Niemand beherrscht Eurovisionsdrama so gut wie die Iberer! Nach den Tumulten beim spanischen Eurovisionsvorentscheid 2017 rund um die offensichtliche Jury-Schiebung rollte nun ein Kopf: Federico Llano, seit 2002 Delegationsleiter des Landes beim Eurovision Song Contest, trat vorzeitig von seinem Posten zurück, wie Eurovoix heute unter Bezugnahme auf ein spanisches Nachrichtenportal berichtet. Eigentlich wollte er den Job noch bis Juni 2017 machen, wie OnEurope weiß, gab die Delegationsleitung aber nun schon vor Kiew an die Leiterin der Abteilung für Internationale Beziehungen beim Sender RTVE, Ana Maria Bordas, ab. Angeblich seien “persönliche Gründe” und seine Arbeitsbelastung für die Entscheidung ausschlaggebend. Das glaube allerdings, wer will. Die Ereignisse des iberischen Finales vom 12. Februar 2017, als es zu einem Punktegleichstand zwischen der Publikumsfavoritin Mirela und dem Juryliebling Manel Navarro kam und die für diesen Fall erneut abstimmungsberechtigte Jury ihren Willen gegen das lautstark skandierende Studiopublikum durchsetzte, sorgten im Land bereits für hohe Wellen. Die Fans erbosten sich nicht nur über die klare Missachtung des Zuschauerwillens, sondern auch über die engen (und nach den Regeln eigentlich unzulässigen) Verbindungen zwischen Navarro und dem Jurymitglied Xavier Martinez, der in seinem Brotberuf als Radio-DJ bereits im Vorfeld der Objetivo Eurovision keinen Hehl aus seiner Unterstützung für den jungen Surferboy Manel gemacht hatte und dessen Beitrag ‘Do it for your Lover’ auch in seinen Radiosendungen pushte. Martinez gab bei der Vorentscheidung nicht nur seine Höchstwertung an Navarro, sondern verhinderte aktiv Mirelas Sieg, in dem er ihr vorsorglich die niedrigst mögliche Punktzahl zuschusterte. Ein Mirela-Fan echauffierte sich hierüber so stark, dass er nach der Show Martinez etwas unsanft anging, was natürlich inakzeptabel ist. Sein Günstling Navarro hingegen machte sich keine Freunde, als er der nach seiner Siegesakklamation lautstark buhenden Meute im Überschwang der Gefühle die Stinkefaust zeigte, wofür er sich später entschuldigte. Doch damit nicht genug!
Hier die umstrittene Jury-Entscheidung bei Objetivo Eurovision
Der Fanclub OGAE Spain zog gegen die erst zu Anfang der Sendung bekanntgegebene Regelung, bei einem Gleichstand die Jury entscheiden zu lassen (was man bislang in dieser Form eigentlich nur aus demokratisch eher randständigen Ländern wie Moldawien oder Weißrussland kannte), vor Gericht, weil die anrufenden Zuschauer/innen um ihren Gebühren beduppt worden seien. Was nun wiederum als Begründung ein bisschen albern ist. Und unglaubwürdig, wenn man wie die Prinzen weiß, dass der Chef des spanischen Fanclubs, Jose Juan Santano, den Wettbewerbsbeitrag von Maika schrieb, er also eigene Interessen verfolgt. Dennoch riss die Kritik an RTVE nicht ab, zumal herauskam, dass die Tochter des Unterhaltungschefs des Senders bei Sony Music arbeitet, der Plattenfirma hinter Manel Navarro. Diese zweifelhafte Verbindung rief zwischenzeitlich auch die Politik auf den Plan: ein Abgeordneter der Sozialistischen Arbeiterpartei stellte eine parlamentarische Anfrage an den öffentlich-rechtlichen Sender, welche Licht ins Geschehen rund um die Auswahl der Objetivo-Eurovision-Teilnehmer und ‑Juroren bringen soll. Toñi Prieto, der besagte Unterhaltungschef und Vorentscheidungsverantwortliche, muss nun vor einem senderinternen Untersuchungskomitee aussagen, wie Eurovoix berichtet. Das könnte unangenehm werden – und lässt Raum für Spekulation, ob Llano mit dem vorzeitigen Rücktritt eventuell noch schnell seinen Kopf aus der Schlinge ziehen wollte. Und auch, wenn es sich bislang nur um Verdächtigungen handelt und keinerlei Beweise vorliegen, dass nicht alles mit rechten Dingen zugegangen ist, wirft die ganze Angelegenheit mal wieder ein bezeichnendes Licht auf die Institution → Jury, die eben nicht nur als Instrument dient, den snobistischen Geschmack einiger weniger “Experten” über den des Publikums zu stellen, sondern im Zweifel auch der Korruption Tür und Tor öffnet.
Hier der Bericht eines spanischen Privatsenders über die Vorfälle