Der ORF hat kein Bud­get für einen Vorentscheid

In Öster­reich scheint offen­bar die Armut aus­ge­bro­chen zu sein. Wie die Fern­seh­di­rek­to­rin des ORF, Kath­rin Zech­ner, ges­tern sag­te, wäh­le der Sen­der sei­nen Reprä­sen­tan­ten für den Euro­vi­si­on Song Con­test 2017 “aus bud­ge­tä­ren Grün­den” intern aus. Zuletzt tat der ORF dies 2014, da aller­dings eher vor dem Hin­ter­grund, dass man end­lich die in zwei vor­her­ge­hen­den Ver­su­chen im öffent­li­chen Vor­ent­scheid jeweils – teils extrem knapp – geschei­ter­te Con­chi­ta Wurst schi­cken woll­te. Wie wir heu­te wis­sen, nicht die schlech­tes­te Wahl. Prompt lie­ßen auch die ers­ten Fan-Spe­ku­la­tio­nen nicht lan­ge auf sich war­ten, man sei auf dem Künigl­berg wohl noch immer ver­stimmt, weil sich beim letz­ten Mal Publi­kums­lieb­ling Zoë gegen die kla­re Jury­fa­vo­ri­tin Elly V durch­set­zen konn­te, und wol­le nun vor­sichts­hal­ber das obsti­na­te Volk gänz­lich von der Ent­schei­dungs­fin­dung aus­schlie­ßen. Oder zog der Sen­der gar einen dicken Fisch an Land, der sich kei­nem Publi­kums­vo­ting stel­len mag? Wiwi­b­loggs mut­maß­te heu­te, dass die Österreicher:innen die in Wien behei­ma­te­te “Tur­bo Pol­ka Metal Band” (Eigen­be­schrei­bung) Russ­ka­ja nach Kiew schi­cken könn­ten, die sowohl schon mit Con­chi­ta als auch mit Zoë zusam­men­ar­bei­te­ten und des Öfte­ren im ORF-Pro­gramm zu sehen sind. Das wäre natür­lich mal eine Ansage!

Eine öster­rei­chi­sche Rus­sen­band mit einem in Mos­kau gebo­re­nen Geor­gi­er als Front­mann beim euro­päi­schen Wett­sin­gen in der Ukrai­ne: ja, hat was (Reper­toire­bei­spiel)!

Soll­te man es weni­ger kon­tro­vers mögen, böte sich natür­lich auch ein ehe­ma­li­ger Euro­vi­si­ons­teil­neh­mer an: Lukas Plöchl näm­lich, der 2012 gemein­sam mit dem Ex-Kol­le­gen Manu­el Hof­fel­ner als Pro­le­ten-Hip-Hop-Duo Tracks­hit­taz im öffent­li­chen Vor­ent­scheid noch denk­bar knapp die ein­gangs erwähn­te Con­chi­ta Wurst aus dem Weg räum­te, in Baku jedoch die Rote Later­ne hol­te. Er macht nun unter dem Namen Wend­ja auf Solo­pfa­den wei­ter und lie­fert fan­tas­ti­schen, nach­denk­li­chen, viel­schich­ti­gen Soul / Pop / Rap ab, wie die bei­den Vor­ab­sin­gles ‘Stand, Land, Fluss’ und ‘Regen­tanz’ aus sei­nem 2017 erschei­nen­den Album ‘Poet & Pro­let’ unter Beweis stel­len. Könn­te ein sol­cher­art gereif­ter Künst­ler beim Song Con­test die sei­ner­zei­ti­ge Schar­te wie­der aus­wet­zen, wäre auch das natür­lich ein groß­ar­ti­ges State­ment. Da Wend­ja aller­dings erstaun­li­cher­wei­se eher beim ZDF-Fern­seh­gar­ten gebucht wird als beim ORF, sind mei­ne dies­be­züg­li­chen Hoff­nun­gen ziem­lich gering. Doch ‘Wun­der gibt es immer wie­der’, wie Kat­ja Ebstein schon 1970 wusste.

Melan­cho­lisch schön: Wend­jas aktu­el­le Sin­gle ‘Regen­tanz’.

Gar nicht ret­ten vor gro­ßen Namen kann man sich unter­des­sen in Hil­ver­sum, jeden­falls wenn man dem nie­der­län­di­schen Fern­se­hen glau­ben mag. Es gibt einen gro­ßen Unter­schied zu den letz­ten Jah­ren, als wir froh sein konn­ten, einen Künst­ler gefun­den zu haben. Dies­mal haben wir den Luxus, dass wir aus ver­schie­de­nen, groß­ar­ti­gen Künst­lern aus­wäh­len kön­nen,” zitiert Euro­fi­re den ESC-Kom­men­ta­to­ren Dani­el Dek­ker. Unter ande­rem sei das Girl-Trio O’G3NE für die dort seit Jah­ren prak­ti­zier­te haus­in­ter­ne Aus­wahl im Gespräch: drei Schwes­tern, die das Tul­pen­land bereits 2007 beim Juni­or Euro­vi­si­on Song Con­test ver­tra­ten, damals noch unter dem Mäd­chen­na­men Lisa, Amy, & Shel­ley. 2014, mitt­ler­wei­le im Erwach­se­nen­al­ter, sicher­ten sie sich mit einem Sieg bei der Cas­ting­show The Voice einen neu­en Plat­ten­ver­trag, nun­mehr mit dem neu­en Band­na­men in der ent­setz­lich prä­ten­tiö­sen Schreib­wei­se. Im Okto­ber 2016 wol­len die Holländer:innen ihre Ent­schei­dung bekannt geben. Wie lan­ge wir auf wei­ßen Rauch aus Wien war­ten müs­sen, ist unter­des­sen noch offen. Aber das gilt dort ja für alle wich­ti­gen Wahlen…

Kei­ne schlech­te Stra­te­gie: Ein­at­men, ausatmen.

8 Comments

  • Grund­sätz­lich bin ich ja kein Fan von inter­nen Aus­wahl­pro­zes­sen. Obwohl ich die inter­ne Nomi­nie­rung bei Con­chi­ta wirk­lich nach­emp­fin­den konn­te, die vor­her so knapp geschei­tert war, wenn man mal guckt gegen wen sie da antrat und wie der Act letzt­end­lich beim ESC abschnitt -> Trackshittaz. 

    Spa­ni­en soll­te in einer inter­nen Aus­wahl end­lich Coral wäh­len, damit man das The­ma end­lich ad acta legen kann. Ich bin froh, dass sich der NDR zu einer Aus­wahl ent­schie­den hat, auch wenn die­se als Cas­ting statt­fin­det. Klar, hat­ten wir mit Lena Erfolg, aber das soll­te eigent­lich mehr die Aus­nah­me als die Regel blei­ben. Just my 2 Cents.

  • Die Musik von Russ­ka­ja ist ja okay, ansons­ten fällt mir da nur eines ein : Ich will die Spra­chen­re­ge­lung wiederhaben.

  • Also, ich möch­te die Spra­chen­re­ge­lung nicht wie­der­ha­ben, denn dann bekom­men wir wie­der lau­ter “Ding A Dong”, “Dig­gi Loo Dig­gi Ley” und “La la la”-Titel, ein Groß­teil der skan­di­na­vi­schen sowie die Bene­lux-Län­der wür­den absprin­gen und eine Lena wäre wahr­schein­lich auch nicht beim deut­schen Vor­ent­scheid ange­tre­ten, wenn sie hät­te auf deutsch sin­gen müssen.

  • Man muss das mit der Sprach­re­ge­lung ja nicht so ver­bis­sen sehen. Lan­des­spra­che oder eng­lisch wäre ja okay. Ich möch­te ein­fach kei­ne fran­zö­si­schen oder rus­si­schen Bei­trä­ge aus Öster­reich oder spa­ni­sche aus Deutschland.

  • Sehr schwa­ches Argu­ment des Blog­gers gegen die Sprach­re­ge­lung (“Denn dann bekom­men wir wie­der lau­ter Ding A Dong, Dig­gi Loo Dig­gi Ley und La la la”). Von 2011 bis dato hat­ten wir u.a. Da da dam, La La Love, Zalei­lah, Tick-tock oder Say yay! Und Lena sang doch “deutsch” oder war das Englisch?

  • Russ­ka­ja fin­de ich eine gelun­ge­ne Wahl, auch sprach­lich. Mir gefällt es, wenn es mehr sprach­li­che Viel­falt auch län­der­über­grei­fend gäbe. Immer her mit fran­zö­sisch sin­gen­den Öster­rei­cherin­nern, grie­chisch sin­gen­den Deut­schen, alba­nisch sin­gen­den Schwei­zern oder was auch immer. Viel­leicht hät­ten es dann auch deutsch sin­gen­de Deut­sche nicht mehr so schwer.

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