Nachzuliefern ist noch die Nachschau des ersten Semifinales der rumänischen Selecția Națională (SN), die am vergangenen Sonntag in der 300.000-Einwohner-Stadt Iași (gesprochen: “Jasch”), der einstigen Metropole des Fürstentums Moldau, über die Bühne ging. Elf Acts traten an, doch strenggenommen drehte sich der gesamte Abend nur um eine einzige Teilnehmerin, nämlich um Bella Santiago. Die gebürtige Philippinin, die bereits vergangenes Jahr mit ‘Auzi Cum Bate’ einen der besten Songs zum rumänischen Vorentscheid beisteuerte und im Herbst des gleichen Jahres in der Castingshow X‑Factor abräumte, hatte ihren aktuellen Beitrag ‘Army of Love’ erst nach Ablauf der Deadline bei TVR eingereicht, aber vom Sender eine Wildcard erhalten. Wie es hieß, verschob man für sie sogar eigens den Termin dieses Semis. Was die ursprünglich ebenfalls für diese SN aufgestellte, altbekannte Dramaqueen Mihai Trăistariu dermaßen erboste, dass der ‘Torneró’-Mann seinen Auftritt gleich nach Weißrussland verlegte. Frau Santiago präsentierte am Sonntag dann praktisch den einzigen anhörbaren Song.
Der mit den langen Haaren und dem Vollbart (wie zu hören war, ein Italiener) gehört mir!
Was jedoch eigentlich keine Rolle spielte, konzentrierte sich (jedenfalls meine) Aufmerksamkeit doch voll und ganz auf die vier göttlichen Tänzer, die Bella mitgebracht hatte und die sich sich in einer zwar nicht originellen, aber effektiven Choreografie so maskulin wie anmutig um sie herum bewegten. Resciebelle, wie sie mit bürgerlichem Vornamen heißt, channelte dazu ihrer innere Eleni Foureira und ließ das lange Haupthaar zackig fliegen. In Sachen Gesang sei ihr allerdings zu raten, sich ein Beispiel an Sakis Rouvas zu nehmen und diesen vollständig ihrem im Bühnendunkel stehenden Backing zu überlassen, denn ihre selbst für rumänische Verhältnisse arg ruppigen Vocals bestätigten aufs Neue die altbekannte Weisheit, dass gleichzeitiges Trällern und Tanzen ein zum Scheitern verurteiltes Unterfangen darstellt. Dessenungeachtet wählten die fünf Juroren sie zu Recht weiter ins Finale, denn alles ändere hätte vermutlich einen Volksaufstand ausgelöst. Weniger Nachsicht erfuhr die hochschwangere Mirela Vaida, nachdem sie eine Justine Pelmelay pullte und die lange hohe Schlussnote ihrer öden Midtempoballade ‘Underground’ katastrophal verkrächzte: sie fand sich nicht unter den fünf von der Jury ins Finale delegierten Acts wieder.
Hoffen wir mal, dass das Ungeborene sich im Strom der Windmaschine keinen Zug geholt hat!
Dafür zeigte das Publikum Mitleid, das – wie beim ungarischen A Dal – eine/n der zurückgewiesenen Künstler/innen retten durfte. Leichtsinnigerweise versprach Vaida, den Ton im Finale treffen zu wollen: entweder hat sie bis dahin geworfen oder ich sehe schwarz für dieses Vorhaben! Augenscheinlich aus einer längeren Familienpause zurück meldete sich Nicoleta Alexandru, besser bekannt als Nicola, die ihr Land 2003 beim Eurovision Song Contest mit ‘Don’t break my Heart’ vertrat und damit den zehnten Platz holte. Und auch, wenn mir es mir so vorkommt, als sei das erst gestern gewesen, liegen tatsächlich mehr als 15 Jahre zwischen beiden Auftritten. Die sah man Nicola deutlich an, verstärkt leider durch die etwas unglückliche Klamottenwahl: in offensichtlich sehr bequemen, sehr weiten Plünnen, mit Diadem im Haar und umflankt von vier deutlich jüngeren Backings wirkte sie wie die sich selbst noch immer für hip haltende Mutti, die ihre Töchter beim Junggesellinnenabschied begleitet. ‘Weight of the World’ nannte sich ihre völlig egale Nummer aus der Resteschublade des schwedischen Fließbandkomponisten Jonas Gladnikoff, und das gewaltsame Unterdrücken aller in meinem fiesen Gehirn aufsprudelnder, natürlich völlig unangebrachter Gewichtswitze kostet mich gerade all meine Kraft.
Ist doch schön für Mutti, endlich mal wieder aus dem Haus zu kommen.
Und da eine Selecția Națională kein amtliches Echtheitszertifikat erhält, wenn kein opernhafter Gesang darin vorkommt, lieferte TVR vergangenen Sonntag gleich doppelt. Die sehr offensichtlich sehr durchgeknallte Berniceya, die ihren SN-Live-Auftritt aus gutem Grund auf Youtube sperren ließ, versuchte sich in ihrem völlig ungenießbaren Stück ‘The Call: Dynasty of Love’ abwechselnd an kaum hörbarem Flüstern und lautem Kreischen. Sie kassierte mit armseligen 104 Anrufen im Televoting völlig zu Recht die rote Laterne. Eine eher seltene Kombination präsentierte uns hingegen die Dad-Rock-Kapelle Trooper, deren zopfbärtiger Frontmann sich die Arbeit mit dem vermutlich Sechsplatzierten im letztjährigen Placido-Domingo-Doppelgänger-Wettbewerb zu Bukarest teilte. Dieser ergänzte das zähe Geplodder der Strophen um nicht minder zähes Geknödel. Doch die nicht zu leugnende Stärke von ‘Destin’ liegt, neben einem angenehm langen, angenehm rockgitarrenlastigen Instrumentalpart, im supersimplen, supereingängigen “Lei lei leileileilei”-Refrain, der fraglos keinen Innovationspreis gewinnt, sich aber, ob man wollte oder nicht, umgehend in die Gehirnwindungen bohrte. Und das darf er im Finale der SN erneut.
Das ist doch Martin Kesici, der sich da auf der Flucht vor dem deutschen Finanzamt als rumänischer Rocker tarnt!
Im ersten Moment dachte ich Santiano meets Mooshamer.….. Destination NULL points
Die philippinische Kreuzzüglerin der Liebe – musikalisch recht gut mit einer interessanten “Bridge”, aber die Perfomance ist doch ein wenig einfallslos und “effekterheischend”.
@ an den Hausherrn
Schade, genau der Typ würde mir auch gefallen (grins.…) Was machen wir jetzt ?
Grüße aus Offenbach