Wie unter anderem die Süddeutsche Zeitung gestern berichtete, zeichnet sich endlich eine Lösung in dem seit mehr als einem Vierteljahrhundert andauernden, so albernen wie ermüdenden Namensstreit zwischen Griechenland und Mazedonien ab. Seit seiner Unabhängigkeit im Jahre 1991 befindet sich der rund 2 Millionen Einwohner/innen starke Balkanstaat im Disput mit den hellenischen Nachbarn, deren nördlichste, unmittelbar an Mazedonien angrenzende Region Makedonien heißt. Weswegen man in Athen stets territoriale Ansprüche aus Skopje auf eben jenes Gebiet fürchtete, zumal beide Nationen jeweils für sich das kulturelle Erbe des historischen Königs Alexanders des Großen reklamieren. Die Griechen blockierten seither stur jegliche Annäherung Mazedoniens an die EU und die NATO und bestanden auf dem offiziellen Wortungetüm “Frühere jugoslawische Republik Mazedonien” oder auf englisch “Former Yugoslav Republic of Macedonia”: das allseits bekannte und gehasste, auf diesem Blog selbstverständlich niemals verwendete FYROM. Nach persönlichen Gesprächen zwischen den Premiers Alexis Tsipras und Zoran Zaev einigten sich die Beiden nun auf “Nord-Mazedonien”. Oder, in Landessprache: Severna Makedonija. Moment mal: Severina? Sang die nicht schon mal beim ESC?
Diese Severina stammt zwar aus Kroatien, rammt ihre Stöckel aber dennoch jedem in den Leib, der künftig noch “FYROM” in den Mund nimmt.
Noch ist das Ganze allerdings nicht in trockenen Tüchern: die formelle Zustimmung beider Parlamente fehlt, und in Mazedonien braucht es gar ein nationales Referendum, weil für den neuen Namen, der auch international zum Einsatz kommen soll, die Verfassung geändert werden muss. In beiden Ländern gibt es Widerstände, in früheren Umfragen lehnten rund 70% aller Griech/innen sämtliche Namensvorschläge für ihre nördlichen Nachbarn ab, die das Wort “Mazedonien” beinhalten. Wer gelegentlich in internationalen Eurovisionsforen unterwegs ist, hat vielleicht selbst schon mal erlebt, mit welcher nachgerade unfassbaren Militanz und Hartnäckigkeit selbst dort der Namensstreit geführt wurde und wird. Anfangs dieses Jahrtausends für eine kurze Zeit als Korrespondent bei esctoday.com tätig, erinnere ich mich heute noch mit Schrecken an die endlosen, erhitzten Debatten in den Kommentarspalten, die in ihrer Penetranz und Unflätigkeit dem Vollkrakeelen des Internets mit verbaler Anti-Flüchtlings-Diarrhö durch AfD-Anhänger/innen in nichts nachstand, sobald wir es nur einziges Mal gewagt hatten, irgendwo den Zusatz FYR wegzulassen, und sei es versehentlich.
Gossen 2013 Öl ins Feuer: Esma Redžepova und Vlatko Lozanoski mit dem zurückgezogenen mazedonischen ESC-Beitrag ‘Imperija’, in dessen Clip die umstrittene Statue Alexanders des Großen zu sehen ist. Esma gehörte der damaligen nationalistischen Regierungspartei an.
Erst ein politischer Wechsel in Skopje brachte wieder Bewegung in die jahrzehntelang festgefahrene Auseinandersetzung. So nahm das neue Kabinett um den Sozialdemokraten Zaev erst unlängst als Geste des guten Willens die von der früheren, nationalistischen Regierung veranlasste Umbenennung des Hauptstadt-Flughafens und der Nord-Süd-Autobahn des Landes nach Alexander dem Großen wieder zurück, die von den Hellenen als Provokation verstanden wurde, und machte damit den Weg für eine Annäherung mit Griechenland frei. Wie die BBC in einem Bericht spekuliert, habe es zudem Druck vonseiten der EU und der NATO gegeben, die einen immer stärker werdenden Einfluss Russlands auf den Balkan befürchten und das Haupthindernis für eine Aufnahme Mazedoniens beseitigen wollten. Der Generalsekretär des westlichen Militärbündnisses, Jens Stoltenberg, lobte gestern auch prompt Zaev und Tsiparas für ihren “Willen, den Disput zu lösen”. Bleibt zu hoffen, dass die jetzt gefundene Lösung Bestand hat und das unsägliche Kapitel endlich abgeschlossen werden kann.
Sollte das Referendum scheitern, schlage hiermit offiziell die Umbenennung Mazedoniens in “Kaliopistan” als endgültige Lösung vor.