Island schickt erneut Greta Salóme Stefánsdóttir zum Eurovision Song Contest. Die kennen wir noch aus Baku, wo sie 2012 gemeinsam mit Jónsi (IS 2004) ein sehr hübsches, wenn auch sehr klassisches Duett namens ‘Never forget’ sang. Diesmal reist sie jedoch alleine an, begleitet nur von den Stimmen in ihrem Kopf. Jedenfalls legt das der Titel ihres Beitrags ‘Hear them calling’ nahe. Den mittelflotten, mittelguten Popsong mit einer mittelguten Hookline und einer geschickt platzierten Klatschfalle kurz vor dem Ende verkauft die gute Greta hauptsächlich über eine, wollen wir mal sagen, äußerst stark von Måns Zelmerlöws ‘Hero’ inspirierte, auf dem Bühnenhintergrund laufenden Videochoreographie, mit der die blonde Sängerin interagiert und die in ihrem Fall nicht aus Strichmännchen, sondern aus bedrohlichen Schattenspielen und den auch von Ann Sophie in Wien benutzten schwarzen Rauchschwaden besteht. Originalität oder Eigenständigkeit kann man der Isländerin (die den Titel immerhin selbst schrieb) also wahrlich nicht vorwerfen.
Sie kommen… sie kommen Dich zu holen… sie werden Dich nicht finden…
Mit der Stefanstochter erhöht sich die Zahl der Rückkehrer/innen beim diesjährigen Eurovision Song Contest auf fünf (die weiteren vier: BA, BG, MK, MT). Im ersten Semi des Söngvakeppnin sang Greta das Lied noch auf isländisch als ‘Raddirnar’, wo es für meine Ohren etwas weniger flach und einfältig klang, obschon es sich bei der heute vorgestellten englischen Fassung um die Originalversion handelt, die sie zuerst schrieb. Klaute die Salóme bei der visuellen Präsentation beim aktuellen schwedischer Sieger, so orientierte sie sich musikalisch bei der letzten schwedischen Siegerin, bei Loreen (2012), die heute auch als Stargast nicht fehlen durfte und zum gefühlt hundertsten Mal ihr ‘Euphoria’ vortragen musste. Sie geht anscheinend den selben Weg wie Ruslana (UA 2004): in zirka zehn Jahren, wenn wirklich niemand mehr ihr Lied hören kann, wird sie dann wohl als Jurorin oder Panel-Mitglied bei europäischen Vorentscheidungen durch die Lande tingeln. Doch zurück zum von Fehlentscheidungen en masse gekennzeichneten Söngvakeppnin. Nehmen wir zunächst leise Abschied von ‘Á ný’ von Elísabet Ormslev, dem einzigen Angebot in Landessprache im heutigen Finale, einer hochdramatischen und unter die Haut gehenden Ballade.
Von was ist sie nur so “fertig, fertig”, wie sie dauernd singt?
Die propere und doch so verletzlich wirkende Elísabet führte in der ersten Abstimmungsrunde stellenweise in der aus unerfindlichen Gründen über verschiedene isländische Landkreise (inklusive Reykjavik-Nord und Reykjavik-Nord) verteilten Juryabstimmung, um nach dem Televoting auf dem letzten Platz zu landen. So eine verschenkte Chance! Das viel größere Verbrechen geschah jedoch bereits im ersten Söngvakeppnin-Semifinale vor zwei Wochen, als die Isländer/innen die fantastisch durchgeknallte Sigríður Eyrún Friðriksdóttir und ihr sensationelles ‘Kreisí’ verschmähten, was ich ihnen mindestens noch die nächsten vierzig Jahre lang vorwerfen werde. Zumal die Jury auf die ihr offen stehende und in den letzten Jahren stets genutzte Möglichkeit verzichtete, den Titel per Wildcard für das Finale nachzunominieren. Nun gut, wer sich sein Grab unbedingt selbst schaufeln möchte… mit dem jetzt ausgewählten Schwedenabklatsch könnten es die Isländer zwar mit Mühe und Not ins Finale schaffen, dürften dort aber wohl einen Dolan pullen. Billige Kopien mag nun mal niemand. Immerhin, und das muss ich der guten Greta zugestehen, langweilt sie dabei wenigstens nicht. Ein bisschen Sorgen macht mir indes, dass die Vorentscheidungssaison nur noch drei Wochen dauert und ich den Siegersong 2016 noch nicht gehört habe (oder zumindest keinen, der der Krone würdig wäre). Aber ein paar Entscheidungen stehen ja noch aus, man soll also die Hoffnung nicht aufgeben. Nach Reykjavik, so viel steht immerhin schon mal fest, geht es 2017 aber auf gar keinen Fall.
Mein persönlicher Eurovisionssieger 2016… schade drum!
Hat Island mit Greta Salóme Stefánsdóttir Chancen aufs Finale?
- Aber klar! Der Song ist stark, die Präsentation auch. Das könnte sogar oben mitspielen. (49%, 48 Votes)
- Ins Finale kommt das locker, aber da ist dann finito. (33%, 32 Votes)
- Nein. Einen derart schwachen Abklatsch belohnen weder Zuschauer noch Jurys. (18%, 18 Votes)
Total Voters: 98
