In Wien setzten sich am Mittwoch und Donnerstag die ersten Probedurchläufe fort, diesmal mit den Teilnehmer/innen des zweiten Semifinales vom kommenden Donnerstag. Eine Fortsetzung fand auch die Saga um die händchenhaltenden Ampelmännchen: ausgerechnet die sich selbst als “freiheitlich” titulierende FPÖ drohte an, die hübsche Geste gegenüber der Eurovisions-Kernzielgruppe (und Umsetzung der Toleranzbotschaft der aktuell regierenden Eurovisionskaiserin Conchita) zur Anzeige zu bringen. Es handele sich um “grüne Klientelpolitik und Steuergeldverschwendung in Reinkultur,” so der FPÖ-Mann Toni Mahdalik laut Kronenzeitung. Da Beides nicht verboten ist, begründete die FPÖ die Anzeige offiziell mit einem “Verstoß gegen die Straßenverkehrsordnung” – und musste sich prompt belehren lassen, dass in der StVO “lediglich die Farben -Rot, Grün, Gelb - geregelt [sind], jedoch nicht die Form”, so Sonja Vicht von der Wiener Stadtverwaltung. Es gilt übrigens nochmals darauf hinzuweisen, dass unter den drei Motiven auch ein Hetero-Pärchen zu sehen ist – was uns wunderbar auf die ersten Starter im zweiten Eurovisionssemi hinleitet…
Beste Stelle bei 0:48 Minuten: ich weiß nicht warum, aber irgendwie scheint mir das mit der erhöhten Aufmerksamkeit nicht ganz zu funktionieren!
Nämlich die fabelhaften Monika Linkytė und Vaidas Baumila aus Litauen. Er im Anzug, sie im Sommerkleidchen, performen sie, unterstützt von zwei gemischtgeschlechtlichen Chorsängerpärchen, vor einem harmonisch-bunten Bühnenhintergrund, der den Niedlichkeitsfaktor ihrer Heterosexualitätswerbung noch mal auf die Spitze treibt. Ebenso wie die Ampelmännchen belassen sie es derzeit noch beim verliebten Händchenhalten und enthalten uns den beim Vorentscheid gezeigten Kuss vor, vermutlich um den Authentizitätsfaktor frisch zu halten. Herzerwärmend! Und seht ihr, liebe Heten, ich fühle mich von diesem Auftritt nicht diskriminiert!
1 LT Monika Linkytė + Vaidas Baumila This Time
Aufrechtgehn.de-Wertung: 6 Punkte. Finale: ja
Irlands Molly Sterling sitzt (heuer mit gewaschenen Haaren) vor einem herbstlichen Waldhintergrund an einem etwas billig aussehenden Klavier, tut sich schwer mit dem Kamerakontakt und singt, umrandet von zwei Chorsängerinnen und drei Fake-Musikanten, ihre in meinen Ohren nach wie vor sterbensöde Liebesballade. Die nach OnU-Definition allerdings auch eine versteckte Kritik der Iren an der Austeritätspolitik der EZB sein könnte – und das macht mir die Nummer fast schon wieder sympathisch! Balladenfreunde (aka die Jurys) werden es lieben.
2 | IE | Molly Sterling | Playing with Numbers |
Aufrechtgehn.de-Wertung: 0 Punkte. Finale: ich fürchte, ja
Steter Tropfen höhlt den Stein: als Ralph Siegel diesen Song 1986 zum ersten Mal als ‘Wir gehör’n zusammen’ von der Dschinghis Khan Family vorstellte, fand ich ihn noch furchtbar. Zwanzig Jahre später, als ‘If we all give a little’ von Six4One, gefiel er mir schon ein bisschen besser. Und heute, als ‘Chain of Lights’, kann ich mich seiner nicht mehr erwehren, vor allem dank des “Chain of Lights for you”-Kanons. Mein Guilty Pleasure dieses Jahrgangs!
3 | SM | Anita Simoncini + Michele Perniola | Chain of Lights |
Aufrechtgehn.de-Wertung: 2 Punkte. Finale: natürlich nicht!
Steter Tropfen kann auch verwässern: ‘Adio’ ist der prototypische Joksimović-Balkanschlager, und das Staging mit fünf Chorsängerinnen und einer textbuchmäßigen Hand-Choreografie unterstützt die Nummer effektiv. Dennoch will sich der übliche Zauber nicht einstellen, und da außer Slowenien kein weiteres Ex-Jugo-Land in diesem Semi abstimmt, sehe ich schwarz für Knez.
