Es scheint stets aufs Neue so eine Art kreative Herausforderung für die Verantwortlichen des slowenischen Fernsehens RTV Slo darzustellen: wie manipuliere ich die traditionsreiche Eurovisionsvorentscheidung EMA und stelle sicher, dass der Zuschauerfavorit auf gar keinen Fall gewinnt? Bereits im vergangenen Jahr mogelte der Sender mithilfe der Jury die maue Ballade des Balkan-Robbie-Williams Omar Naber (→ SI 2005, 2017) an den eindeutigen Publikumslieblingen BQL vorbei, zwei ganz putzigen Brüdern. Die versuchten es heuer erneut, und da man trotz ihres im Vergleich zum Vorjahr deutlich schlechteren Titels ‘Promise’ aufgrund ihrer massiven Beliebtheit bei anruffreudigen jungen Mädchen davon ausgehen konnte, dass sie das Televoting erneut toppen würden (was genau so eintrat), fuhr der Sender diesmal vorsichtshalber gleich sechs (!) verschiedene Jurys auf, deren Aufgabe einzig und alleine darin bestand, BQL weit genug herunterzuvoten, damit sie unter keinen Umständen den Sieg davon trügen. Klappte: vorsichtshalber vergaben die Juroren gerade mal halb so viele Punkte an die Bruder-Boy-Band als an die RTV-Slo-Favoritin Lea Sirk, die folgerichtig gewann und Slowenien nun beim ESC in Portugal vertritt.
Danke, nein: mit dem Songtitel ist das Schicksal des slowenischen Beitrags 2018 bereits beschrieben.
Und zwar, schöner hätte man es sich gar nicht ausdenken können, mit einem Lied namens ‘Hvala, ne!’ oder schlichtweg ‘Danke, nein!’. Ein Kommentar zu den traditionellen Schiebereien des Senders? Man kann es allerdings auch als Bewertung des Titels und seiner Finalchancen in Lissabon lesen. Es mag am fortgeschrittenen Alter des Rezensenten liegen, aber für mich stellt sich ihr Song als eine einzige fortwährende Attacke auf die Hörnerven dar; ein durchgängiges, von einem bollernden Beat unterlegtes, stressiges Fiepen; so als habe das Gezappel ihrer Begleittänzerinnen einen extrem nervtötenden Auto-Alarm ausgelöst. Währenddessen stotterte Lea anstelle eines Refrains lediglich permanent “Ne, ne” vor sich hin. Ein Lied mag man das Ganze gar nicht nennen, eher eine Kriegserklärung! Tröstlich vielleicht für BQL: auch Sirk siegte nicht beim ersten EMA-Versuch. Schon 2009, 2010 und 2017 nahm die Sängerin am slowenischen Vorentscheid teil. 2014 stand die Zopfträgerin bereits als Chorstimme von Tinkara Kovač auf der Eurovisionsbühne.
Brauchen, der EMA-Tradition folgend, wohl noch zwei Anläufe, um dann mit ihrem schlechtesten Lied zum ESC zu fahren: BQL (hier die [etwas schönere] slowenische Fassung aus dem Semifinale).
Schade ist es um ‘Ne zapusti me zdaj’ (‘Verlass mich jetzt nicht’) von Nuška Drašček, und zwar nicht nur wegen der gleich drei Diakrite im Namen des slowenischen Schlagerstars, sondern natürlich zuvörderst aufgrund ihres fabelhaften, druckvollen und mithilfe zweier engagierter Tänzer und zweier stimmstarker Chorsängerinnen überzeugend aufs Parkett gelegten, süffigen Balkanschlagers. Von denen es bekanntlich niemals genügend geben kann! In seinen besten Momenten ließ ‘Ne zapusti me zdaj’ glorreiche Erinnerungen an ‘Vrag naj vzame’ von Rebeka Dremlj (→ SI 2008) wieder aufleben, nur besser gesungen. Das sahen wohl auch die slowenischen Zuschauer/innen so: sie wählten Nuška auf den zweiten Rang, aufgrund der obstinaten Jury reichte es im Gesamtergebnis leider nur für die Bronzemedaille. Lea Sirk soll unterdessen bereits eine englische Version ihres Siegersongs vorbereitet haben, heißt es – mal schauen, welche sie in Lissabon präsentiert. Bei der EMA musste im Semi in Landessprache gesungen werden, im gestrigen Finale stand es den Künstler/innen frei. Lediglich BQL und Ina Shai wechselten in die Lingua Franca des Pop, genützt hat es ihnen nichts.
Das ist der Grund, warum ich nationale Vorentscheidungen mittlerweile lieber schaue als den ESC selbst: dorthin schaffen es solche Fabelhaftigkeiten ja leider nicht mehr.
Vorentscheid SI 2018 (Finale)
EMA. Samstag, 24. Februar 2018, aus dem RTV SLO-Fernsehstudio in Ljubljana. 8 Teilnehmer/innen. Moderation: Vid Valič.# | Interpret/in | Titel | TV | Jury | Gesamt | Platz |
---|---|---|---|---|---|---|
01 | Lea Sirk | Hvala, ne | 48 | 68 | 116 | 01 |
02 | Indigo | Vesna | 00 | 18 | 018 | 07 |
03 | Ina Shai | Glow | 12 | 26 | 038 | 06 |
04 | BQL | Promise | 72 | 34 | 106 | 02 |
05 | Marina Martensson | Blizu | 00 | 10 | 010 | 08 |
06 | Lara Kadis | Zdaj sem tu | 36 | 38 | 074 | 04 |
07 | Proper | Ukraden cvet | 24 | 30 | 054 | 05 |
08 | Nuška Drašček | Ne zapusti me zdaj | 60 | 28 | 088 | 03 |
Zum Glück sind diese Bubis verhindert worden und dieses Mal hat die Jury ausnahmsweise einen guten Job gemacht. “Nein, danke” ist eine interessante Elektronummer, auch ansprechend vorgetragen. Nur etwas zu unmelodisch, ich werte mal 6/10.
Ich gebe dem Vorredner/der Vorrednerin recht – der einizige innovative Beitrag, der gestern Abend bei allen Entscheiden rausgekommen ist. Nuska und die Boypornobubis waren Standardware aus den 90ern des letzten Jh. Das ist gottlob vorbei. Und das omnipräsente Repetieren von Jury-Verschwörungstheorien wird langsam aber sicher zur Lachnummer.
Ich mag das! Noch mehr Bass bitte!
Auch wenn ich von der Rente noch weit entfernt bin: mir ist das zu modern und unmelodiös. Muss dem Blogger hier in allem Recht geben. Dann lieber den klassischen Balkanschlager. Da weiß man was man hat.
Erinnert mich total an meine Kölsche Heimat: erst dick auf dat Trömmelche hauen und wenn es dann losgehen soll “Nä, nä” rufen
@ Stefan
Ich halte auch nichts von generellem Jury-Bashing, in Slowenien hat sie wenigstens richtig entschieden. In Ungarn dagegen gibt es aber böse Gerüchte, daß die “Experten” von Staatsseite angewiesen wurden, nicht erneut einen Roma als Repräsentanten Ungarns zu genehmigen. Anders kann ich mir die fast schon diabolische Abneigung für “Meggyfa” nicht erklären. Das wäre der wolhl aussichtsreichste Kandidat in Lissabon gewesen… Aber mit der Rocknummer kann ich persönlich auch leben.
Wenn der Song in Landessprache bleiben würde, ok. Aber mit einem weiteren miserablen Englisch wird er zum Schrott.