Zum Schluss musste man wirklich fürchten, er würde vor lauter Aufregung auf der Bühne des Osloer Spektrum gleich einen Schlaganfall erleiden. Vier Abstimmungen brauchte es, bis der Eurovisionssieger von 2009, Alexander Rybak, heute Abend beim MGP als neuerlicher Vertreter Norwegens beim Grand Prix 2018 in Lissabon feststand. ‘That’s how you write a Song’ hieß sein selbstkomponierter Titel, und dass der Geigentroll wahrlich noch immer weiß, wie das geht, stellte er mit seinem erfrischend altmodischen, aber hochgradig ansteckenden Gute-Laune-Song und einer perfekt darauf abgestimmten Choreografie unter Beweis, die auf spielerisch-lässige Weise Zeichentrickelemente einband. Rybak, der den erneuten Sieg sehr, sehr erkennbar sehr, sehr stark wollte und dann, als er sich bestätigte, sein Glück kaum fassen wollte, führte bereits in der ersten Abstimmungsrunde bei den elf internationalen Jurys, von denen ihm vier ihre Höchstwertung gaben. Und auch das in den beiden letzten Voting-Runden des Super- und Super-Super-Finales (mit jeweils vier bzw. zwei Titeln) alleine abstimmungsberechtigte Publikum konnte er überzeugen.
Macht kleine Noten groß: der putzige Alexander.
Und bevor jetzt das allgemeine Genöle wieder losgeht, dass ‘That’s how you write a Song’ aber nicht so gut wie ‘Fairytale’ sei, möchte ich nochmals auf meinen diesbezüglichen Aufsatz vom 15. Januar diesen Jahres erinnern und meinen Appell wiederholen, dass Alexander eine faire Chance wirklich verdient. Im Gul-Finale gelang es dem Bürschelchen, eine der großen Favoritinnen aus dem Wege zu räumen, nämlich die leicht walkürenhafte Rebecca mit einer lehrbuchhaft aufgebauten, kompetent gesungenen Grand-Prix-Ballade aus der Feder von Kjetil Mørland (→ NO 2015) namens ‘Who we are’. Neben Rybak und Mørland schafften es ausschließlich weitere Ehemalige in die Zweitabstimmung, namentlich der Vorjahresvertreter Aleksander Walmann, der allerdings mit dem ebenfalls von JoWSt komponierten Track ‘Talk to the Hand’ und in einem unvorteilhaften fliederfarbenen Frühlingsjäckchen wirklich extrem farblos blieb; sowie die bezaubernde Stella Mwangi (→ NO 2011), die heuer mit Unterstützung von Alexandra Rotan sowie des bei allen Beiträgen sehr präsenten Backing Tapes deutlich besser sang als seinerzeit bei ‘Haba Haba’.
Da hat die Windmaschine gut zu tun: Rebecca.
Wenig Raum blieb da für die Newcomer/innen, so beispielsweise die in Norwegen kommerziell sehr erfolgreiche Ida Maria, die ihren fantastisch eigenironischen Track ‘Scandilove’ über die Hindernisse beim Liebemachen in kälteren skandinavischen Gefilden stimmlich leider komplett in den Sand setzte, da sie so stark mit unterlasslosem Herumhüpfen beschäftigt war, dass ihr zum Luftholen kaum Zeit blieb. Wirklich schade, denn in der Studioversion erweist sich der Song als absoluter Knaller und dürfte bei noch so mancher Eurovisionsdisco als Tanzflächenfüller agieren. Das Nachsehen hatte auch der smarte Tom Hugo Hermansen, der sich im Einspieler zu seinem harmlos-fröhlichen ‘I like I like I like’ als offen schwul outete und dem zum Weiterkommen vielleicht nur ein Laufband fehlte. Der in Berlin und Oslo lebende Musiker, der Wikipedia zufolge auch schon auf einen Auftritt im ZDF-Morgenmagazin zurückblicken kann, versuchte es bereits 2013 vergeblich beim Melodi Grand Prix, das heuer einzuschalten sich alleine schon aufgrund des glänzend aufgelegten Moderators Kåre Magnus Bergh und seines sexy Vollbarts lohnte.
Robin Bengtsson hat angerufen und will seine Handographie zurück von Tom Hugo.
