Eurofest 2016: Lukaschen­ko, hilf ihm fliegen!

Das kommt dabei her­aus, wenn man ein jahr­zehn­te­lang an die Dik­ta­tur gewöhn­tes Volk urplötz­lich in die Demo­kra­tie ent­lässt. Nach­dem bei der weiß­rus­si­schen Vor­ent­schei­dung seit Men­schen­ge­den­ken fischi­ge Jury-Ent­schei­dun­gen und nach­träg­li­che Ein­grif­fe ins Ergeb­nis an der Tages­ord­nung waren, leg­te man in die­sem Jahr die Ent­schei­dung über den bela­rus­si­schen Euro­vi­si­ons­bei­trag allei­ne in die Hän­de der Tele­vo­ter. Die zeig­ten sich erwar­tungs­ge­mäß der Auf­ga­be nicht gewach­sen und wähl­ten einen lang­haa­ri­gen, super­na­si­gen Mike-Krü­ger-Imi­ta­to­ren namens Alex­an­der Iva­nov zu ihrem Ver­tre­ter. Ivan, wie er sich für die Euro­vi­si­on nennt, krächzt ein hirn­star­re­ödes Poprock­lied­chen mit dem Titel ‘Help you fly’. Das ein­zi­ge, was Ivan (ver-)fliegen lässt, ist aller­dings mei­ne Geduld: der Impuls, den Aus-Knopf bezie­hungs­wei­se die Skip-Tas­te zu drü­cken, kommt hier schon nach drei Sekun­den. Der etwas lin­kisch auf der Büh­ne her­um­ta­pern­de blon­de Schlacks lag wäh­rend der drei­ßig­mi­nü­ti­gen Abstim­mungs­pha­se, deren Zwi­schen­er­geb­nis­se der Sen­der öfters ein­blen­de­te, übri­gens lan­ge Zeit auf Rang 2 und über­hol­te erst auf der Zielgeraden.

Wie der unehe­li­che Sohn von Otto und Mike Krü­ger: Ivan (BY)

Ivan ließ eine Band mit dem Namen Napo­li knapp hin­ter sich, von der auf der Büh­ne aller­dings nur die Lead­sän­ge­rin zu sehen war. Ihr Auf­tritt mute­te ein wenig an, als ver­su­che sich Ange­li­ca Agur­bash (BY 2005) an Zla­ta Ogne­vichs ‘Gra­vi­ty’ (UA 2013): eine Sän­ge­rin ohne jedes stimm­li­che Talent, dafür in einem dis­ney­es­ken Mär­chen­prin­zes­sin­nen­kleid, die sich vor einem krib­bel­bun­ten LED-Hin­ter­grund durch ein Lied ohne Struk­tur und Refrain röchelt. Immer­hin wies ‘My Uni­ver­se’ eine Rückung auf, die das Gan­ze aber auch nicht ret­te­te. Obschon der bela­rus­si­sche Sen­der im Vor­feld ver­kün­de­te, man suche bevor­zugt Bei­trä­ge in Lan­des­spra­che, schaff­te es von den über 90 zum Vor­sin­gen ange­tre­te­nen Acts nur einer in das heu­ti­ge, zehn­tei­li­ge Natsyjanal’ny Adbor­ach­ny, der nicht in grau­en­haf­tem Pidgin-Eng­lisch per­form­te: das put­zi­ge Folk-Duo Navi mit ‘Heta ziam­lia’. Das sah in sei­nen merk­wür­di­gen Kla­mot­ten und vor dem ani­mier­ten Wind­müh­len-Hin­ter­grund zwar aus, als woll­te es ahnungs­lo­se Opfer für eine bizar­re länd­li­che Sek­te anwer­ben, hat­te aber den ein­zi­gen musi­ka­lisch erträg­li­chen Song des Abends am Start. Navi lan­de­ten jedoch nur irgend­wo im obe­ren Mittelfeld.

Die Com­mon Lin­nets (NL 2014) haben ange­ru­fen und wol­len ihren Vogel zurück.

Bleibt nur zu hof­fen, dass sich der weiß­rus­si­sche Dik­ta­tor doch noch eines Bes­se­ren besinnt und einen Weg fin­det, Ivan zu dis­qua­li­fi­zie­ren und ihn durch Navi zu erset­zen. Irgend­wie schei­nen die Ost­eu­ro­pä­er ein­fach noch nicht reif für demo­kra­tisch gefäll­te Entscheidungen…

Ivan für Weiß­russ­land: hat er eine Chan­ce aufs Finale?

  • Eher tritt Lukaschen­ko frei­wil­lig zurück, als das die­ser grot­ti­ge Mist ins Fina­le kommt. (46%, 37 Votes)
  • Wenn man die Augen zumacht, ist der Song ganz okay. Ich wür­de es also nicht kate­go­risch aus­schlie­ßen. (24%, 19 Votes)
  • Da wird es sicher Schlim­me­res geben, also ste­hen die Chan­cen ganz gut. (20%, 16 Votes)
  • Na klar! End­lich mal kein Schwe­den­schla­ger! (10%, 8 Votes)

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4 Comments

  • Wie ist das noch? Weiß­russ­land qua­li­fi­ziert sich nur in Skan­di­na­vi­en fürs Fina­le? 😀 Ent­we­der Ivan führt das fort oder er bricht die­se Theorie.

  • Ich bin ganz zufrie­den mit dem Ergeb­nis. Das Lied war nach dem ers­ten Anhö­ren aller Lie­der vor ein paar Wochen mein Favo­rit und ges­tern Abend auch in mei­ner Top Drei.

    Aller­dings muss ich ein­schrän­kend dazu sagen, dass ich die letz­ten weiß­rus­si­schen Vor­ent­scheid­jahr­gän­ge musi­ka­lisch alle­samt als stär­ker ange­se­hen habe. Da hat also eigent­lich nur der Ein­äu­gi­ge unter den Blin­den gewon­nen. Aber mal abwar­ten wie er es in Stock­holm über die Büh­ne bringt. Wobei Weiß­russ­land mit ange­rock­ten Klän­gen bis­her noch nie Glück hat­te. Die Zei­chen ste­hen also eher auf Semi-Final-Aus. Mal schau­en, was noch so an Kon­kur­renz kommt.

  • Ich fühl mich bei dem Lied eher an Musik zum Kul­tur­abend in einer weiss­rus­si­schen Jugend­bri­ga­de in den 80er Jah­ren erin­nert, optisch und akustisch.

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