Abschied neh­men: Naidoo darf doch nicht für Deutsch­land singen

Das hat es in der ESC-Geschich­te auch noch nicht gege­ben: nach einem mas­si­ven öffent­li­chen Shit­s­torm gegen die erst vor zwei Tagen am Don­ners­tag ver­kün­de­te Direkt­no­mi­nie­rung von Xavier Naidoo als deut­schen Ver­tre­ter beim Euro­vi­si­on Song Con­test 2016 zieht der NDR sei­nen Vor­schlag zurück. Man habe “die Wucht der Reak­tio­nen” unter­schätzt, so Tho­mas Schrei­ber in einer Pres­se­er­klä­rung. “Die lau­fen­den Dis­kus­sio­nen könn­ten dem ESC ernst­haft scha­den. Aus die­sem Grund wird Xavier Naidoo nicht für Deutsch­land star­ten.” Schrei­ber hält aber öffent­lich dar­an fest, dass Naidoo “ein her­aus­ra­gen­der Sän­ger” sei, “der nach mei­ner Über­zeu­gung weder Ras­sist noch homo­phob ist.” Trotz zahl­rei­cher Soli­da­ri­täts­adres­sen vie­ler sei­ner San­geskol­le­gen ebb­te die Kri­tik an der Wahl des auf­grund sei­ner frag­wür­di­gen Äuße­run­gen umstrit­te­nen Mann­hei­mers in den letz­ten Tagen nicht ab, gleich meh­re­re Peti­tio­nen gegen die Teil­nah­me Xaviers sam­mel­ten jeweils mehr als 10.000 Unter­zeich­nen­de. Wie es nun wei­ter­geht mit dem deut­schen Vor­ent­scheid 2016, weiß im Moment noch niemand.

Und tschüss, Paco: das Xaverl ist raus.

Damit steht der NDR, aber auch die laut­stark pro­tes­tie­ren­den Fans vor einem Scher­ben­hau­fen. Ob sich nun auf abseh­ba­re Zeit noch mal ein nam­haf­ter, eta­blier­ter Künst­ler dem Risi­ko stellt, in aller Öffent­lich­keit zer­ris­sen zu wer­den, in dem er sich zu einer Euro­vi­si­ons­teil­nah­me ent­schei­det, darf bezwei­felt wer­den. Dafür trägt natür­lich einer­seits der NDR selbst ein gerüt­telt Maß an Ver­ant­wor­tung, der nur zu ger­ne bereit war, für eine hohe Auf­merk­sam­keit (und damit, so wohl die Kal­ku­la­ti­on, auch eine hohe Ein­schalt­quo­te) einen öffent­li­chen Skan­dal zu insze­nie­ren und mit der Nomi­nie­rung eines Künst­lers, der sich mit sei­nem Auf­tritt vor Reichs­bür­gern (von denen er sich zuletzt distan­zier­te) lei­der in die Nähe des frem­den­feind­li­chen, zün­deln­den Mobs bege­ben hat, ein fal­sches Zei­chen setz­te. Aller­dings wirft die Her­aus­nah­me Naidoos, des­sen künst­le­ri­sche Qua­li­tät kaum im Mit­tel­punkt der Debat­te stand, auch ein Licht auf die Dis­kus­si­ons­kul­tur in die­sem Lan­de, in der ger­ne schrill, laut und in ver­fäl­schen­den Schwarz-Weiß-Ver­kür­zun­gen debat­tiert wird.

