Zeitgleich zum Schweden-Schocker wählten die Esten am gestrigen Samstagabend ihre Vertreter für den Eurovision Song Contest 2017 in Kiew aus. Sie schicken zwei alte Bekannte: Koit Toome vertrat 1998 als damals Neunzehnjähriger das baltische Land bei der Meilenstein-Veranstaltung von Birmingham; bei Laura Põldvere handelt es sich neben Sloweniens Repräsentanten Omar Naber um die zweite Eurovisions-Wiederkehrerin, die beim Grand Prix 2005 bereits an gleicher Stelle – ebenfalls in Kiew – am Start war, seinerzeit als Teil der Girlgroup Suntribe. Gemeinsam präsentiert das Duo mit dem Titel ‘Verona’ einen gefälligen, rhythmusbetonten Schlager für die Ü‑50-Disco, der an manchen Stellen entfernt an die epochemachenden Werke von Modern Talking erinnert und in dem die beiden Protagonisten das Auseinanderbrechen ihrer Beziehung verarbeiten, die sie in einem Anflug von hormon- und alkoholinduziertem Größenwahn mit der tragischen Liebesgeschichte von Romeo und Julia vergleichen, die, wenngleich etliche Jähren zuvor, ebenfalls in dem namensgebenden norditalienischen Städtchen spielte. Welches als einer der möglichen Austragungsorte des Eurovision Song Contest 2018 in Frage kommt, ganz im Gegensatz zu Tallin. Denn wiewohl die vom estnischen Ralph Siegel, Sven Lõhmus, komponierte Nummer leicht ins Ohr geht und dank einer überzeugenden Hookline auch drin bleibt, dürften die auf musikalische Aktualität achtenden Juroren im Eurovisions-Semifinale den etwas aus der Zeit gefallenen estnischen Beitrag voraussichtlich killen. Leider.
Verkatert und planlos tappt der von Laura frisch verlassende Koit durch das Touristenstädtchen: Eure Chance, italienische OGAE-Fans! (EE)
Koit & Laura gewannen mit 55% der Anruferstimmen sehr eindeutig das reine Televoting im Superfinale der Eesti Laul. Auf dem zweiten Rang landete die esoterisch-durchgeknallte Kerli mit ihrem bereits an anderer Stelle ausführlich besprochenen ‘Spirit Animal’. Sie verdankte ihren Verbleib unter den letzten Drei einzig der im ersten Durchgang noch zu 50% wertungsberechtigten internationalen Jury, welche im Gegenzug durch konzertiertes Downvoting (dankenswerterweise) verhinderte, dass das mittlerweile 67jährige, den stehenden Ovationen des Saalpublikums zufolge im Lande gottgleich verehrte Grand-Prix-Urgestein Ivo Linna (→ EE 1996), Träger eines offiziellen estnischen Verdienstordens und gestern Dritter im Televoting, ins Superfinale gelangt wäre und womöglich auf internationaler Ebene hätte Schaden anrichten können. Puh! Leider verhagelte die Jury aber auch meiner persönlichen Favoritin, der etwas prollig wirkenden Schülerin Ariadne mit ihrem zu gleichen Teilen billigen wie hypnotischen Elektroschlager ‘Feel me now’, das Ergebnis und wertete sie vom vierten auf den sechsten Rang ab, was allerdings im Ergebnis keinen Unterschied mehr machte. Und im Hinblick auf die äußerst statische, sehr glanzlose visuelle Präsentation des Beitrags, der eindeutig ein paar Tänzer fehlten, nachvollziehbar erscheint. Nachvollziehbarer jedenfalls als der gemeinsame letzte Platz für die estnische Eurovisionsvertreterin von 2015, Elina Porn Born, die im Stripperinnenoutfit ein neonbeleuchtetes großes Loch umtanzte und dazu wenig subtil ihren anscheinend minderbestückten Freier fragte: “Are you in or out”? Nach dem Loreen-Gate also die zweite Respektlosigkeit des gestrigen Samstagabends. Und nein, damit meine ich nicht Elinas Frage, sondern die Punktevergabe.
Hier noch ein paar knackige, leichtgeschürzte Tänzer und eine effektive Choreografie hinzugefügt, und die Nummer hat Weltniveau (EE)
Schaffen es das estnische Duo in Kiew ins Finale?
- Aber ja doch. Das ist ein hübsches, eingängiges Lied, die Zwei harmonieren prächtig – das ist drinne. (58%, 60 Votes)
- Das ist ein Guilty Pleasure für die Fangemeinde, aber die Jury wird das töten. (21%, 22 Votes)
- Das ist ein altbackener Achtzigerjahre-Schlager, für so was ist die Zeit abgelaufen. (20%, 21 Votes)
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