4 | ME | Nenad ‘Knez’ Knežević | Adio |
Aufrechtgehn.de-Wertung: 0 Punkte. Finale: nein
Die maltesische Kriegerin steht in einem schwarzen, bodenlangen Kleid völlig alleine auf der Bühne und schreit herum wie besessen. Im Hintergrund wabern ein paar Grafiken über den Monitor, die sich von Quallen in Phoenix-Schwingen verwandeln und so weiter. Rettungslos verloren gegen die georgische Kriegerin und im Lahme-Balladen-See des zweiten Semis.
5 | MT | Amber Bondin | Warrior |
Aufrechtgehn.de-Wertung: 0 Punkte. Finale: nein
Oh mein Gott! Wer hat Mørland und Debrah Scarlett nur angezogen? Er trägt ein schief geschnittenes weißes Shirt und schwarze Taucherhosen, sie ein weißes, bauchfreies Seitenspoiler-Kleid, das sie fast aufzufressen scheint. Leider lenkt keine Hintergrund-Projektion vom Modedesaster ab – laut Prinz-Blog habe der NRK seine Wünsche zu spät eingereicht. Dafür entschädigen Debrahs goldene Pumps und fantastischen roten Haare – und natürlich der Song, der so gut ist, dass er dieses Staging überleben sollte.
6 NO Mørland + Debrah Scarlett A Monster like me
Aufrechtgehn.de-Wertung: 12 Punkte. Finale: ja
Och nö. Müssen wir jetzt wirklich über den portugiesischen Beitrag sprechen? Grad hatte ich noch gute Laune! Wir müssen? Okay: Leonor im schwarzen Flatterlappen im Windmaschinensturm, ein paar schwarz gekleidete Backings mit wagenradgroßen Hüten, irgendwas im Hintergrund, schlimmes Lied. Letzte in diesem Semi. Bitte? Ich geb mir keine Mühe? Na, Portugal doch auch nicht!
7 | PT | Leonor Andrade | Há um Mar que nos sepera |
Aufrechtgehn.de-Wertung: 0 Punkte. Finale: no no never!
Fangen wir mit dem Positiven an: Noid ist der mit Abstand bestaussehendste Mann dieses Jahrgangs, und im engen dunklen Anzug mit offenem Hemd ein Fest für die Augen. Die im Vergleich zum tschechischen Hünen zierliche Marta in ihrem kleinen Schwarzen übrigens nicht minder! Die Chemie und Interaktion zwischen den Beiden stimmt, Noids raspelraue Stimme jagt mir wohlige Schauer über den Rücken und passt sehr gut zur Düsterkeit des Songs, der allerdings an dieser Stelle des Abends verloren ist. Und warum Marta mitten im Song ihre Schuhe über die Bühne feuern muss, gibt Rätsel auf.
8 | CZ | Marta Jandová + Václav ‘Noid’ Bárta | Hope never dies |
Aufrechtgehn.de-Wertung: 5 Punkte. Finale: nein, dem ORF sei Dank.
Damit sind wir durch den dritten Probetag, der vierte folgt auf der nächsten Seite.
Ha! Na siehste! Doch noch nicht alles verloren! Die Einschätzung versöhnt mich doch wieder sehr 🙂 (bis auf die zwei Punkte für San Marinos falschrumdrehende Erdkugel, aber als Guilty Pleasure lass ich das mal gelten).
Auf jeden Fall mal wieder brilliant geschrieben wie immer – es war höggschd pläsierlich zu lesen! Merci!
Das ist wohl die Reverenz des Altmeisters an das Austragungsland – Stella Jones, AT 1995, ‘Die Welt dreht sich verkehrt’…
@ Oliver Rau / aufrechtgehn: Denkst du eigentlich immer noch, dass der Sieg ans Baltikum geht? 😉 Für Tschechien würde es mir in diesem Jahr so Leid tun, die waren bei der Probe doch so gut, wie du auch schreibst: Stimmlich top, die Chemie stimmt, vor allem Noid ist ein Eye-Catcher… Und Deutschland sowie Polen sind stimmberechtigt? Noch ist das Protektorat Böhmen und Mähren mMn noch nicht ganz verloren… 😉
San Marino ist auch mein Guilty Pleasure dieses Jahr. 🙂
Und Marta setzt nur die im letzten Jahr von Moldawien begonnene Tradition fort, irgendetwas abzuwerfen, was bisher noch niemand beim ESC abgeworfen hat. Fiffi, Schuhe, ich bin gespannt, was nächstes Jahr fliegt. 😀
Polen im Semi 2 Erster?
Nie und Nimmer; das Finale guckt sie sich im TV an.
Ist Dir schon aufgefallen, dass Du bei Deinen Voraussagen in diesem Semi 11 als Weiterkommer angenommen hast? Welche Kandidaten sind denn da als Alternativen angesehen? IRL und PL?