Es war dieser eine magische Augenblick, noch relativ früh in der Show: Salvador Sobral, der portugiesische Vertreter beim Eurovision Song Contest 2017, hatte gerade den letzten Ton von ‘Amar pelos Dois’ verklingen lassen, das bis dahin geradezu andächtig stille Publikum ließ den Jubel aufbranden und die Bildregie blendete in den Green Room, auf die armenische Mitbewerberin Artsvik, die sich gerade in völliger Ergriffenheit ein Tränchen aus dem Augenwinkel wischte und damit auf den Punkt brachte, was Millionen von Zuschauer/innen in diesem Moment empfanden. Sie wird vermutlich, wie fast alle Europäer/innen, Australier/innen und wer auch immer sonst noch zuschaute am gestrigen Samstagabend, des Portugiesischen nicht mächtig sein, also kein Wort verstanden haben von dem, was der ziemlich koboldhafte und verschroben wirkende Lissabon-Hipster gerade in die Welt gesungen hatte. Und doch konnte sie seine zutiefst melancholische Trauer spüren, die leise, unsterbliche Hoffnung, dass die Verflossene es sich vielleicht doch noch einmal anders überlegt und zu ihm zurückkehrt, sowie die lakonische Entschlossenheit, dann halt für Zwei zu lieben, falls sie es nicht tut. Gefühle brauchen keine Sprache! Salvador hatte sie berührt, und er hatte, wie sein Erdrutschsieg bei der Punkteauszählung zeigen sollte, einen ganzen Kontinent berührt mit seiner zarten, poetischen, musikalisch völlig aus der Zeit gefallenen Trennungsschmerzballade, die komplett auf eine Show verzichtete und auch sonst fast alle ungeschriebenen Eurovisionsregeln brach. Bis auf die eine, die allerwichtigste: Du sollst die Menschen verzaubern! Es sei ein Sieg für “Musik, die wirklich etwas ausdrückt”, für den Song, der eine Geschichte zu erzählen hat, so sagte der Portugiese sinngemäß, als man ihn zur Reprise bat, nachdem er sowohl bei den Jurys als auch beim Publikum so viel Zustimmung eingesammelt hatte, dass er sogar den bisherigen Punkterekord von Alexander Rybak (→ NO 2009) in den Schatten stellte und seinem Land, das seit 1964 beim Grand Prix dabei ist und bislang überwiegend miserable Ergebnisse einfuhr, seine erste Eurovisionskrone bescherte. Und dann lieferte er uns noch einen weiteren magischen Moment an diesem ungewöhnlichen Abend, in dem er seine Schwester Luísa, die den Titel ‘Amar pelos Dois’ schrieb und die bei den Proben als Krankheitsvertretung für ihn eingesprungen war, mit auf die Satellitenbühne holte und sie sein Lied gemeinsam sangen, verbunden in sichtbar und spürbar tiefer geschwisterlicher Zuneigung. Und da musste auch ich mir ein Tränchen aus dem Augenwinkel wischen.
Nur noch Gefühl: Salvador und Luísa bei der Siegerreprise (PT)
Für mich ist diese Siegerreprise der ergreifendste Moment in der ESC-Geschichte. Fast schon zu schön um wahr zu sein
Und übermorgen hat ganz Europa (außer Portugal) schon wieder vergessen, wie dieses Lied ging und hört wieder Dudelradio. In dem evtl. andere ESC-Beiträge wie die von Belgien, Schweden oder Bulgarien rauf und runter gespielt werden. Frans und die Common Linnets lassen grüßen.
@ Patrick
Ich saß heute mit der Portugal-Fahne bei unser üblichen ESC-Feier vor dem Schirm und habe einen wunderbaren Abend verbracht. Parabens, querido Salvador – das war herzergreifend. Emotionen pur, das ist ESC !!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!! Wir sehen uns nächstes Jahr im schönen Lissabon.
Da ich den deutschen Beitrag nicht mochte und erhbnmit einem Desaster berechnet habe, ist es mir (leider) total gleichgültig. Aber ich freue mich jetzt mit meinen portugiesischen Freunden.….