Das Leben ist aber nicht nur schwarz oder weiß; Naidoo ist nach mei­ner Ein­schät­zung weder ein ein­deu­tig schwu­len­feind­li­cher Anti­se­mit noch hat er sei­ne men­ta­len Gro­schen wirk­lich bei­ein­an­der. Der als “Dr. Euro­vi­si­on” bekann­te Irving Wol­ther fass­te es in einem State­ment in der Frank­fur­ter Neu­en Pres­se schön zusam­men: “Wel­cher Künst­ler könn­te die wider­sprüch­li­chen Facet­ten der heu­ti­gen Bun­des­re­pu­blik zwi­schen Will­kom­mens­kul­tur und Pegi­da, zwi­schen ‘Wir schaf­fen das’ und ‘Das wird man ja wohl noch sagen dür­fen’ bes­ser abbil­den”? Nun gehö­re ich selbst ja auch zu denen, die bei sei­ner Nomi­nie­rung am liebs­ten “im Strahl gekotzt” hät­ten, um mich selbst zu zitie­ren, und bin nun einer­seits froh, dass die­ser Kelch an uns vor­über­geht. Ande­rer­seits ging mir schon das öffent­li­che Abschlach­ten von Andre­as Küm­mert im letz­ten Jahr gegen den Strich, und Ähn­li­ches gilt auch für das Xaverl, der im Gegen­satz zu sei­nem zau­sel­bär­ti­gen Kol­le­gen nicht von sich aus kün­dig­te, son­dern vom NDR stor­niert wur­de. Wir tun uns mit die­sem gna­den­lo­sen Ver­hei­zen auf Dau­er kei­nen Gefal­len. Die cools­te Reak­ti­on auf die Neu­ig­keit kam unter­des­sen von Vor­jah­res­ver­tre­te­rin Ann Sophie, die auf Face­book postete:

Xavier Naidoo hat abgesagt .…

.…ja gut. Dann fahr ich halt wie­der. ?”

Nach nur zwei Tagen ist Xavier Naidoo wie­der raus.

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12 Comments

  • Der NDR ist ein rück­rat­lo­ser Hau­fen. Wer dem Inter­net­pack nach­gibt, der wird es immer wie­der tun. Der Schrei­ber soll sei­nen Hut neh­men und er soll sei­ne Trul­la am bes­ten gleich mit­neh­men, kaum da und schon bewie­sen, das sie total inkom­pe­tent ist. Am bes­ten gibt der NDR die Ver­ant­wor­tung ab. Das ZDF könn­te doch mal die Ver­ant­wor­tung für den ESC über­neh­men oder wie wäre es mit dem WDR?

  • Damit hat sich Tho­mas Schrei­ber end­gül­tig abge­sägt. Kein Rück­grat, kei­ne Eier, kein gar nix. Auch wenn die­se Per­son nie rech­te Posi­ti­tio­nen ver­tre­ten hat: In Deutsch­land hät­te Con­chi­ta Wurst nie eine Chan­ce gehabt. Sie wäre auch vom NDR zurück­ge­zo­gen worden.

    Jetzt in die­sem Moment kann ich mir kei­ne erfolg­rei­che Teil­nah­me vor­stel­len. Momen­tan wäre kein Künst­ler mit Erfolg und Talent gut bera­ten, Deutsch­land beim ESC zu vertreten.

  • Es ist eben NICHT egal, was jemand in und abseits sei­ner Tex­te von sich gibt. Wer sich in die Öffent­lich­keit stellt muss damit leben, dass man ihn an sei­nen Wor­ten misst. Dau­men hoch für die muti­ge Ent­schei­dung, einen Feh­ler zuzu­ge­ben und rück­gän­gig zu machen!

  • Es ist nicht zu fas­sen, wie der NDR die VE zer­legt und das Anse­hen des Wett­be­wer­bes ruiniert.
    Wahr­schein­lich wird Frau Schö­ne­ber­ger bald einen von ihr gekür­ten ESC-Ver­tre­ter prä­sen­tie­ren. Dem Saft­la­den NDR wäre es zu zutrauen.

  • Wer den Scha­den hat, spot­tet jeder Beschrei­bung. Erst von einem neu­en tol­len For­mat zum Vor­ent­scheid schwa­feln, Span­nung auf­bau­en, Trom­mel­wir­bel und dann – pfffft (hei­ße Luft) – XN aus dem (Alu-)Hut zau­bern, dann jedoch wie­der flugs einen Rück­zie­her machen und nun in Win­des­ei­le ein unaus­ge­go­re­nes Kon­zept zusam­men­schus­tern – das kann nichts werden.
    Herr Schrei­ber hat den ESC ein­fach nicht ver­stan­den, wird Zeit, dass ande­re die Ver­ant­wor­tung über­neh­men. Öster­reich 2014 hat alles rich­tig gemacht mit einem Komp­tenz­team, das wirk­lich komp­te­tent war, und nicht aus lang­wei­li­gen Funk­tio­nä­ren bestand wie das in Deutsch­land der­zeit lei­der der Fall ist. Es müss­te ein Team gefun­den wer­den, dass die rich­ti­gen Song(-schreiber) und Inter­pre­ten sowie Cho­reo­gra­fen und Licht‑, Kos­tüm­de­si­gner etc. zu moti­vie­ren versteht.
    Brain­pool? Nicht mehr, nicht wirk­lich, auch hier ist man inzwi­schen fünf Jah­re zurück.

