Gleich drei ehemalige The-Voice-Castingsternchen, zwei klampfende Ed-Sheeran-Eleven, zwei Musical-Hauptdarsteller/innen, zwei Indie-Pop-Elfen und exakt null bekannte Namen: auf diesen Nenner lässt sich die heutige Bekanntgabe von sechs der bis zu acht Finalisten des deutschen Eurovisionsvorentscheids 2019 bringen, welchen der NDR im eifrigen Bemühen um die Verwässerung der Marke vom ursprünglichen, in das bewährte Raster passende Unser Lied für Tel Aviv in letzter Minute in Unser Lied für Israel umbenannte. Vermutlich, weil das Akronym ULfI viel schluffig-harmloser klingt als das etwas kernigere ULfTA und man so die vom Unterhaltungschef Thomas Schreiber letztes Jahr selbst geweckten, hohen Erwartungen nach “kantigen” Künstler/innen und Songs ein wenig dämpfen kann. Denn ein erster Blick auf das Portfolio der heute Vorgestellten zeigt, dass diese in großen Teilen eher auf der akustisch-weinerlichen Seite des musikalischen Spektrums angesiedelt sind. Immerhin gibt es mit Aly Ryan und lilly among clouds zwei recht vielversprechende Ausnahmen, die zumindest einen Hauch von Edgyness in den Wettbewerb tragen.
She’s alright: die gebürtige Frankfurterin Aly Ryan ist bis dato meine Favoritin (Repertoirebeispiel).
Die ziemlich poppige Aly und die etwas düsterer gefärbte Lilly bringen mit ihren eigenwilligen, aber eingängigen Songs und ihren leicht widerborstigen Stimmen die interessanteren Töne in das ausgewählte Sechserfeld ein, in welchem daneben die beiden The-Voice-erfahrenen Milchbübchen Gregor Hägele und Linus Bruhn dieselbe akustikgitarrenlastige Jammerlappenschiene bedienen, die uns 2018 mit dem charismatischen Michael Schulte und seiner glaubhaft tränentreibenden Vater-Hommage einen Sieger und vierten Platz im Hauptwettbewerb bescherte. Ob das ARD-Publikum und die beiden Jurys begreifen, dass ein stumpfes Wiederholen der Vorjahres-Erfolgsformel beim ESC nicht genügt? Die beiden Soulstimmen Makeda (mit ihrer Band Steal a Taxi bereits letztes Jahr unter den letzten 17) und BB Thomaz vervollständigen das Angebot, wobei erstere den sanfteren Tönen zugeneigt scheint und wir uns von zweiterer, wenn uns das Glück hold ist, womöglich ein paar hart bouncende Bollerbeats erhoffen dürfen (ausführlichere Beschreibungen der Kandidat/innen sind unter den jeweiligen Namen verlinkt).
Wie magst du es? BB mag es anscheinend hart und kurz (Repertoirebeispiel).
Damit schafften es von den Anfang Oktober 2018 namentlich bekannt gewordenen elf Workshop-Teilnehmer/innen lediglich drei ins ULfInale. Mit Daniel Schuhmacher schied sogar ein ehemaliger DSDS-Sieger aus. Und das schon zum zweiten Mal: schon 2015 bewarb sich der schnieke Recke vergeblich um die Wildcard für Unser Song für Österreich. Die drei anderen Finalist/innen hatten sich in der Vorrunde noch Geheimhaltung ausbedungen – wobei man sich nun fragt, weswegen: welchen Namen hätte beispielsweise ein Linus Bruhn schon zu verlieren gehabt, wäre er nicht unter die letzten Sechs gekommen? Der Mediendienst DWDL kommentierte das so uncharmant wie zutreffend: “Das Teilnehmerfeld ist im Großen und Ganzen also relativ unbekannt”. Allerdings ist der NDR neben den Super Sechs, die diese Woche im Songwriting-Camp zu Berlin mit der Hilfe internationaler Komponisten die Chance erhalten sollen, ihre Song-Ideen – wenn gewünscht – wettbewerbsgerecht aufzupolieren, auch noch mit einem bis zwei weiteren Acts im Gespräch. Die Hoffnung auf ein Wiedersehen mit Laing stirbt also zuletzt!
Der perfekte Novembersong: die brillanten Laing besingen den ‘Nieselregen’ (Repertoirebeispiel).
Und es wäre schon schön, wenigstens eine Gruppe im Line-up zu haben und nicht nur Solo-Sänger/innen. Neben den Namen der sechs Teilnehmer/innen gab der NDR heute auch die Komoderatorin der fantastischen Barbara Schöneberger bekannt: die tagesschau-Sprecherin Linda Zervakis bekommt nach ihrer etwas bemüht wirkenden Première bei ULfL im Februar 2019 eine zweite Chance. Wobei sie es heuer schwer haben dürfte, gegen die Rampensau Babsi zu punkten. Immerhin bleibt uns der unsägliche Elton erspart. Einen exakten Termin für die Show gibt es hingegen noch immer nicht. Das bekommen andere Sender deutlich besser hin. Spannend bleibt auch die Frage, wann wir die Songs zum ersten Mal hören werden – hoffentlich nicht erst wieder am Vorabend der Sendung wie 2018! Mal schauen, ob Herrn Schreiber auf der Roadshow noch weitere Details zu entlocken sind, die nun tatsächlich noch “in der zweiten Novemberhälfte” durchgeführt werden soll und in Leipzig, Hannover, Bochum, Frankfurt und beim ausverkauften ECG-Clubtreffen in Köln Station macht.
Keine Zeitverschwendung: die sphärische lilly among clouds (Repertoirebeispiel).
Vorentscheid DE 2019
Unser Lied für Israel. Freitag, 22. Februar 2019, aus den Adlershof-Studios in Berlin, Deutschland. Sieben Teilnehmer:innen. Moderation: Barbara Schöneberger und Linda Zervakis.# | Interpreten | Songtitel | Televote | Jury Int. | Jury DE | Platz |
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01 | Gregor Hägele | Let me go | 26.053 | 100 | 592 | 06 |
02 | Aly Ryan | Wear your Love | 39.503 | 125 | 991 | 04 |
03 | Makeda Michalke | The Day I loved you most | 39.480 | 186 | 840 | 02 |
04 | BB Thomaz | Demons | 20.697 | 117 | 566 | 07 |
05 | lilly among clouds | Surprise | 83.677 | 158 | 789 | 03 |
06 | Linus Bruhn | Our City | 71.490 | 167 | 782 | 05 |
07 | Sisters | Sister | 93.413 | 187 | 640 | 01 |
Wer ist dein/e Favorit/in unter den sechs ULfInalisten?
- Bevor ich die Songs nicht kenne, stimme ich nicht ab! (40%, 31 Votes)
- lilly among clouds (23%, 18 Votes)
- Der siebte oder achte Act (14%, 11 Votes)
- Aly Ryan (10%, 8 Votes)
- BB Thomaz (5%, 4 Votes)
- Linus Bruhn (4%, 3 Votes)
- Gregor Hägele (3%, 2 Votes)
- Makeda Michalke (0%, 0 Votes)
Total Voters: 77