Noch nachzureichen gilt es den bereits am Donnerstag veröffentlichten israelischen Beitrag für Wien. Die Verspätung liegt auch daran, dass es mir (bis heute) nicht gelungen ist, angemessene Worte der Dankbarkeit und der Lobpreisung zu finden, die auch nur annähernd das Maß meiner glückseligen Freude über den Song ‘Golden Boy’ zum Ausdruck bringen könnten, mit dem der unerschrockene und heldenhafte Nadav Guedj das Unerhörte wagt. Das, was seit der Rückkehr der Jurys zum Song Contest strengstens verboten ist und was in diesem Jahr (bis auf die Briten, denen eh schon alles egal zu sein scheint) keiner auch nur ansatzweise riskiert: er verbreitet ungebremste Fröhlichkeit! Und schenkt uns mit der Textzeile “Before I leave / let me show you Tel Aviv” gar einen neuen Camp-Klassiker der Eric-Saade-Poesie-Schule. Fraglos stehen also die Grauen Herren (und Damen) der Jurys schon mit frisch angespitzten Wertungsbleistiften bereit, um sie ihm im Mai virtuell in den Hals zu rammen. Da Israel beim Publikumsvoting außer Russland – das im anderen Semi antritt – zudem über keine Punkteallianzpartner verfügt, steht das zuletzt 2010 erreichte Finale für das Nahostland aber wohl ohnehin nicht mehr auf Liste der realistischen Ziele.
Desperado, oh er ist ein Desperado: Golden Boy Nadav
Und so sind es nur noch die Desperados, die sich wohl selbst so empfindenden Außenseiter und Unangepassten, die 2015 für die dringend benötigte Spaß-Injektion sorgen und die Zuschauer vor dem endgültigen Wegdämmern retten. ‘Golden Boy’ fungiert da als leuchtendes Vorbild: fängt es zunächst als eindringlich intonierte Trennungsschmerzballade an, in welcher der erst 16jährige Nadav sich bei seiner Mutter beklagt, verlassen worden zu sein, so ändert der Song nach 30 Sekunden die Farbe und das Tempo. Wie der voll im Saft stehende Bursche singt, sucht er seine Flucht vor dem Herzeleid nämlich im Vergnügen und stürzt sich voller jugendlichem Elan ins (auch am Tage) pulsierende Nachtleben Tel Avivs. Freundlicherweise lässt er uns an seiner Reise teilhaben, zu welcher sein Komponist aus europäischen und orientalischen Beats und Melodien einen energiegeladenen und mitreißenden Soundcocktail mixt, der mich vor Dankbarkeit auf die Knie sinken lässt. Als nach 2:30 Minuten sogar eine Rückung folgt, möchte man als Grand-Prix-Fan alter Prägung Nadev die Füße küssen. Und als er kurz darauf mit den abschließenden Worten “Okay, we gotta go. Three Minutes!” gar eine unantastbare Contest-Regel auf die Schippe nimmt, will man ihm einen Antrag machen. Danke, Israel, für dieses eurovisionäre Himmelsfahrtskommando – ihr seid Helden!
Hat Israel mit dieser Partynummer Chancen aufs Finale in Wien?
- Nicht so pessimistisch. Die Nummer kann was und hebt sich positiv hervor. Natürlich kommt das ins Finale! (45%, 35 Votes)
- Gäbe es Gerechtigkeit auf Erden, dann käme das gar in die samstägliche Top Ten. Gibt es aber nicht. (31%, 24 Votes)
- Nein, und zu Recht. Schlecht gesungene Rummelplatzmucke braucht niemand! (19%, 15 Votes)
- Natürlich nicht, da sind schon die Spaßbremsen von der Jury vor. (5%, 4 Votes)
Total Voters: 78
Ein fröhliches Lied, bei dem man nicht einpennt und das sogar richtig Spaß macht ?! :O
Um das Ergebnis in der Telefonabstimmung mache ich mir keine Sorgen, auch wenn Israel den Titel als unbeliebtestes Land der Welt wohl niemals verlieren wird. Aber sonst gibt es ja nichts herausragendes. An Temporeichtum verfügen in diesem Halbfinale ja sonst allenfalls noch der litauische und der slowenische Beitrag.
Trotzdem MUSS der Goldjunge ins Finale! Wer anstelle von ihm?
Faszinierend, was hier alles in diesem Lied zusamengerührt wird. Am Anfang ist es balladeskes Gejammer, dann schaut mal kurz ‘Justin Timberlake vorbei, dann setzen endlich die Orient-Beats ein und zwischendurch meine ich auch noch den Groove von “Love is in the Air” herausgehört zu haben. Der Junge hat Spaß auf der Bühne, der Text ist herrlich selbstironisch. Passt schon.
Mal sehen, was passiert. Israel ist ja schon letztes Jahr mit einem Klasse Lied nicht ins Finale gekommen, vielleicht klappts ja diesmal.
Mir macht das Dingen enormen Spaß – Go Golden Boy !! Not only three minutes!!! 🙂 Und der Kleene ist eine enorme Rampensau! Danke dafür!
Oh armes Israel! Dass dieser Beitrag hier auch noch als “Unangepasst” gefeiert wird, setzt diesem Machwerk des 0–8‑15-trallala-klatsch-mit dann noch die Krone auf.
Und dann haben sie auch noch die Hebräisch-Klausel gekippt. Ich kann ja verstehen, wenn sie frustriert sind, dass Supersongs wie beispielsweise der Letztjährige nicht mal ins Finale kommen, aber muss man dann gleich so resignieren, dass man sich nun auch dem Allerwelts-Einerlei verschreibt?
Bei mir (und hoffentlich allen Juries) ganz weit unten auf der Liste.
Würde die restlichen zwei Minuten dem Stil der ersten Minute folgen, hätte ich hier meine neue Nummer 1 des Jahrgangs, aber mit dem Orientbeat im Refrain kippt es dann leider wieder etwas ins Flache und Billige. Schon zu oft in anderen Uptempo-ESC-Beiträgen gehört. Dennoch macht der Song Spaß und gehört schon allein daher zu den besseren in Wien.