Das kommt dabei heraus, wenn man ein jahrzehntelang an die Diktatur gewöhntes Volk urplötzlich in die Demokratie entlässt. Nachdem bei der weißrussischen Vorentscheidung seit Menschengedenken fischige Jury-Entscheidungen und nachträgliche Eingriffe ins Ergebnis an der Tagesordnung waren, legte man in diesem Jahr die Entscheidung über den belarussischen Eurovisionsbeitrag alleine in die Hände der Televoter. Die zeigten sich erwartungsgemäß der Aufgabe nicht gewachsen und wählten einen langhaarigen, supernasigen Mike-Krüger-Imitatoren namens Alexander Ivanov zu ihrem Vertreter. Ivan, wie er sich für die Eurovision nennt, krächzt ein hirnstarreödes Poprockliedchen mit dem Titel ‘Help you fly’. Das einzige, was Ivan (ver-)fliegen lässt, ist allerdings meine Geduld: der Impuls, den Aus-Knopf beziehungsweise die Skip-Taste zu drücken, kommt hier schon nach drei Sekunden. Der etwas linkisch auf der Bühne herumtapernde blonde Schlacks lag während der dreißigminütigen Abstimmungsphase, deren Zwischenergebnisse der Sender öfters einblendete, übrigens lange Zeit auf Rang 2 und überholte erst auf der Zielgeraden.
Wie der uneheliche Sohn von Otto und Mike Krüger: Ivan (BY)
Ivan ließ eine Band mit dem Namen Napoli knapp hinter sich, von der auf der Bühne allerdings nur die Leadsängerin zu sehen war. Ihr Auftritt mutete ein wenig an, als versuche sich Angelica Agurbash (BY 2005) an Zlata Ognevichs ‘Gravity’ (UA 2013): eine Sängerin ohne jedes stimmliche Talent, dafür in einem disneyesken Märchenprinzessinnenkleid, die sich vor einem kribbelbunten LED-Hintergrund durch ein Lied ohne Struktur und Refrain röchelt. Immerhin wies ‘My Universe’ eine Rückung auf, die das Ganze aber auch nicht rettete. Obschon der belarussische Sender im Vorfeld verkündete, man suche bevorzugt Beiträge in Landessprache, schaffte es von den über 90 zum Vorsingen angetretenen Acts nur einer in das heutige, zehnteilige Natsyjanal’ny Adborachny, der nicht in grauenhaftem Pidgin-Englisch performte: das putzige Folk-Duo Navi mit ‘Heta ziamlia’. Das sah in seinen merkwürdigen Klamotten und vor dem animierten Windmühlen-Hintergrund zwar aus, als wollte es ahnungslose Opfer für eine bizarre ländliche Sekte anwerben, hatte aber den einzigen musikalisch erträglichen Song des Abends am Start. Navi landeten jedoch nur irgendwo im oberen Mittelfeld.
Die Common Linnets (NL 2014) haben angerufen und wollen ihren Vogel zurück.
Bleibt nur zu hoffen, dass sich der weißrussische Diktator doch noch eines Besseren besinnt und einen Weg findet, Ivan zu disqualifizieren und ihn durch Navi zu ersetzen. Irgendwie scheinen die Osteuropäer einfach noch nicht reif für demokratisch gefällte Entscheidungen…
Ivan für Weißrussland: hat er eine Chance aufs Finale?
- Eher tritt Lukaschenko freiwillig zurück, als das dieser grottige Mist ins Finale kommt. (46%, 37 Votes)
- Wenn man die Augen zumacht, ist der Song ganz okay. Ich würde es also nicht kategorisch ausschließen. (24%, 19 Votes)
- Da wird es sicher Schlimmeres geben, also stehen die Chancen ganz gut. (20%, 16 Votes)
- Na klar! Endlich mal kein Schwedenschlager! (10%, 8 Votes)
Total Voters: 80
Also ich finde den Song recht anhörbar
Wie ist das noch? Weißrussland qualifiziert sich nur in Skandinavien fürs Finale? 😀 Entweder Ivan führt das fort oder er bricht diese Theorie.
Ich bin ganz zufrieden mit dem Ergebnis. Das Lied war nach dem ersten Anhören aller Lieder vor ein paar Wochen mein Favorit und gestern Abend auch in meiner Top Drei.
Allerdings muss ich einschränkend dazu sagen, dass ich die letzten weißrussischen Vorentscheidjahrgänge musikalisch allesamt als stärker angesehen habe. Da hat also eigentlich nur der Einäugige unter den Blinden gewonnen. Aber mal abwarten wie er es in Stockholm über die Bühne bringt. Wobei Weißrussland mit angerockten Klängen bisher noch nie Glück hatte. Die Zeichen stehen also eher auf Semi-Final-Aus. Mal schauen, was noch so an Konkurrenz kommt.
Ich fühl mich bei dem Lied eher an Musik zum Kulturabend in einer weissrussischen Jugendbrigade in den 80er Jahren erinnert, optisch und akustisch.