Ihr Sieg stand im Grunde bereits fest, seit sie sich huldvoll herabließ, am Maltasong teilzunehmen: Ira Losco, die aus unerfindlichen Gründen Zweitplatzierte beim Eurovision Song Contest 2002 und seither auf dem Mittelmeereiland offenbar so etwas wie eine Nationalheilige. Und die selbe unfassliche Überschätzung, die ihr bereits vor 14 Jahren vonseiten der Fans entgegenschlug, wurde ihr auch diesmal zuteil. Mit gleich zwei Titeln durfte sie ins gestrige maltesische Semi einziehen, einer davon schaffte es ins heutige Finale. Ob Ira beabsichtigte, mit ‘Chameleon (Invincible)’ ihre Wandlungsfähigkeit unter Beweis zu stellen? Egal: dem gigantischen Jubel von den Zuschauerrängen nach zu urteilen, hätte sie wohl auch ‘Alle meine Entchen’ singen können und wäre trotzdem gewählt worden. Was zwar nichts heißt, da das Ergebnis des Televotings, das sie klar gewann, in Malta nur zu einem Sechstel zählt. Aber auch die Juroren trauten sich aufgrund des kollektiven Jubels nicht, der sich angesichts der ihr zuteil werdenden Heiligenverehrung schon mal passend als Madonnenfigur kleidenden Ira den Sieg zu verwehren – zu sehr fürchteten sie wohl den Zorn des Mobs in der Halle.
Nur mit viel Klosterfrau Melissengeist zu ertragen: Ira Losco.
Und so, wie ich 2002 schon vor einem Rätsel stand, kann ich auch diesmal den kollektiven Hype beim besten Willen nicht begreifen. Mal abgesehen davon, dass Frau Losco bei jedem ihrer Auftritte ihren Einsatz beim Songauftakt versemmelte: ihr uptemporärer, mit viel Hall und dicken Beats inszenierter Popschlager[ref]Den sie im Übrigen, den aktuell gültigen Regeln des maltesischen Vorentscheids folgend, bis zur offiziellen EBU-Deadline noch ändern kann, wenn sie oder der Sender das möchte. Auf der Pressekonferenz nach ihrem Sieg äußerte sie sich hierzu ausweichend – schließlich schrieb sie den Titel, der rund 40% der Televoting-Stimmen auf sich vereinte. selbst.[/ref] eignet sich hervorragend als Musik für Telefonwarteschleifen oder zur Supermarktbeschallung. Er erinnert mich nicht nur vom Zusatztitel her ein wenig an Carolas ‘Invincible’ (SE 2006): außen glitzernd, innen tot. Zu Iras Verteidigung soll gesagt sein, dass die Konkurrenz es ihr auch leicht machte: unter den 14 Finaltiteln, darunter gleich drei aus der Hand des schwedischen Serientäters Jonas Gladnikoff, fand sich rundheraus nichts Erwähnenswertes. Mit der Ausnahme von Maxine und ihrer Meghan-Trainor-Hommage ‘Young Love’, die durch die stellenweise etwas amateurhafte Vortragsweise ihrer jugendlichen Interpretin sogar noch an zusätzlichem, unschuldigem Charme gewann. Aber letzten Endes hätte sie, wie alle ihre Mitstreiter/innen, gegen Ira erst gar nicht anzutreten brauchen. Den einzigen unfreiwillig komischen Moment des Abends lieferte übrigens der mittlerweile zum achten Mal erfolglos teilnehmende Lawrence Gray mit seiner Brechreiz erregenden Operettenballade ‘You’re beautiful’. Nicht nur mit seiner enervierenden Fistelstimme und seinem falschen Gewimmer sorgte er für verzweifelt-ungläubiges Lachen, sondern auch mit der toten Bisamratte auf seinem Kopf und dem mindestens vier Nummern zu klein ausgefallenen Anzug, der ihn aussehen ließ, als habe er vor seinem Auftritt noch schnell Chiara (MT 1998, 2005, 2009) gefressen.
Für einen Sekundenbruchteil hielt ich die Geigenbögen seiner Begleiterinnen für Blindenstöcke, so als habe er sich die Augen unumkehrbar zugefressen: Lawrence “das Toupet” Gray.
Nach 2002 erneut dabei: toppt Ira Losco ihr altes Ergebnis?
- Dazu müsste sie erst mal ins Finale kommen. Daran glaube ich bei diesem Seichtsong aber nicht. (45%, 35 Votes)
- Sie ist weder Carola noch Udo Jürgens: Rückkehrer/innen schneiden meist schlechter ab. (30%, 23 Votes)
- Die Juroren werden sie, wie schon in Malta, aus Ehrfurcht ins Finale durchwinken. Mehr als Mittelfeld ist da aber nicht drin. (13%, 10 Votes)
- Ich teile die Begeisterung der maltesischen Fans: das könnte mit um den Sieg spielen! (12%, 9 Votes)
Total Voters: 77
Gefällt mir besser als 7th Wonder. Was im Umkehrschluss bedeutet, dass es schlechter abschneiden wird. Aber Finale dürfte doch locker drin sein – falls dieser Jahrgang qualitativ nicht doch noch eine Wende zum Besseren macht. Aber daran glaube ich nicht.^^
Nun ja , wenn ihr euch noch dunkel an 2002 erinnern könnt…Ira hatte damals nicht allein wegen des märchenhaften Songs gewonnen, sondern auch wegen des noch märchenhafteren Outfits! Sie trug vor 200 Millionen Zuschauern, für jede und jeden mit geschultem Auge offensichtlich, ein weißes halbdurchsichtiges Catsuit und definitiv nix drunter!
Beeindruckt von soviel Chuzpe hatte wenig später hat dieselbe Aktion Sarah Connor vor “nur” 17 Millionen Zuschauern bei Wetten Dass… gestartet (mit ner klitzekleinen Schummelei, sie hatte doch was an)
Was solls, Ira war jung und konnte es sichs leisten. Heute ist sie reifer und das Catsuit nicht mehr zu empfehlen. Sie wird dennoch das Finale schaffen!