Danke für das Einstellen des Siegerauftritts!
Das war der ergreifendste ESC – oder überhaupt TV Moment an den ich mich erinnern kann.
Das ist so viel mehr als nur ein Lied beim Songcontest.…
Alles wunderbar!
Der Sprung vom Jahr “1944” zum Eurovision Song Contest, (die Bühne gefiel mir gut), und dann zurück zum wahren Grand Prix Eurovision de la Chanson ist echt schön.
Die ESC Kindheit zwischen Brotherhood of Man und Marlene Charell verbracht, kommt Portugal erst spät in meinen Erinnerungen vor!
1996 mit Lúcia Moniz, die mit ihrer kleinen Gitarre und ihrem Lied “Tourismus Werbung ” (so ähnlich sagte es damals der deutsche Sprecher) für ihr Land machte.
Danach kamen noch echt schöne Lieder und immer brav in Landessprache! Und nun das – Endlich!!!
Einfach nur Musik ‑herzzerreißend vorgetragen – hat gewonnen und das ist wunderbar!.
Ich freue mich für und auf Portugal 2018 !!!!
Warum sollte das Lied nicht auch im Radio gespielt werden?
Bei mir tummeln sich zwar auch die moderneren (Radiotauglichen) Beiträge eng dahinter – die Mischung macht es.
Bei den Common Linnets hat dies ja auch erst keiner gedacht. Häufiger als “1944” wird es auf jeden Fall gespielt.…. Es geht halt in die Richtung Lounge Musik à la Julie London.
Nach all dem “geFranse” im letzten Jahr, sehr entspannend.…
Solange ab jetzt nicht Zuviel “I can´t go on” aus dem Radio “tropft” bin ich schon zufrieden!
Wie nur bekomme ich das dazu gehörige “geleckte” Gesicht aus dem Kopf?????
Danke Oliver, für alle Deine wieder nicht zu toppenden, amüsanten Berichte zum Jahrgang 2017. Wunderbar!
Ein echtes Eurovisionsmärchen für Portugal. Das ist so toll! Was passiert als nächstes? San Marino in der Top Ten im Finale? Ein Sieg für Malta? Das ist ESC, wie wir ihn lieben!
Lustig: Portugal hat damit jetzt mit derselben “Scheiß auf Mainstream”-Mentalität gewonnen wie seinerzeit die Finnen.
Danke – schöne Worte!
Ich stimme Patrick zu. Das war auch für mich der großartigste Moment der ESC-Geschichte hands-down!
Große Güte, wenn ich daran denke, dass ich den Song ursprünglich – also vor den Semis, nach Durchhören aller Studioversionen – gar nichts ins Finale lassen wollte… *andenkopffass*
Ich hatte zwar “City Lights” als meinen persönlichen 12er ganz oben auf der Liste, aber es konnte keinen anderen Sieger geben. Alles prima! 🙂
Danke für die tollen Texte in dieser ESC-Saison. Ich freue mich so für Portugal, die ein wunderbares Lied präsentiert haben. Ein großer Triumph nach all den Jahren der Schmach.
Durch diesen Blog bin ich schon früh auf Salvador aufmerksam gemacht worden und beim ersten Hören und Sehen war ich hin und weg.
Tja. Schön für Portugal.
Sorry, mehr kann ich dazu nicht sagen. Mir geht es mit diesem Song wie dem Hausherrn mit Bulgarien dieses Jahr: ich verstehe es nicht. Niemand in meinem Wohnzimmer gestern abend versteht das – in unserer Abstimmung hatte dieses (sorry not sorry) sturzlangweilige Gesülze bei fünf Abstimmenden 0 Punkte. Es freut mich aufrichtig, dass Portugal endlich mal am oberen Ende der Tabelle steht, aber ich werde nie begreifen, was an diesem Song und diesem Performer so großartig sein soll. Mir gibt das etwa so viel wie ein halbvolles Glas lauwarmes Leitungswasser.