Das ist auch mal ein interessantes Konzept: nehme fünf junge Sänger/innen für eine öffentliche Vorentscheidung, lasse sie an zwei verschiedenen Abenden mit denselben Songs auftreten, führe beim Finale ein kompliziertes, dreiteiliges Abstimmungsverfahren mit internationalen Jurys, SMS-Voting und Superfinale durch – und sorge dafür, dass dennoch die von vorneherein vom Sender favorisierte Kandidatin gewinnt. So geschehen gerade in Belgien, wo Laura Tesoro beim Eurosong das Ticket nach Stockholm lösen konnte – für die Qualifikationsrunde, denn dass sie es mit ihrer hauptsächlich auf dem prägenden Riff von Queens Klassiker ‘Another One bites the Dust’ aufbauenden Popnummer ‘What’s the Pressure’ bis zum Grand Final am Samstag schafft, halte ich für ausgeschlossen. Zwar überzeugt die junge Künstlerin mit mädchenhaft-kyliesker Ausstrahlung und fünf locker synchron tanzenden Backings mit fantastischen Afros. Und auch der Songauftakt ihres Beitrags klingt zunächst viel versprechend, wenn auch, wie bereits beschrieben, arg bekannt – um allerdings nach 30 Sekunden in ausgelutschte 70s-Revival-Ware nach dem Vorbild der KMGs (BE 2007) umzuschlagen.
Extrapunkte gibt’s für die fantastische Schulter-Action: Laura Teroso.
Sowohl in der Abstimmung der zehn einzeln aufgerufenen Juroren aus zehn Eurovisionsländern (darunter keiner aus Deutschland) als auch im parallel durchgeführten SMS-Voting lieferte sich Laura ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit dem Bärenjungen Tom Frantzis. Was insofern erstaunte, da der mit Rockgitarre und Lederjacke angetretene Balladeur am schlechtesten von allen fünf Kombattanten sang, völlig verunsichert wirkte und so den Titel seines Beitrags ‘I’m not lost’ Lügen strafte. Unnötigerweise fand dann eine weitere SMS-Abstimmung zwischen den Beiden statt, die zu niemandes Überraschung Laura gewann. Schließlich hatten die vom flämischen Sender Één eigens eingeladenen Eurovisions-Experten Christer Björkman (SE 1992) und Hadise Açıkgöz (TR 2009) in der Live-Sendung extra noch Miss Teroso über den grünen Klee gelobt und ihre gefährlichste Konkurrentin hart gedisst. Keine Chance also für alle Teilnehmer/innen, deren Namen mit “A” begann: sowohl Adil Aarab, der mit ‘In our Nature’ den einzigen annähernd wettbewerbsfähigen Song des Abends am Start hatte, als auch die völlig hoffnungslose Astrid Destuyver und Amaryllis Uitterlinden, die interessanterweise bereits während des Votings ziemlich abseits der Kameras sitzen mussten, schieden sang- und klanglos aus. Letztere lieferte mit ihrem ziellos zusammengezimmerten Song ‘Kick the Habit’ zwar musikalischen Müll, bei dem nur der Refrain etwas taugte, konnte darüber aber mit einer wirklich sensationellen Show mit fliegenden Sofatischlampen und Spinnennetzen beinahe hinwegtäuschen.
Wenn man ungefähr die Hälfte aus dem Song herauskürzte, würde er sogar was taugen: ‘Kick the Habit’ von Amaryllis. Schade um die verschwendete Show.
Wie, um die Diskrepanz zwischen Präsentation und Ergebnis noch zu erhöhen, holte der flämische Sender für die Verkündung des Sieges eigens den aktuellen Ministerpräsidenten des niederländischsprachigen Landesteils Belgiens auf die Bühne. Man stelle sich das hierzulande mal vor: das wäre ja ungefähr, als ließe das Bayerische Fernsehen den Heimatminister des Freistaats in einer beliebten Unterhaltungsserie des Senders auftreten – völlig undenkbar! All der Aufwand also, um am Ende einen Beitrag nach Stockholm zu schicken, der das belgische Fernsehen garantiert nicht in die Verlegenheit bringen wird, den Contest 2017 auf heimischem Boden auszutragen? Nun ja: aufgrund des jährlichen Wechsels zwischen dem flämischen und dem wallonischen Sender beim Song Contest hieße das ja, dem französischsprachigen Landesteil die Ehre der Ausrichtung zuzuschustern. Das wollte man wohl um jeden Preis vermeiden, anders ist das offensichtlich mit Gewalt geschobene Ergebnis nicht zu verstehen. Okay – weniger Konkurrenz für uns.
Besonders hübsch: der unentschieden ausgehende Augenstarr-Wettbewerb bei Minute 0:48.
Belgien hat mit Laura Teroso keine Finalchancen. Oder?
- Abwarten. Da kann auch noch Schlimmeres kommen. (50%, 40 Votes)
- Sicher nicht. Das ist dermaßen fad. (35%, 28 Votes)
- Doch! Laura ist süß, ihre Backings fabelhaft und der Song ist gut. Du musst mal Deine Ohren durchspülen! (15%, 12 Votes)
Total Voters: 80
Da schau her: noch einer, der den Queen-Hit erkennt.
Laune macht das Lied ja schon ein bisschen und dass die ersten drei ESC-Beiträge drei verschiedenen musikalischen Stilen nachfolgen ist kein schlechtes Zeichen. Aber der Erfolg von Loic Nottet wird sich leider nicht wiederholen oder gar überbieten lassen, außer wenn die Atmosphäre im “Globen” genauso sein sollte wie 2001 im “Parken”. Ansonsten aber könnte es nicht einfach werden.