Julia­ga­te: EBU erlaubt exter­nen Auftritt

Jetzt geht es Schlag auf Schlag in der Aus­ein­an­der­set­zung um das ukrai­ni­sche Ein­rei­se­ver­bot für die rus­si­sche Reprä­sen­tan­tin beim Euro­vi­si­on Song Con­test 2017, Julia Samoy­l­o­va. Heu­te Nach­mit­tag roll­te die EBU den Ball zurück ins Spiel­feld des ent­sen­den­den Per­wy Kanal, in dem sie anbot, den Live-Auf­tritt Juli­as zur Not per Satel­li­ten­schal­tung von Russ­land aus zu über­tra­gen, und zwar sowohl im zwei­ten Semi als auch gege­be­nen­falls im Fina­le am Sams­tag – ein bis­lang bei­spiel­lo­ser Vor­gang in der Euro­vi­si­ons­ge­schich­te. Jan Ola Sand, dem offen­bar dar­an gele­gen ist, den Rus­sen sämt­li­che mög­li­chen Grün­de für einen Rück­zug aus den Hän­den zu neh­men, erläu­ter­te in einer Stel­lung­nah­me: “Wir set­zen unse­ren Dia­log mit den ukrai­ni­schen Ver­ant­wort­li­chen fort. Unser ange­streb­tes Ziel ist es nach wie vor, dass alle Künstler/innen in Kiew auf­tre­ten kön­nen. Es ist uner­läss­lich, dass der Euro­vi­si­on Song Con­test frei von poli­ti­scher Ein­fluss­nah­me bleibt. Daher fan­den wir es ange­sichts der Umstän­de von Juli­as Ein­rei­se­ver­bot wich­tig, eine Lösung vor­zu­schla­gen. (…) Es ist die Inten­ti­on der EBU, dass jeder Sen­der, der sich ent­schei­den hat, am Euro­vi­si­on Song Con­test teil­zu­neh­men, dies auch tun kann”. Mit die­sem unge­wöhn­li­chen Schritt liegt die Ent­schei­dung wie­der den Hän­den Mos­kaus – ein geschick­ter Schach­zug, wel­cher zudem den Druck auf die ukrai­ni­sche Poli­tik erhöht, das zwar lega­le, aber unse­li­ge Ein­rei­se­ver­bot für die 2015 auf der annek­tier­ten Krim auf­ge­tre­te­nen Sän­ge­rin doch noch auf­zu­he­ben. Aus dem Kreml gab es noch kei­ne Reak­ti­on – dafür zeig­te sich der stell­ver­tre­ten­de Minis­ter­prä­si­dent der Ukrai­ne, Wjat­sches­law Kyry­l­en­ko, ange­pisst: nach einer vor weni­gen Minu­ten erfolg­ten Twit­ter­mel­dung von escK­AZ wies er dar­auf hin, dass nach den Geset­zen sei­nes Lan­des die Aus­strah­lung von TV-Sen­dun­gen ver­bo­ten sei, an denen “uner­wünsch­te Per­so­nen” par­ti­zi­pier­ten – was dann nach sei­ner Auf­fas­sung auch für die Zuschal­tung von Julia Samoy­l­o­va gel­te. “Der Vor­schlag der EBU poli­ti­siert den Con­test,” so twit­ter­te er. Pop­corn, rasch, mehr Popcorn!

Soll nach dem Wil­len der EBU nun zuge­schal­tet wer­den: Julia (RU)

Kyry­l­en­ko beton­te, die ein­zi­ge mög­li­che Lösung aus Sicht der ukrai­ni­schen Regie­rung sei, dass Russ­land einen ande­ren, unbe­las­te­ten Reprä­sen­tan­ten nach Kiew ent­sen­de. In den Fan-Foren tobt natür­lich bereits wie­der die hoch hypo­the­ti­sche Debat­te dar­über, wel­che Fol­gen es haben könn­te, falls die EBU bei ihrem Ange­bot bleibt (wahr­schein­lich), das rus­si­sche Fern­se­hen die­ses auch annimmt (unwahr­schein­lich) und sich die Ukrai­ne tat­säch­lich wei­gern soll­te, den Auf­tritt / die Zuspie­lung Juli­as in ihrem Sen­de­ge­biet aus­zu­strah­len (die euro­pa­wei­te Über­tra­gung läuft ohne­hin über den ARD-Sen­de­s­tern in mei­ner Hei­mat­stadt Frank­furt am Main, über den bis­lang jeder ein­zel­ne Jahr­gang des Euro­vi­si­on Song Con­test euro­pa­weit Ver­brei­tung fand). Denn wie­wohl die EBU über kei­ne Hand­ha­be gegen das im Ein­klang mit den ukrai­ni­schen Geset­zen ste­hen­de Ein­rei­se­ver­bot für die gehan­di­cap­te Künst­le­rin ver­fügt, so ent­hiel­ten die Grand-Prix-Sta­tu­ten bis­lang die Rege­lung, dass jeder teil­neh­men­de Sen­der sämt­li­che Live-Auf­trit­te aller Eurovisionsteilnehmer/innen aus­strah­len muss – oder selbst gesperrt wird. So, wie es 2005 der Fall war, als der Liba­non erst­ma­lig mit­ma­chen woll­te und bereits einen Bei­trag aus­ge­sucht hat­te, aller­dings erklär­te, gesetz­lich dar­an gehin­dert zu sein, den israe­li­schen Bei­trag im Lan­de aus­zu­strah­len. Wor­auf­hin die EBU das Land der Zypres­sen wie­der aus­lud und für drei Jah­re sperr­te. Käme die­se Regel – wohl­ge­merkt, hypo­the­tisch – in Kiew zur Anwen­dung, müss­te das ukrai­ni­sche Fern­se­hen den Wett­be­werb zwar nach wie vor ver­an­stal­ten, die hei­mi­sche Rock­band O.Torvald dürf­te dann aber nicht mehr auf­tre­ten. Das ist in der Pra­xis natür­lich völ­lig undenk­bar. Eher vor­stell­bar hin­ge­gen die wüs­te Spe­ku­la­ti­on, dass Russ­land Julia zurück­zieht, das Lied aber behält und in Kiew von ein paar im Hin­ter­grund blei­ben­den Chor­sän­ge­rin­nen vor­tra­gen lässt, wäh­rend ein lee­rer Roll­stuhl die Büh­nen­mit­te ein­nimmt. Es bleibt auf jeden Fall unterhaltsam!

Noch ist ‘Time’ für eine Bei­le­gung des unsäg­li­chen Theaters

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