Während sich die ARD, eine der reichsten TV-Anstalten Europas, in diesem Jahr lediglich eine Show und zwei Songs leisten kann, fährt das litauische Fernsehen bei seiner Vorentscheidung mal wieder ganz groß auf. 50 Semifinalisten – jeder mit seinem eigenen Lied! – treten in dem kleinen Baltenstaat an, über zehn Wochen erstreckt sich das Vorauswahlverfahren. Am gestrigen Samstag kämpften die ersten 12 Acts gegeneinander, wobei die Show enttäuschend professionell ausfiel und Bizarres rar gesät war. Mit einer Ausnahme, nämlich dem Duo Tadas Rimgaila und Samanta Tina, die in ihrem unifarbenen Aufzug ein wenig an Besatzungsmitglieder des Raumschiffs Enterprise erinnerten. Ich bin nur nicht sicher, ob an Abgesandte eines fernen Planeten oder an designierte Kundschafter, die bei ihrem nächsten Außeneinsatz unweigerlich umkommen werden. Was sie, gemessen am Resultat, tatsächlich taten: für das Pärchen reichte es nicht für den Recall, was neben dem absonderlichen Ausdruckstanz und Tadas’ verstörendem Kehlenfetisch vor allem an dem üppigen Achtizgerjahre-Robert-Palmer-Videoclip-Model-Make-up gelegen haben könnte, das die bereits einschlägig bekannte Samanta trug und das sich am Ende ihrer drei Minuten großflächig über beide Gesichter verschmiert fand. Vielleicht trägt aber auch der sperrige Song Schuld, oder alles zusammen.
Fifty Shades of Grey scheint wohl auch seinen Weg ins Baltikum gefunden haben: Sam & Tados (oder sollte ich sagen: Tam & Sados?) bei Würgespielchen vor der Kamera (LT).
Eine Runde weiter ist hingegen ein alter Bekannter: Sasha Song, der 2009 in Moskau noch unter dem Namen Sasha Son (auf Deutsch: Sascha Traum) antrat, gebürtig jedoch Dmitrijus Šavrovas hießt. Er blieb vor allem vor die brennende Hand in Erinnerung, mit welcher er seiner selbst komponierten Klavierballade ‘Love’ zum Schluss noch etwas Feuer einhauchen wollte. Und für sein keckes Pepitahütchen, mit dem der damals 26jährige beim Grand-Prix-Auftritt seine Halbglatze kaschierte (der Blogbetreiber behilft sich zu diesem Zwecke mit einer Baseballkappe). Auch sieben Jahre später greift Herr Song nun wieder zur Kopfbedeckung, wenngleich zu einer wesentlich weniger dezenten: einen gigantischen, konischen Hut trug er beim Vorentscheid auf der Rübe spazieren, so eine Mischung aus den Filzhüten der kanadischen Mounties, der Bärenfellmütze der britischer Königsgarde, der Zipfelmütze eines bayerischen Kobolds und den Spitzkegelhüten, wie sie Zdob și Zdub (→ MD 2005, 2011) beim Song Contest in Düsseldorf präsentierten. Zudem entscheid er sich noch für ein anthrazitfarbenes Oversized-Jackett, was insgesamt ein bisschen den Eindruck vermittelte, er würde von seinen Klamotten aufgefressen. Für seinen durchaus anhörbaren, aber wenig inspirierten Dance-Pop-Song ‘Never felt like this before’ reichte es dennoch für den zweiten Platz bei der Jury und dem dritten im Televoting. Publikumsliebling der ersten Vorrunde wurde übrigens eine Sängerin namens Paula Dainininkė, optisch die jüngere Schwester der lettischen Eurovisionssiegerin von 2002, Marija Naumova. Und zwar ebenfalls mit einem Uptempostück, wenn auch einem deutlich besseren als dem von Sascha.
Gut behütet: Sascha Lied (LT).
Prima, die Verlinkung, danke, werter Blogger. Bei Samanta Tina dachte ich doch direkt an die lettische Mehrfach“täterin”, die es sowohl jahrelang in der Dziesma als auch in der Supernova versuchte. Jetzt also Litauen, aber auch nur kurz. Ich “kenne” sie wirklich nur mit skurrilen Auftritten, inklusive diesem hier. 🙂 Langsam stellt sich Vorfreude ein, auch dank der Berichte hier. 🙂 ein frohes neues Jahr 2017
Guten Abend Rainer, die “Zementa Dina” hat nach mehreren Versuchen für Lettland schon im Jahr 2015 bei The Voice of Lithuania (“Lietuvos Balsas”, 3. Staffel) die TOP 8 erreicht. Sie kennt also auch Litauen. Nachdem sie dort jetzt rausgeflogen ist, warten wir gespannt auf ihren ersten Versuch in Estland!
Aminata geht übrigens auch in Litauen fremd. Wenn ich das im Netz richtig gelesen habe, hat sie dort eine Komposition im Rennen.
Jetzt schon das Zitat eines noch ganz frischen ESC-Jahres: “Während sich die ARD, eine der reichsten TV-Anstalten Europas, in diesem Jahr lediglich eine Show und zwei Songs leisten kann” – einfach nur großartig! Herzlich gelacht habe ich mit meinen weinenden Augen.