Ein gesperrter Youtube-Kanal und öffentliche Anprangerungen auf Facebook: rund um das diesjährige sanmarinesische Vorentscheidungsverfahren 1in360 ist ein hoch unterhaltsamer Zickenkrieg entbrannt. Popcorn bereitgestellt? Gut! Was bisher geschah: bekanntlich entschied sich der Sender der chronisch erfolglosen Miniaturrepublik, die Ermittlung ihres Beitrags für das europäische Wettsingen in Lissabon an die britisch-österreichische Produktionsfirma Naff Naff Ltd. auszulagern. Die eröffnete einen Youtube-Kanal namens 1in360, auf dem jeder, der wollte, ein Bewerbungsvideo hochladen durfte, was natürlich eine Springflut größtenteils tragischer Einsendungen nach sich zog.
Gehört zu den 1in360-Finalist/innen: Jessica Muskat aus Malta (Repertoirebeispiel).
Eine Jury unter Beteiligung von Zoë Straub (→ AT 2016) suchte dann unter allen Bewerbungen, die mindestens 100 Likes erhalten oder eine Schutzgebühr von 4,99 € gezahlt hatten, elf Glückliche aus neun Nationen für den Vorentscheid heraus, der auf besagtem Youtube-Kanal gestreamt werden sollte. Eigentlich. Denn drei der nicht berücksichtigen Bewerber durchkreuzten diese Pläne: sie schwärzten die Produktionsfirma wegen Copyrightverletzungen bei Youtube an, woraufhin das zu Google gehörende Unternehmen den Kanal sperrte. So jedenfalls die Darstellung von Naff Naff Ltd. in einem Post auf der Facebookseite von 1in360, in welchem die drei angeblich Schuldigen auch öffentlich benannt wurden.
Nun ist die öffentliche Anprangerung von Einzelpersonen durch ein Unternehmen nicht unbedingt die feine englische Art, fügt sich allerdings nahtlos ein in den aktuellen Kommunikationsstandard in dem, was der (an der Auseinandersetzung völlig unbeteiligte) deutsche Delegationsleiter Thomas Schreiber im Zusammenhang mit fiesen Kommentaren gegenüber den Unser Lied für Lissabon-Teilnehmer/innen so schön die “asozialen Medien” nennt. Zwischenzeitlich meldete die Firma einen neuen Youtube-Kanal namens 1in360talent an, auf welchem die in slowakischen Bratislawa bereits voraufgenommenen Semis und das für den 3. März 2018 terminierte Finale des Vorentscheids nun gestreamt werden sollen. Falls es nicht noch weitere kurzfristige Störmanöver gibt.
Die Österreicherin Sara Koell, die sich mittlerweile Sara Blue nennt, ist eine weitere der 1in360-Finalist/innen (Repertoirebeispiel).
Auch für diese Show hat sich Naff Naff Ltd. ein Refinanzierungsmodell ausgedacht: anders als in den Semis, wo die Jury entscheidet, mit welchem der von Zoës Vater Christof Straub produzierten Lieder (an denen Zoë in 20 von 22 Fällen kompositorische Anteile hält) die Elf im Finale antreten, vergeben dort auch die Zuschauer/innen das Ticket nach Lissabon. Allerdings nur diejenigen, die bereit sind, per Paypal 1 € für ihr Stimmprivileg zu blechen, womit laut Produktionsfirma Unregelmäßigkeiten verhindert werden sollen. Als kleines Incentive verspricht Naff Naff eine um so höhere prozentuale Berücksichtigung der Zuschauervoten, je mehr Geld sie einnehmen Stimmen eingehen. Für eine 50%-Beteiligung müssten sich allerdings deutlich mehr Menschen beteiligen, als San Marino Einwohner/innen hat…
Ihr Vater produzierte die in einem Songwriting-Camp entstandenen Songs, sie ist an fast allen kreativ beteiligt *und* sitzt in der Auswahljury: die zauberhafte Zoë managt den sanmarinesischen Vorentscheid 2018 praktisch im Alleingang.
Das hat schon alles einen sehr speziellen Beigeschmack, wirkt es doch trotz einem Alibi-Act aus SMR wie ein beliebig zusammengewürfelter Mini-ESC, an dem sich clevere Geschäftsleute – ich nenne mal keine Namen – eine goldene Nase verdienen (passt auch sehr gut zur kommenden Fussball-EM, die statt eines Gastgeberlandes nun einfach die fettesten Stadien in ganz Europa ausgewählt hat, womit die Milliönchen schön geschmeidig durch die üblichen Champions-League-Kanäle fliessen).
Für mich nur dann von Reiz, wenn entweder besagter Alibi-Act (Irol MC) oder der Mann aus Simbabwe (Tinashe Makura) gewinnen.