Ein geschäftiger Samstag mal wieder: neben den beiden eher enttäuschenden Entscheidungen in Island und Italien fanden gestern Abend noch fünf Semifinalrunden, verteilt über ganz Europa statt. Das unter Fans am meisten beachtete natürlich in Malmö: in der zweiten Vorrunde des schwedischen Melodifestivalen trafen bekannte Namen wie Linus Svenning, Marie Bergman (SE 1994) und Magnus Carlsson aufeinander. Das Ex-Alcazar-Mitglied qualifizierte sich mit seinem klassischen Schwedenschlager ‘Möt mig i gamla stan’ denn auch direkt fürs MF-Finale, wie auch eine Mariette Hansson, von der am ehesten der merkwürdig deplaziert aussehende Dreadlock-Dutt in Erinnerung bleibt. Frau Bergman schaffte es nicht weiter, für den bis zum Halsansatz tätowierten Linus ging es mit dem von Fredrik Kempe mitkomponierten ‘Forever starts today’ in die Andra Chansen. Und so sehr ich mich ja freue, den knuffigen Fleshtunnelträger zu sehen: von ihm würde ich mir etwas Authentischeres wünschen als diesen nett plinkernden Standardpopsong mit der Standardschwedenchoreo.
Süß ist er ja, aber das ist das falsche Genre: Linus Svenning (SE)
Nicht nur beim San Remo Festival setzte sich gestern Popera durch, auch im zweiten Semi des finnischen UMK kam etwas aus diesem Genre weiter. Allerdings mischen Opera Skaala bei ‘Heart of Light’ eine komplett durchgeknallt wirkende Sopranistin in einem glitzernden Trickkleid mit stumpfen Dancebeats: das exerzierte Malena Ernman (SE 2009) zwar schon um Längen besser, allerdings bin ich mittlerweile angesichts der bislang für Wien ausgewählten Depressionslieder für jedes Fitzelchen Uptempo derartig von Herzen dankbar, dass ich Glückstränen vergösse, wenn es die kreischende Alte schafft. Besser gefällt mir aber der zweite von drei ausgewählten UMK-Finalisten, das bereits hier vorgestellte skurrile Banghra-Mashup ‘Ostarillo’ von Shava. Immerhin ein Hauch von Hoffnung, dass es doch noch wenigstens ein amüsanter Song zum Contest schaffen könnte.
http://youtu.be/ICN-Nt_1dmc
Trash as Trashcan: Opera Skaala. Danke! (FI)
Ein weiterer Hoffnungsschimmer kommt aus Litauen. Dort steht seit gestern Abend der Song fest, mit dem das Land des Baltikum antritt: ‘This Time’ heißt er und klingt nach einer flotten Popnummer, mit Country-Gitarre und Banjo leicht folklorisiert. Zwar erscheint der Refrain im Vergleich zu den Strophen etwas flachbrüstig und repetitiv, dennoch handelt es sich um den bislang besten Wettbewerbsbeitrag. Da die Litauer über das merkwürdigste Vorauswahlverfahren der Welt verfügen und über Song und Sänger getrennt abstimmten, wissen wir allerdings noch nicht, wer den Titel in Wien interpretiert: erst kommenden Samstag entscheidet es sich zwischen Mia, dem schmucken Vaidas Baumila und Monika Linkytė. Die beiden Letztgenannten performten den Song auch als Duett – mir ist nicht bekannt, ob dieses ebenfalls zur Wahl steht, denn in dieser Version gefällt es mir fast ebenso gut wie von Vaidas solo gesungen.
“And maybe I’m gonna met some lovely Country Girl”: Vaidas & Monika (LT)
Das estnische Fernsehen entschied sich in diesem Jahr merkwürdigerweise dazu, fast alle anhörbaren Eesti-Laul-Beiträge in das zweite Semifinale zu packen, welches gestern über die Bühne ging. Hier schrägte es mit dem dudelsacklastigen ‘Tiiu talu tütreke’ wiederum einen meinen absoluten Jahrgangsfavoriten (schluchz!). Ob es an dem etwas braven Aussehen der Jungs von Kruuv lag, die in ihren pastellbunten Hosen und weißen Hemden ein wenig wirkten wie eine Milchbubenversion von Pollapönk (FI 2014) oder an der finalen Maultrommel? Jedenfalls echt schade drum. Ginge es nach den estnischen Televotern, könnte sich der Sender ERR den ganzen Vorentscheid ohnehin sparen: in den Umfragen führen Elina Born & Stig Rästa mit dem von einigen übereifrigen Fans bereits als Eurovisionssieger 2015 getippten ‘Goodbye to Yesterday’ mit satten 72%. Allerdings hat auch in Estland die Jury noch ein Wörtchen mitzureden, und die ist dafür berüchtigt, Publikumsfavoriten absichtlich herunterzuwerten. Die Messe ist also noch nicht gesungen!
Hop on my Ship, Baby, I’ll make you fly: Kruuv (EE)
Bleibt Ungarn, wo gestern das erste der beiden Halbfinale von A Dal lief und sich die Spreu weiter vom Weizen trennte. Unter den vier Finalisten befindet sich erwartungsgemäß das ‘Ein bisschen Frieden’-Update 2015, ‘Wars for Nothing’ von Boglárka “Boggi” Csemer, die gemeinsam mit dem sehr, sehr niedlichen Ádám Szabó die Höchstpunktzahl im Jury-Televoting-Mix abräumte. Mein Gefühl sagt mir, dass wir Boggi in Wien wiedersehen werden – und das fände ich gar nicht schlecht, beweist sie doch, dass das Genre der Weltfriedensballade gar nicht ausgelutscht, konstruiert und zynisch sein muss, wie uns das Ralph Siegel und Bernd Meinunger über all die Jahre immer eingeredet haben!
Mit etwas saubererer Aussprache wär’s noch besser: Boggi (HU)
FIN: Bei Opera Skaala bin ich dabei. Ist zwar eigentlich nicht so ganz mein Genre, hat mir aber in diesem Semi echt am besten gefallen. Und obwohl ich derartigen Trash eigentlich eher weniger mag, kann ich auch dem bollywood-inspirierten Titel von Shava etwas abgewinnen. Aber Jouni Aslak hätte ich JEDEN der übrigen Beiträge vorgezogen. Eigentlich hätte ich an dieser Stelle gern Siru gesehen. Schade, denn ihr Mustelmat ist besser als alle Weiterkommer aus dem ersten Semi.
S: Mariette ist zwar lange nicht so gut wie die im ersten Semi ausgeschiedene Molly Pettersson Hammar, war aber meine Favoritin und kam – für mich völlig überraschend, weil ich mich wie immer auf wirrköpfige Entscheidungen der Schweden eingestellt hatte – tatsächlich weiter. Das wird ihr nur leider im Endeffekt auch nichts nutzen …
EST: Wieder großes Favoritensterben bei mir. Weder die wunderbare Mari noch die immerhin annehmbaren Wilhelm oder Demie ft. Janice kamen weiter. Wahrscheinlich muss ich mich jetzt doch auf die gehypten Elina Born und Stig Rästa einstellen. Der Titel hat natürlich was. Aber ehrlich gesagt wären mir trotzdem Elephants from Neptune lieber.
H: Hmm. Den Szabo Adam mag ich eigentlich gar nicht, aber mit Boggie könnte ich gut leben. Allerdings ist die Sache ja noch längst nicht gegessen, denn im zweiten Semi lauert ja noch die Wolf Kati!