Vorentscheid NO 2018
Melodi Grand Prix. Samstag, 10. März 2018, aus dem Spektrum in Oslo, Norwegen. 10 Teilnehmer/innen. Moderation: Silya Nymoen und Kåre Magnus Bergh.# | Interpret | Titel | Jury | Silber | Gold |
---|---|---|---|---|---|
01 | Stella Mwangi + Alexandra Rotan | You got me | 2 | 03 | 29.784 | – |
02 | Aleksander Walmann | Talk to the Hand | 1 | 04 | 07.927 | – |
03 | Ida Maria | Scandilove | 0 | – | – |
04 | Nicolina | Light me up | 0 | – | – |
05 | Tom Hugo | I like, I like, I like | 0 | – | – |
06 | Charla K | Stop the Music | 0 | – | – |
07 | Alejandro Fuentes | Tengo otra | 0 | – | – |
08 | Vidar Villa | Moren din | 0 | – | – |
09 | Rebecca Thorsen | Who we are | 3 | 02 | 46.260 | 02 | 123.507 |
10 | Alexander Rybak | That’s how you write a Song | 4 | 01 | 133.164 | 01 | 306.393 |
Einfach ein grandioser Sieger !
“Rybak, der den erneuten Sieg sehr, sehr erkennbar sehr, sehr stark wollte”
Wirklich? Mein Eindruck war, dass er die ganze Zeit “Seid ihr wahnsinnig? Ich hab mich hier nur aus Jux angemeldet!” dachte und bei der Verkündung eher kurz vorm Durchfall stand, so gekrümmt wie er dastand. Rybaks Nummer hat übrigens stark von der Performance profitiert, wie ich fand.
Richtig schade ist es um “Scandilove”, das ich in seiner trashig-kaputtchoreographierten Performance auch schon wieder extrem reizvoll fand. Nach “Laika” die nächste MGP-Perle, die leider Insidern vorbehalten bleiben wird.
Davon abgesehen hab ich mich bestens unterhalten gefühlt, lediglich die letzten Abstimmungsphasen hätte man noch straffen können. Das Moderatorenduo liefert Jahr für Jahr ab, Wiwi-William hatte mit (sinngemäß) “Sweden’s all show business, this is a show” den Nagel auf den Kopf getroffen, sexy Edoardo aus Fronkraisch war wieder hinreißend homosexuell – und Norwegen hat einen Kandidaten gekürt, der krass polarisieren wird. Allein das ist schon ein Gewinn für diesen Jahrgang.
Es geht nicht darum, “Fairytale” und “That’s how you write a song” zu vergleichen, da geb ich dir, lieber Blogger, komplett recht. ABER! Dieses Lied ist auf dem Niveau von “Still in love with you” von Electro Velvet (UK 2015) (inklusive: Shoo-bee-doo-bee dab dab) und wir wissen ja wohl, wie die Reaktionen zu diesem Lied ausfielen, bzw. auf welchem Platz es gelandet ist. Also hoffe ich inständig, dass das europäische Publikum ein bischen Geschmack beweist und dieses etwas von einem Lied im Semi nach Hause schickt.
Von den Skandinaviern kann man nicht nur lernen wie man auf Ihre Art Liebe macht und einen Song schreibt sondern auch wie eine unterhaltsame Show aussieht!
Kann jemand dafür den NDR zur Weiterbildung nach Norwegen und Schweden schicken??
Freut mich dass die Juries den immer noch so schön lausbubenhaften Alexander nicht verhindern konnten :))
Gerade bei dem ganzen Forengeraunze davor und fast noch schlimmer danach um so schöner!
Wunderbar, ich freue mich wie Bolle, dass Ryback gewonnen hat. Ich liebe den Song und den Charme des ewig jung wirkenden “Geigentrolls” und vielleicht winkt ja der zweite Sieg im Mai. Achtung Johnny Logan, es wird gefährlich!
Also der Zeichentrickfussball lässt mich neben dem instrumentalen Hook jetzt nur noch mehr an das hier denken: https://www.youtube.com/watch?v=3BY9Ebe_nRI (Sekunden 5 bis 10).
Sollten die Europäer nach den letzten Jahren mal wieder eine fröhliche Nummer zu ihrem Sieger küren wollen, hat Rybak auf jeden Fall sehr gute Chancen oben mitzuspielen. Auf jeden Fall schön, dass dieser Gute-Laune-Song dabei ist. Ein bisschen wie ‘Cake to bake’ nur in gut.
Ja sauber! Ein Thomas Schreiber gewidmeter Song. Topfavorit