Bis vor Kurzem stand eine weitere Beteiligung des innerhalb Italiens liegenden Mikrostaates San Marino beim Eurovision Song Contest noch völlig in den Sternen: zu verärgert schien man beim dortigen Sender SMTV über das angeblich ungerechte Votingverfahren beim europäischen Wettsingen, und zu ernüchternd fiel die Bilanz für das von Fans angesichts der kompositorischen Dauerpräsenz einer gewissen Münchener Grand-Prix-Legende bereits in “San Siegelino” umgetaufte Mini-Land aus, das bei bislang insgesamt acht Eurovisionsteilnahmen ganze sieben Mal im Semi scheiterte, zuletzt spektakulär mit nur einem armseligen Midleidspünktchen für Valentina Monettas Disco-Versuch ‘Spirit of the Night’. Doch heute verkündete SMTV auf einer Pressekonferenz nicht nur, dass die Winzrepublik in Lissabon am Start sein wird, sondern auch eine kleine Revolution: erstmalig wollen die sonst stets intern ihre/n Vertreter/in bestimmenden Sanmarinesen einen öffentlichen Vorentscheid durchführen. Und weil in dem 33.000 Einwohner/innen starken Miniaturstaat so viele potentielle Kandidat/innen nicht residieren, erinnerte man sich an die von San Marinos Haus- und Hof-Repräsentantin bereits 2012 so herrlich besungene magische Kraft des Internets. 1in360 heißt das Format, und noch bis Ende November 2017 kann weltweit ein jeder, der möchte, dort einen Song (selbstverfasst oder Cover) hochladen, den SMTV nach entsprechender Vorprüfung ins Netz stellt. Aus den quälenden Erfahrungen der Schweizer/innen mit einem ähnlichen Verfahren, die mit teils unfassbarem Schrott (aber auch feinsten Perlen) nur so überschwemmt wurden, hat man in San Marino jedoch gelernt: nur wer mindestens 100 Likes zusammenbekommt, den hört sich die sendereigene Jury überhaupt an. Oder aber man zahlt eine Art von Vorab-Schmerzensgeld in Höhe von hierfür allerdings günstigen 4,99 €. Und hilft so der briefmarkengroßen Republik, ihre Eurovisionsteilnahme zu refinanzieren.
https://youtu.be/y6lRmgIz5Wo
Nick erklärt, wie’s geht (und demonstriert ganz nebenbei die unangenehmen Nebenwirkungen übertriebenen Crystal-Meth-Konsums).
Aus den so Gesichteten selektiert der Sender sieben Kandidat/innen für eben so viele im Netz gestreamte Vorrunden. Und nein, die 4,99 € gibt’s nicht zurück, wenn man da nicht drunter sein sollte! Zugelassen sind übrigens auch Gruppen, und jeder Act soll einen eigenen, erfahrenen Songwriter und Produzenten zur Seite gestellt bekommen. Im für Februar 2018 vorgesehenen Finale von 1in360 präsentieren dann die verbliebenen drei Besten (und eventuell bis zu drei Wildcard-Inhaber/innen) jeweils ein Cover und einen neuen Song. Hier entscheidet das Publikum über den Sieger, der nicht nur San Marino beim Song Contest vertreten, sondern auch einen Plattenvertrag über ein Album erhalten soll. Im Werbetext für das sanmarinesische Vorentscheidungsverfahren ist ebenfalls davon die Rede, dass Teile der Auftritte im 360°-Verfahren aufgenommen werden sollen – kein Wunder, steht doch die österreichisch-britische Firma Naff Naff Ltd. hinter dem Format 1in360, deren Geschäftsmodell virtuelle Panorama-Touren beispielsweise durch die Wiener Hofburg oder durch Hotels sind. Mathias Strasser, der Geschäftsführer von Naff Naff, arbeitet außerdem als Musikproduzent und Songschreiber und beteiligte sich bereits an einigen maltesischen Vorentscheidungsbeiträgen, dort in Zusammenarbeit mit dem Belgier Marc Paelinck, aber auch an Titeln für den deutschen Vorentscheid. Wie eine kurze Online-Recherche ergab, komponierte er außerdem ein Bühnenmusical mit dem schönen Titel ‘Love in the Time of the Internet’, womit wir wieder den Bogen zu Valentina Monetta und ihrem ‘Social Network Song’ geschlagen hätten, von dem sich der Kleinstaat wohl doch nicht so ganz lösen kann. Oh oh uh oh oh!
Ob auch La Valentina sich erneut bewirbt? Und ob Onkel Ralph einer der “erfahrenen Produzenten” ist? Es wäre einfach zu und zu schön!
Weißt du, Oliver, deshalb liebe ich deinen Blog: Eine Ankündigung, die mich komplett ratlos zurückgelassen hat (warum ist dieses Filmchen so viel hochwertiger als die Billo-Pressekonferenz des sammarinesischen Fernsehens?), hast du gekonnt in Kontext gesetzt. Und manchmal sind es die einfachsten Gags, die mich am lautesten zum Lachen bringen (“Disco-Versuch” oder, etwas länger her, “Elina
PornBorn”). Danke! Und ich freue mich jetzt total auf einen neuerlichen Pop-GAU aus San Marino!Danke für die Info, werter Blogger. Ich finde das niedlich und mutig zu gleich, der Spirit of the ESC scheint bei den Marinesen Einzug zu halten. Mal schauen, ob es eher schweizerisch oder litauisch ablaufen wird.
Die Einreichungen werden jetzt schubweise auf YouTube hochgeladen. Ein Grieche hat tatsächlich einfach das Crisalide-Video von Valentina Monetta mit Eurovision.tv-Intro und ‑Einblendung eingereicht. Das Video war dann auch für ein paar Stunden online… So richtig hat sich das also niemand angehört bei 1in360.
Und Oliver, gib’s zu, das hier wirste geil finden!