  • Gra­tu­lie­re, NDR. Da hast du als allei­nig ver­ant­wort­li­cher (die “gol­de­nen Jah­re” mit Raab zäh­len nicht, das über­zeu­gends­te Kon­zept seit dei­ner Über­nah­me der ESC-Ver­ant­wor­tung – einen renom­mier­ten Künst­ler mit renom­mier­ten Songschreibern/Produzenten, dazu einen pas­sen­den Auf­tritt von jun­gen Leu­ten aus der Kunst­sze­ne gestal­ten zu las­sen – .…und schon weni­ge Stun­den nach Bekannt­ga­be ziehst du alles wie­der zurück!
    Das man mit Tho­mas Schrei­ber nicht mal ein Scheiß­haus stür­men kann, war ja bekannt, dass er aber ein der­art mick­ri­ges Fähn­chen im Wind ist, hät­te ich dann doch nicht gedacht.

    Die bes­te Ent­schei­dung, die man aus deut­scher Sicht für die Sai­son 2016 jetzt noch tref­fen könn­te, wäre kom­plett aus­zu­set­zen. Statt­des­sen soll­te man einen ande­ren Sen­der suchen mit ande­ren Ver­ant­wort­li­chen. Die ein gutes Kon­zept für 2017 erar­bei­ten und – wich­tig! – auch durchsetzen.

    Aber ich sehe es schon kom­men, dass man wie in den letz­ten drei Jah­ren mit Ama­teu­ren oder Stars frü­he­rer Jah­re nach Stock­holm fährt. Aktu­el­le, erfolg­rei­che Künst­ler dürf­te man durch den unwür­di­gen Eier­tanz für die nächs­ten Jah­re ver­prellt haben. Wer möch­te schon so eine halb­sei­de­ne Tour mit sich ver­an­stal­ten lassen?

  • Jetzt macht Euch doch nicht ins Hemd, lie­be Lieb­lings­nach­barn. Xavier hin, Naidoo her, es ist doch völ­lig egal, wer den Song singt. Nur um den Song gehts. Und davon hat man ja noch kei­nen Ton gehört…

  • Noch sind es vier Mona­te hin, bis der deut­sche Bei­trag fest­ste­hen muss. Ein öffent­li­cher Vor­ent­scheid, bei wel­chem die Fans und Zuschau­er ent­schei­den ist jetzt qua­si Pflicht für den NDR. Der Gewin­ner wäre dann auch nicht wie die­ses Jahr nur “zwei­te Wahl”. Denn eine Wahl gab es bei XN ja nicht. Im Gegen­teil. Der Gewin­ner eines Vor­ent­schei­des hat dann als ers­te Wahl auch die Mehr­heit hin­ter sich.

    Also, locker bleiben! 😉

  • Ich mag die Musik von Herrn Naidoo nicht und bin somit nicht trau­rig, dass er uns nicht ver­tritt. Ich frag mich ja noch immer, war­um er nicht schon 2013 sich gemein­sam mit den Söh­nen Mann­heims zur Wahl (also so rich­tig Wahl) gestellt hat? Aber nun sei es drum… der NDR hat den ESClern schon eine Men­ge zuge­mu­tet. Was sind wir doch für dick­fel­li­ge Freaks.

  • Ich bin auch nicht trau­rig drum, dass er uns nicht ver­tritt, aber wie es dazu gekom­men ist, ist abso­lut unwür­dig und ein ver­hee­ren­des Signal. Ich bin gespannt wie Bogen von Flitz, wie sie aus der Num­mer wie­der raus­kom­men wollen. 

    (Übri­gens, RAI­NER! Wo STECKST Du denn?!)

  • Am bes­ten setzt man 2016 ein­fach mal aus, nach die­sem Desas­ter. Dann hat man genug Zeit, in aller Ruhe (und viell. unter Berück­sich­ti­gung von Fan-Ideen?) ein gutes Kon­zept für 2017 auszutüfteln.

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