlich auf dem Durchdeklinieren der Vokale “a‑e-i-o‑u” basierenden ‘Borrequito’ einen europaweiten Sommerhit – inklusive einer Nummer 1 in Deutschland – landen konnte, vertrat sein Land beim legendären 1974er Contest von Brighton, wo er mit ‘Canta y sé feliz’ jedoch nur im Mittelfeld landete. Und das, obwohl er mit umgeschnallter Flamencogitarre, zwischen Krawatte und Hals geklemmtem Mikrofon, zeitgeisttypischen Koteletten des Todes und enthusiastisch handklatschenden Begleitchorist/innen wirklich alles gab. Und ich frage mich gerade, wie ich bei meiner Besprechung des Abba-Jahrgangs diesen mitreißenden Sonne-und-Strand-Kracher nur übersehen konnte? Bitte verzeih mir, Peret, und ruhe in Frieden!
Sing und sei fröhlich: Peret machte es uns vor
Die Türkei kann mir ehrlich gesagt gestohlen bleiben, denn der türkische Rundfunk und die dortige Regierung wollen zu sehr ihre eigenen Köpfe durchsetzen. Wer luftigere Bekleidung, lesbische Küsse und schwule Männer, die als bärtige Frauen verkleidet sind und mal ganz nebenbei bemerkt Rechtsstreitigkeiten haben (http://www.krone.at/Stars-Society/Conchita_Wurst_will_20.000_Euro_Schadenersatz-Streit_um_Werbung-Story-417269) nicht akzeptieren will, kann gerne sein eigenes Ding drehen, was ja letztes Jahr auch gemacht wurde mit der Türkvizyon.
Und jetzt, da der Herr Erdogan an seinem Ziel angelangt ist und als Präsident so richtig durchstarten kann, wird die Türkei noch mehr in den Islamismus abdriften.
Wenn man bedenkt, dass der Mann großspurig denkt und handelt und auch noch östlich seines Herrschaftsgebietes ein großtürkisches Reich errichten will (hat nicht irgendwie ein gescheiterter Künstler aus Österreich so etwas ähnliches für Deutschland und die Deutschen vorgehabt, hust, hust, ähem, ähem?!), dann kann man nur froh sein, dass nach Moskau und Baku die Gefahr einer Erdogan-Show in Istanbul fürs Erste gebannt ist.