Im Mai erst spielte Tom Neuwirth als bärtige Drag Queen Conchita Wurst auf wunderbarste Weise mit den Geschlechterrollenklischees und gewann damit den Eurovision Song Contest. Klassischer Geschlechterkampf scheint dagegen im (doch eigentlich als gesellschaftlich fortschrittlich geltenden) Land der Elfen und Trolle zu herrschen. So beschloss des isländische Fernsehen RÚV für seinen Grand-Prix-Vorentscheid Söngvakeppni 2015 zwar zunächst die Einführung einer Frauenquote: 50% der für die Vorauswahl zu berücksichtigenden Komponist/innen und Textdichter/innen sollten weiblich sein. Nach Protesten der sich bedroht fühlenden Männer zog der Sender aber den Schwanz ein und kassierte die Regel wieder. Zu den Beschwerdeführern zählte Friðrik Ómar Hjörleifsson, der 2008 gemeinsam mit Regína Ósk Óskarsdóttir als Euroband die Insel vertrat. Er bezeichnete die Frauenquote in einem interessanten Gedankenoxymoron als “erniedrigend für Frauen”: “Ich versteh’s nicht. Vermutlich wollen Sie die Frauen zur Teilnahme ermutigen. Ich denke aber nicht, dass das ermutigend ist! Bei einem Wettbewerb wie diesem sollte die Qualität des Liedes darüber entscheiden, ob der Song weiterkommt, nicht das Geschlecht,” so der Sänger.
Lebt sein Leben ohne Quoten: Friðrik Ómar (IS 2008)
Widerspruch kam nun von Eurovisionskollegin Greta Salóme Stefánsdóttir, die 2012 gemeinsam mit Jónsi die isländische Fahne vertrat. Sie wies Friðriks Erniedrigungs-Einlassung mit den Worten zurück: “Persönlich glaube ich, es gibt wesentlich schlimmere Dinge als eine Geschlechterquote für Eurovisionskomponisten. Ich denke zwar nicht, dass diese Regel entscheidenden Einfluss darauf hätte, ob Frauen Musik kreieren. Aber nun haben sie ihre Meinung ohnehin geändert und die Regel gestrichen, so dass heute Nacht jeder wieder ruhig schlafen kann”. Greta wies noch darauf hin, dass im isländischen Rundfunk nur ein Viertel der Leitungspositonen mit Frauen besetzt sei (in Deutschland sieht das mit einzelnen regionalen Ausnahmen nicht viel besser aus) und 90% aller Kulturförderungsmittel des Landes an Männer gingen. Die Old Boys Networks funktionieren also überall, selbst in so progressiven Gesellschaften wie der isländischen. Da scheint eine Quote grundsätzlich gar keine schlechte Idee, zumal sie da, wo sie schon praktiziert wird – beispielsweise bei der Besetzung von Stellen im öffentlichen Dienst in Deutschland – durchaus leichte Erfolge zeigt. Schade also um die verpasste Chance, gerade weil ein Kreativwettbewerb wie der Eurovision Song Contest mir ein guter Platz für solche Experimente zu sein scheint. Oder?
Niemals vergessen: Greta überzeugt auch ohne Quote (IS 2012)

Ich bin da eher mit Fridrik.
Und man darf nicht vergessen, dass solche Quoten auch zu Diskriminierungen führen kann. Gerade im echten Leben. Da ist man dann schnell eine Quotentussi, ein Quotenhomo, ein Quotentürke, usw. Da kann man schnell viele Bärendienste erweisen.
Mehr als alle Beteiligten dazu zu sensibilisieren, dass auch Komponistinnen gute Lieder komponieren können, kann man leider nicht.
So sinnvoll das alles auch ist: Leider hat auch diese Medaille zwei Seiten.