Per­len der Vor­ent­schei­dun­gen: the Cat with the Hat

Sech­zig Songs, auf­ge­split­tet auf fünf Vor­run­den aus fünf quer über das Land ver­teil­ten Städt­chen: 2018 pullt das rumä­ni­sche Fern­se­hen TVR bei der Aus­wahl sei­nes Grand-Prix-Lie­des ein Melo­di­fes­ti­valen. Den Auf­hän­ger für die Line Exten­si­on der Sel­ecția Națio­nală bil­det das hun­dert­jäh­ri­ge Jubi­lä­um des his­to­ri­schen Groß­ru­mä­ni­ens, wel­ches nach dem Ende des Ers­ten Welt­kriegs unter Ein­schluss ehe­ma­li­ger rus­si­scher und unga­ri­scher Gebie­te ent­stand, und das man ent­spre­chend groß abfei­ern möch­te. Schö­ner Neben­ef­fekt für den 2016 wegen offe­ner EBU-Rech­nun­gen noch kurz­fris­tig vom Song Con­test aus­ge­schlos­se­nen Sen­der: die Kos­ten für die fünf SN-Semis tra­gen die aus­ge­wähl­ten Kom­mu­nen. Der­zeit stellt TVR zum Anhei­zen für die ab kom­men­dem Sonn­tag star­ten­de Sen­de­rei­he suk­zes­si­ve die Mit­schnit­te der bereits vor eini­ger Zeit durch­führ­ten SN-Audi­tions auf You­tube ein. Und auch, wenn ob der Viel­zahl der zu befül­len­den Sen­de­flä­chen fast jede/r genom­men wur­de, der/die kam, so gab es doch ein paar Gestal­ten, die selbst der rumä­ni­schen Vor­auswahl­ju­ry zu tra­gisch erschie­nen, um sie in einem der Semis zu ver­klap­pen. Was sie natür­lich zu einem gefun­de­nen Fres­sen für die Per­len der Vor­ent­schei­dun­gen macht.

Ein Mann mit einer Mis­si­on: Dorel Giur­giu ist auf der Suche nach Frie­den. Und nach Ruhe vor der Stim­men in sei­nem Kopf.

So beschloss der kul­ti­ge Dorel Giur­giu, sei­ne CD mit GEMA-frei­er Acht­zi­ger­jah­re-Video­spiel-Hin­ter­grund­mu­sik noch­mal her­aus­zu­kra­men, mit wel­cher im Gepäck er bereits letz­tes Jahr vor­sprach, um zu die­ser indif­fe­ren­ten Sound­flä­che wie ein ange­schos­se­ner Tanz­bär auf der Büh­ne her­um­zu­tap­sen und ein paar zusam­men­hangs­lo­se Wör­ter ins Mikro zu stam­meln. Heu­er fiel sei­ne Dar­bie­tung noch­mals spär­li­cher aus, was aber den Unfass­bar­keits­ef­fekt sei­ner Tanz­ein­la­gen nur ver­stärk­te. Zudem bewies Dorel Show­man­ship: die an das wei­ter­hin meh­re­re Num­mern zu groß aus­fal­len­de Jackett ange­klips­te Strass-Bro­sche zeig­te, dass der Mann auch Gla­mour kann. 2019 müsst ihr ihn dann aber mal mit­ma­chen las­sen, ja, TVR? Noch eins drauf setz­te die blon­de Hut­trä­ge­rin Gabrie­la Gar­lon­ta, eine lebens­er­fah­re­ne Matro­ne, die man nur ein­mal anschau­en muss, um schlicht­weg zu wis­sen, dass sie zuhau­se über sech­zig ver­wil­der­te Kat­zen hält und mit nicht vor­han­de­nen Per­so­nen spricht. Sie erzähl­te (nicht sang: erzähl­te!) mit weit auf­ge­ris­se­nen Augen und im Duk­tus einer Mär­chen vor­le­sen­den Kin­der­gärt­ne­rin ein selbst ver­fass­tes Gedicht über die ‘Sehn­sucht von Lis­sa­bon’. Um das Gan­ze irgend­wie als Lied durch­ge­hen zu las­sen, unter­leg­te sie ihren Vor­trag mit Auf­nah­men vom Stim­men ihrer Zither und lala­la­te gele­gent­lich ein wenig. Was aber die bizar­re Befremd­lich­keit des Gesamt­kunst­werks nur noch erhöh­te. Ins­ge­samt kann man sich des Ein­drucks nicht erweh­ren, dass es um die Ver­sor­gung von ver­wirr­ten alten Men­schen in Rumä­ni­en nicht zum Bes­ten bestellt ist…

Wirk­te ein biss­chen wie eine Clow­nin, die ver­ges­sen hat, sich unter­halb der Augen zu schmin­ken: Gabrie­la Carlonta.

2 Comments

  • Lie­ber Oli­ver. “Dor” ist das rumä­ni­sche Wort für eine bestimm­te Art von Sehn­sucht, ein biss­chen wie das por­tu­gie­si­sche “Sau­da­de”. Gold heißt “aur”.

  • Lie­ber Patrick, herz­li­chen Dank für den Hin­weis! Das hat man davon, wenn man sich sei­ne Über­set­zungs­ver­mu­tun­gen ahnungs­los selbst her­lei­tet. 🙂 Ich hab’s im Text korrigiert.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert