Eine kostspielige Angelegenheit ist die Teilnahme am Eurovision Song Contest, und gerade die TV-Stationen kleinerer und finanzschwächerer Länder müssen hier oft kreative Wege gehen. So wie die gerade mal 30.000 Einwohner starke Winz-Republik San Marino. Jahrelang ließ man sich dort den Beitrag von Ralph Siegel bereitstellen und bezahlen, was einer gewissen Valentina Monetta (→ SM 2012, 2013, 2014, 2017) zu fragwürdiger Berühmtheit verhalf. In diesem Jahr legte das sanmarinesische Fernsehen die Verantwortung in die Hände des österreichischen Musikproduzenten Christoph Straub, des Vaters von Zoë (→ AT 2016), die ihrerseits als Co-Komponistin an fast allen Titeln des Vorentscheidungsformats 1in360 beteiligt ist. Und gleichzeitig der Jury vorsitzt, die über nämliche Lieder urteilt. Vater Straub, der unter anderem die Crowdsharing-Plattform Global Rockstar betreibt, versucht nun, sich einen Teil seiner Ausgaben bei den Fans wiederzuholen: wer beim 1in360-Finale am 3. März 2018 als Zuschauer/in mitvoten möchte, muss dazu Anteile an dem Song kaufen, den er unterstützen möchte. Mindestinvestment laut Website: 40 Euro.
Singt die sanfte Ballade ‘Stay’: der Deutsche Sebastian Schmidt will für San Marino zum Eurovision Song Contest 2018.
Dafür gibt es einen Anteil von 0,25% an den zukünftigen Einnahmen (Streaming und Downloads) aus den Rechten an dem Song, für eine Laufzeit von “bis zu 70 Jahren”, wie Global Rockstar verspricht. Um damit Geld zu verdienen, muss das Lied aber schon ein echter Hit werden: 2,6 Millionen Spotify-Stream braucht es, so rechnet das Unternehmen vor, um überhaupt den Break-Even-Point zu erreichen. Und wartet mit ‘Euphoria’ (→ SE 2012) als Beispiel auf: Loreens Siegersong habe es bislang auf 120 Millionen Streams gebracht. Ob eines der Lieder des (in der Slowakei aufgenommenen) sanmarinesischen Finales das Zeug hierzu hat? Ungleich größer ist die Wahrscheinlichkeit, seine Investition in den Sand zu setzen. Wie eurovoix berichtet, verkauft Straub den Deal ironischerweise, um eine größere “Fairness” zu gewährleisten. Ursprünglich nämlich sollte das Voting bei 1in360 “nur” einen Euro kosten und an eine Paypal-Zahlung geknüpft sein. Je nach Anzahl der eingegangenen Zahlungen, Entschuldigung: Stimmen, sollte das Televoting zu 10 bis 50% zählen. Diese Option strich man nun. Stattdessen wertet man die verkauften Anteile als Publikumsstimmen. Die Jury hat 50% Gewicht.
Knödelt die sanfte Ballade ‘Stay’: der Malteser Franklin Calleja will San Marino beim ESC vertreten.
In der sitzt Zoë nun nicht mehr drin, nachdem Zweifel aufkamen, ob sie als Mitkomponistin der meisten Titel fair urteilen könne. Schlimmer als diese Frage empfand ich allerdings das Gesicht, welches die österreichische Waldelfe in den bisherigen Semis beim Zuhören zog, und das mit “Resting Bitch Face” nur unzureichend beschrieben ist. Vater Straub kassierte übrigens bereits im Vorfeld: wer sich über die Internetplattform 1in360 fürs Vorsingen bewarb, musste entweder eine Mindestanzahl an Likes vorweisen können – oder 4,99 € zahlen, damit sich eine Vorauswahljury seinen Clip überhaupt anschaute. Ohne Garantie, in die engere Auswahl zu kommen. Lustig auch: die elf Kandidat/innen aus aller Herren Länder erhielten teils die selben, in einem Song-Workshop zu Wien entstandenen Lieder. So findet sich der Beitrag ‘Stay’ gleich drei Mal im Finale von 1in360, interpretiert von drei verschiedenen Künstlern. In den Semis wurden die Titel in einer akustischen Version performt, der musikalischen Äquivalenz zu drei Tage abgestandenem Kamillentee. Um ordentliche, voll orchestrierte Fassungen davon für das Finale produzieren können, sollen die Mittel aus dem Crowdfunding dienen. Wenn’s hilft…
Zersäftelt die sanfte Ballade ‘Stay’: der Israeli Judah Gavra möchte für San Marino zum ESC.
Vorentscheid SM 2018
1in360. Samstag, 3. März 2018, aus den TV Joj Studios in Bratislava, Slowakei. 11 Teilnehmer/innen. Moderation: Nick Earles und Kristin Stein.# | Interpret | Titel | Crowd | Jury | Platz |
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01 | Camilla North | Yo no soy tu Chica | 12 | – | – |
02 | Giovanni Montalbano | Per quelle che mi dai | 12 | – | – |
03 | Jenifer Brening | Until the morning Light | 12 | – | – |
04 | Jessika Muscat + Jenifer Brening | Who we are | 12 | 12 | 01 |
05 | Sarah de Blue | Out of the Twilight | 12 | 10 | 02 |
06 | Franklin Calleja | Stay | 5 | – | – |
07 | Sebastian Schmidt | Stay | 4 | – | – |
08 | Tinashe Makura | Free yourself | 3 | – | – |
09 | Emma Sandström | Diamonds | 2 | – | – |
10 | Judah Gavra | Stay | 1 | – | – |
11 | Irol + Sebastian Schmidt | Sorry | 0 | – | – |
Ehrlich gesagt gefällt mir “stay“vom malteser sehr gut.
Ich müsste ja lachen, das projekt 1in360 funktioniert. Ob sich in san marino mal jemand gedanken gemacht hat, was passiert, wenn sie plötzlich der grösstmögliche, gemeinsame nenner sind?
Ich finde ja die Version vom Basti viel schöner, aber vielleicht hör ich da auch mit den Augen… 🙂
1. Ja, die Version von Basti ist die beste! Nieder mit “Man sieht nur mit dem Herzen gut” – Es lebe “Man hört nur mit den Augen gut”. Du hast St.-Exupéry mit diesem genialen Satz endgültig ausgestochen!
2. Danke für den “Resting Bitch Face” Kommentar. Treffender hätte ich es nicht sagen können! Das hab ich mir nämlich auch schon gedacht!
Bei Stay wären mir Basti und Franklin gleich Recht (optisch Franklin). Bloß nicht Judah.
Meine derzeitige Favoritin ist allerdings Sarah de Blue.
Bei solcher Geschäftemacherei hört bei mir die Freude am Hobby auf !