2016 ist ein gefährliches Jahr für Musiklegenden, unter denen der grimme Schnitter weiterhin eine reichliche Ernte einfährt: wie unter anderem Eurovoix berichtet, verstarb heute früh die mazedonische Eurovisionsvertreterin von 2013 und selbsternannte “Königin der Roma-Musik”, Esma Redžepova, im Alter von 73 an den Folgen einer Lungenentzündung. Die in der Roma-Siedlung Šuto Orizari bei Skopje als Tochter einer Türkin und eines Serben geborene Esma gewann im Alter von 14 ihren ersten Gesangswettbewerb und nahm seither unzählige Lieder auf, von denen etliche auf dem gesamten Balkan beziehungsweise unter Sinti und Roma auch darüber hinaus Kultstatus besitzen. Bekanntheit erlangte sie außerdem durch ihr soziales und politisches Engagement: so gründete sie ein Kinderheim, kümmerte sich um 47 Waisen, von denen sie fünf mit ihrem Mann gemeinsam selbst großzog, und saß zeitweilig im Stadtrat der mazedonischen Metropole. Sie wurde laut Eurovoix zweifach für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen und erhielt eine offizielle Auszeichnung als “Nationale Künstlerin”.
Die Frau in Rot: Esma regierte die Bühne.
Um ihre Teilnahme am Eurovision Song Contest 2013 entspann sich im Vorfeld jedoch ein innenpolitischer Disput: ursprünglich wollte sie mit dem um einige Jahre jüngeren Vlatko Lozanoski alias Lozano das von vielen Grand-Prix-Fans wie auch dem Blogbetreiber begeistert aufgenommene ‘Imperija’ singen, das der Sender MTK jedoch nach Protesten im Lande zurückzog, da das dazugehörige Musikvideo in den Kulissen des hochgradig umstrittenen Bauprojektes “Skopje 2014” entstand, das unter anderem wegen der immensen Kosten für nationalistischen Heldenverehrungskrempel in der Kritik stand. Esma & Lozano gaben stattdessen den Titel ‘Pred da se razdeni’ zum Besten, mit dem sie allerdings im Semifinale ausschieden, obwohl er mir heute, in der Rückschau, interessanterweise als der stärkere der beiden Songs erscheint. Was aber auch einfach an der überwältigenden Bühnenpräsenz der fantastischen Esma liegen mag, die den Zuhörer selbst mit einem simplen ‘Le le le’-Gesang umzufegen vermochte. Mit der verstorbenen Künstlerin verbindet den Blogbetreiber zudem eine der schmerzlichsten journalistischen Fehlleistungen in der Existenz von aufrechtgehn.de, nämlich der ungeprüften, unkritischen Übernahme einer Zeitungsente, nach welcher sich die Sängerin nach ihrem Semi-Aus schwulenfeindlich geäußert haben solle, was sie umgehend und glaubhaft dementierte. Dafür im Nachhinein nochmals Entschuldigung und Ruhe in Frieden, Esma.