Es ist wirklich höchste Zeit, dass die EBU ihre vornehm-feige Nichteinmischungspolitik hinsichtlich der nationalen Eurovisionsvorentscheidungen aufgibt und ein paar grundlegende, von allen teilnahmewilligen Sendern zu befolgende Regeln aufstellt. Die drängendste davon: ein absolutes Verbot des sogenannten Superfinales, also einer zweiten Abstimmungsrunde unter den Topplatzierten, wie sie traditionell beim isländischen Söngvakeppnin stattfindet und auch im gestrigen Finale zelebriert wurde. Denn, mal ganz abgesehen davon, das es schwachsinnig ist, bei nur sechs Wettbewerbstiteln gleich zwei Votings durchzuführen: in aller Regel endet ein solches Superfinale in der Katastrophe. So auch gestern in Island: dort vereinte in der ersten Abstimmungsrunde nämlich ein x‑beiniger, dicker Junge namens Dagur Sigurðsson mit einer recht drögen, zumindest jedoch leidenschaftlich und in Landessprache dahingeraspelten Powerballade namens ‘Í Stormi’ die meisten Anrufe und die Spitzenwertung der Jury auf sich. Das Ticket nach Lissabon bekam er aber trotzdem nicht.
Der isländische Meat Loaf muss leider zuhause bleiben.
Denn der Zweitplatzierte der Erstabstimmung, der smarte und dauergrinsende ehemalige The-Voice-Teilnehmer Ari Ólafsson, konnte ihn im besagten Superfinale, wo nur noch die Zuschauerstimmen zählten, überraschend schlagen. Wobei sich nun die Frage stellt, ob Ari, der in der ersten Wertungsrunde auch im Televoting nur auf Rang 2 lag, das Endergebnis aufgrund seiner Castingshow-Popularität zu drehen vermochte oder ob die Isländer/innen nach rein optischen Gesichtspunkten entschieden, also Fatshaming betrieben. Denn am Song konnte es nicht gelegen haben: die auf englisch gesungene Vomitierballade ‘Our Choice’ versammelt ausschließlich die ausgelutschtesten und abgegriffensten Weltfriedensklischees, für die selbst ein Bernd Meinunger sich schämen würde. Es mutet an, als habe jemand versucht, in einem verwirrenden Meta-Ebenen-Twist eine Parodie auf den von Paradise Oskar (→ FI 2011) als offensichtliche Parodie auf die klassische Grand-Prix-Heile-Welt-Ballade konzipierte, vom Publikum aber für bare Münze genommenen ‘Da da dam’ zu kreieren. ‘Our Choice’ nimmt sich selbst hingegen offensichtlich sehr ernst, und zwar auf eine Weise, die beim Rezensenten für hysterische Lachanfälle sorgt.
In klassischer Erlöserpose: Ari hat das Rezept für Friede, Freude, Eierkuchen dabei.
Nun steht zu befürchten, dass es auch im Jahre 2018 noch ein Publikum gibt für solche Lieder, die 1982 bereits überholt gewesen wären. Zumal Aris’ Dackelblick bei der einen oder anderen “schwulen Oma” (Sarah Kuttner) für feuchte Höschen sorgen dürfte. Für einen Finaleinzug sollte es dennoch nicht reichen. Immerhin muss man dankbar sein, dass Schlimmeres verhindert wurde, nämlich in Form des yuppiehaften Aron Hannes, Typ neureicher BWL-Schnösel, der gemeinsam mit seinen Backings versuchte, sich die nur an seiner Penunze interessierten ‘Gold Digger’ vom Leib zu halten. Als ob! Aron führte auf erschreckende Weise vor Augen, was passiert, wenn die Christian Lindners dieser Welt gewinnen. Den optischen Höhepunkt des Abend bildete der Pausenact Robin Bengtsson (→ SE 2017), der mit kürzeren Haaren und dichterem Bart richtig schweinegeil aussah. Daneben stellte Daði Freyr nochmals unter Beweis, weswegen es ein solches Verbrechen ist, dass Island ihn trotz mehrerer Versuche noch nicht zum ESC schickte.
https://youtu.be/aRh89CkipyI
Was muss noch passieren, dass Island endlich zur Vernunft kommt und Daddy Fire zum ESC entsendet?
Vorentscheid IS 2018 (Finale)
Söngvakeppnin. Samstag, 3. März 2018, aus der Laugardalshöllin Arena in Reykjavik, Island. 6 Teilnehmer/innen. Moderation: Ragnhildur Steinunn Jónsdóttir.# | Interpret | Titel | TV | Jury | Gesamt | Platz | Super |
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01 | Fókus | Battleline | 12.859 | 13.091 | 25.950 | 05 | – |
02 | Áttan | Here for you | 03.360 | 10.637 | 13.997 | 06 | – |
03 | Ari Ólafsson | Our Choice | 18.408 | 17.453 | 35.861 | 02 | 01 |
04 | Heimilistónar | Kúst og fæjó | 17.619 | 14.183 | 31.802 | 03 | – |
05 | Aron Hannes | Golddigger | 14.848 | 16.090 | 30.938 | 04 | – |
06 | Dagur Sigurðsson | Í stormi | 24.547 | 20.183 | 44.730 | 01 | 02 |
Schade, der Zweitplatzierte ist im Längen besser
Nachdem das Land drei Mal hintereinander nichtssagenden Pop zum ESC schickte, dachte ich nicht, das Island mich noch mehr enttäuschen könnte. Aber dieses Lied ist einfach grauenvoll. Und der Text sorgt bei mir leider nicht für Lachanfälle, sonder nur für Brechreiz. Da ist mir das Gesülze aus Spanien und der Geschrei aus Ungarn sogar lieber.
Platz 1 und 2 sind jetzt beide nicht so meins. Was mich irritiert ist, dass dieser sympathische grüne Sprössling nicht zum ESC geschickt wird? Meine Stimme(n) hätte er??? Ich fand sein Liedchen recht originell und lustig?