Zahlreiche Ergebnisse sind noch nachzureichen vom vergangenen Wochenende, wo am Samstag in gleich vier Ländern nationale Finale stattfanden. In den meisten von ihnen, in denen bereits diverse Vorrunden und Semis vorausgingen, passierte dabei allerdings nichts bahnbrechend Neues mehr. So beispielsweise in Litauen, wo sich die heuer verhältnismäßig kurz gehaltene Nacionalinė Eurovizijos Atranka in die Endrunde schleppte. Die gute Nachricht: die perfide Strategie der Sängerin Monika Marija Paulauskaitė, welche die Vorrunden mit zwei sehr ähnlichen Powerballaden verstopfte, um ihre Chancen zu erhöhen, und kurz vor dem vorgestrigen Finale eine davon unter Inkaufnahme einer Geldstrafe wegwarf, ging nicht auf. Die Litauer/innen bescherten ihr zu meiner diebischen Schadenfreude für das übrig gebliebene ‘Light on’ mit dem zweiten Platz das schmerzhaftest mögliche Ergebnis. Die schlechte Nachricht: statt ihrer fährt nun Jurijus Veklenko mit dem völlig egalen Midtempo-Geplodder ‘Run with the Lions’ nach Tel Aviv und reiht sich dort nahtlos ein in das anschwellende Heer von Beiträgen, die weder eine positive noch eine negative Reaktion hervorzurufen vermögen und scheinbar nichts weiter sein wollen als ein möglichst unauffälliger Klangteppich, der es den Eurovisions-Zuschauer/innen erlaubt, während der Show auf dem Handy die neuesten Twitter-Kommentare zu checken, ohne dabei auf der Bühne irgendetwas zu verpassen.
Ein Vollbart schmückt doch einfach jeden Mann: immerhin entschädigt Jury-Juice optisch ein wenig für sein enervierendes Gewinsel.
Wie es in Osteuropa Usus zu sein scheint, schwebt über dem litauischen Grand-Prix-Lied derzeit noch ein kleines Fragezeichen, denn es steht die Behauptung im Raum, der Titel sei bereits vor der EBU-Deadline am 01.09.2018 der Öffentlichkeit zugänglich gewesen. Und zwar auf der Soundcloud-Seite des Komponisten, was dieser indes abstreitet. Die EBU muss den Fall nun prüfen, mit einer Disqualifikation dürfte jedoch nicht zu rechnen sein, denn das Vorveröffentlichungsverbot soll verhindern, dass ein Wettbewerbsbeitrag bereits vor diesem Datum europaweit so vielen Menschen zu Ohren kommt, dass dieser sich damit einen Vorsprung im Televoting verschafft. Das kann man hier sicherlich guten Gewissens vernachlässigen. Das auf acht Starter ausgeweitete Teilnehmer/innenfeld des Atranka-Finales bot neben der bereits im Zuge ihres Vorrundenauftrittes abgehandelten Comedykapelle Antikvariniai Kašpirovskio Dantys sowie dem ehemaligen InCulto-Frontmann Jurgis Didžiulis, der hier gemeinsam mit seiner Ehefrau Erica Jennings und dem fremdschämpeinlichen Mitmachlied ‘Sing!’ antrat, noch sehr betrüblichem Trash in Form der Sängerin Justina Budaitė-Junà und ihren tanzenden Muskelschnitten, die die musikalische Malaise von ‘Strength of a Woman’ mit schrillen Verkleidungen wett zu machen suchte.
Jetzt haben es die Gelbwesten schon bis nach Litauen geschafft: Junà und das Formfleisch-Trio.
Wobei die Frage offen blieb, ob die Vier in diesem Aufzug eine Bad-Taste-Party oder den Straßenstrich heimzusuchen gedachten. Weniger als 700 Anrufe waren der verdiente Lohn der Mühen, was für den berechtigen letzten Platz reichte. Immerhin auf das Dreifache an Stimmen kam der nur durch den Teilrückzug von Monika Marija ins Finale nachgerückte Alen Chicco mit seinem queeren Kampflied ‘Your Cure’, in dem sich die litauische LGBTQI-Ikone als Heilung gegen Hass und Intoleranz in Szene setzte. Für den Finalauftritt ließ er den Rollstuhl, der noch in der Vorrunde für Aufsehen gesorgt hatte, in der Requisitenkammer stehen und beklebte sich stattdessen die Glatze mit Straßsteinen. Seine anmutig voguende Begleittruppe steckte er in traditionell anmutende Kostüme. Reichte leider nur für den fünften Rang, womit auch die Litauer/innen (so wie bislang fast jedes in Tel Aviv teilnehmende Land) eine große Chance vergaben, auf europäischem Parkett einen nachhaltigen Eindruck zu hinterlassen. Spannend indes die völlige Übereinstimmung der Punktevergabe der Jury mit dem Televoting: vom ersten bis zum letzten Platz gab es das gleiche Ergebnis – meines Wissens ein Novum bei einem nationalen Vorentscheid!
Tradition queer besetzt: Alen Chicco weiß, wie man Symbole der mentalen Rückständigkeit progressiv umdeutet. Da capo!
Wer zweieinhalb Stunden Zeit und eine hohe Leidensbereitschaft mitbringt, der mag sich das litauische Vorentscheidungsfinale hier noch mal am Stück anschauen.
Vorentscheid LT 2019
Nacionalinė Eurovizijos Atranka. Samstag, 23. Februar 2019, aus der Žalgirio Arena in Kaunas, Litauen. Acht Teilnehmer:innen. Moderation: Giedrius Masalskis und Gabrielė Martirosianaitė.# | Interpreten | Songtitel | Anrufe | Jury | Platz |
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01 | Alen Chicco | Your Cure | 2.980 | 06 | 05 |
02 | Justina Budaitė-Junà | Strenght of a Woman | 691 | 03 | 08 |
03 | Henry + Tommy Modric | Neverpart | 1.186 | 05 | 06 |
04 | Jurgis Brūzga | Ctrl Alt Delete | 936 | 04 | 07 |
05 | Jurgis Did + Erica Jennings | Sing! | 14.912 | 07 | 04 |
06 | Monika Marija | Light on | 20.977 | 10 | 02 |
07 | Antikvariniai Kašpirovskio Dantys | Mažulė | 15.699 | 08 | 03 |
08 | Jurijus | Run with the Lions | 24.694 | 12 | 01 |
Auch wieder so ein völlig nichtssagender Song, oh Mann, ich glaube, dieses Jahr möchte kein Land gewinnen. Hoffentlich geht da noch was. Es ist zum Verzweifeln!