Sie war angekündigt als die “modernste Vorentscheidung, die RTCG jemals produziert hat”: die diesjährige Ausgabe der Montevizija. Und tatsächlich durchströmte die am Samstagabend aus dem Hauptstadtstudio des Senders ausgestrahlte Show das Flair eines westeuropäischen Vorentscheids von ca. 1989 – ein deutlicher Fortschritt gegenüber dem Vorjahr. Einen Geschwindigkeitsrekord stellte man ebenfalls auf in Podgorica: innerhalb nur einer knappen halben Stunde nach Sendebeginn jagte man alle fünf Beiträge über die Antenne. Doch bis zur Ergebnisverkündung sollten sich dann noch fast zwei Stunden anschließen, da man sich für ein unnötig kompliziertes Wertungsverfahren mit gleich vier beteiligten Institutionen und einem Superfinale entschied. Und all das für die völlig vorhersehbare Katastrophe: gewann im Vorjahr in einem Feld von vier einzelnen Sängerinnen und einem Sänger der Mann, so standen heuer erneut vier einzelne Sängerinnen (darunter mit Ivana Popović-Martinović und Nina Petković die Selben wie schon 2018) einem sechsköpfigen, gemischtgeschlechtlichen Chor mit dem dämlichen Namen D‑Moll gegenüber, der mit dem gräuslichen, superkitschigen ‘Heaven’ schlimme Erinnerungen an Six4one wachrief. Und nun raten Sie, wer siegte?
Wie die maltesische Karaokeversion von Sergey Lazarevs Multifunktionswand: D‑Moll. Das “D” steht übrigens für “disharmonisch”.
Zunächst durfte eine Jury aus Entsandten von 17 montenegrischen Radiostationen (ganz schön viele für so ein kleines Land!), eine TV-Senderjury und eine aus ehemaligen Eurovisionsteilnehmer/innen die fünf Titel bepunkten. Hier gab es unter anderem ein Wiedersehen mit der unverwüstlichen Ruslana, die in ihrem Präsentationsvideo wirkte, als habe sie etwas zu stark dem Sliwowitz zugesprochen. Doch auch das Publikum durfte per SMS abstimmen, und die großzügig bemessene Zeitspanne bis dahin überbrückte man zunächst – wir erinnern uns: “modernste Produktion” – mit dem Vorlesen von Tweets der internationalen Web-Zuschauer/innen über die #Montevizija. Dumm nur, dass diese sich alle über die Show lustig machten, was man erst nach einiger Zeit bemerkte und eilends den Stargast Hari Mata Hari auf die Bühne schob, der das Medley all seiner Hits mehrfach deutlich verlängern musste, um Sendezeit zu schinden. Und so gerne ich sonst auf die Jurys schimpfe: hier killten die Montenegriner/innen mit einer unglaublichen Null-Punkte-Gabe die Chancen des einzigen auf der Eurovisionsbühne einigermaßen chancenreichen Beitrags, nämlich des uptemporären ‘Ja sam ti San’ (‘Ich bin dein Traum’) von Andrea Demirović.
Teuflisch gut: die Demirović.
Der Name kommt Ihnen bekannt vor? Kein Wunder: nämliche Andrea vertrat das Land bereits 2009 in Moskau, damals mit dem futtigen Discoschlager ‘Just get out of my Life’ aus der Feder von Ralph Siegel. Zehn Jahre später klang sie nicht nur deutlich aggressiver und zeitgemäßer, sondern tauschte ihren seinerzeitigen campen Saturday-Night-Eintänzer gegen den Gehörnten ein. Das schreckte wohl ein paar Abergläubische ab. Schade! In der zweiten Abstimmungsrunde entschieden sich dann 62% der SMS-Sender/innen für das amateurhafte High-School-Musical. Ganz hinten im kombinierten Voting landete die ehemalige X‑Factor-Teilnehmerin Monika Knezović, die mit ‘Nepogrješivo’ (‘Ohne Frage’) einen etwas rumpeligen Turbofolkschlager präsentierte, wie er früher mal, in den goldenen Grand-Prix-Zeiten, im Rudel die slowenische EMA bevölkerte. Doch diese Zeiten sind leider vorbei: der Zwang zum Sparen machte sich bei Monika an ihren engagiert tanzenden und windmühlenflügelschlagenden Backings bemerkbar, die den (vollelektronischen) Instrumentalteil des Liedes auf zwei schäbigen Geigenattrappen aus Presspappe nachstellen mussten. Nun gut: sparen kann der Sender an den Hotelkosten in Tel Aviv, denn für seine Schülerkapelle ist ohne jede Frage nach dem Semi Feierabend.
Bekommen die montenegrinischen Frauen eigentlich alle nichts zu essen?
Zwei Stunden Sendung für fünf Beiträge: die komplette Montevizija am Stück. Enjoy!
Vorentscheid ME 2019
Montevizija. Samstag, 9. Februar 2019, aus dem RTCG-Sendestudio in Podgorica. Fünf Teilnehmer:innen. Radio‑, internationale und “Experten”-Jury (75%) und Televoting (25%), im Superfinale Televoting.# | Interpreten | Songtitel | Jurys | Televote | Superfinale | Platz |
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1 | D‑Moll | Heaven | 12 | 05 | 62% | 01 |
2 | Andrea Demirović | Ja sam ti San | 07 | 00 | – | 03 |
3 | Monika Knezović | Nepogrješiva | 03 | 01 | – | 05 |
4 | Ivana Popović Martinović | Nevinost | 09 | 03 | 38% | 02 |
5 | Nina Petković | Uzmi ili ostavi | 02 | 02 | – | 04 |
Benutzen die Briten und Montenegrier eigentlich die gleiche künstliche Intelligenz für Ihre generischen Songtexte?
Andrea kann einem nur leid tun. Erst scheitert sie mit Ralph Siegel und dann gegen ein siegel-artiges Machwerk – das unser Ralph allerdings weitaus besser hinbekommen hätte. Wenn das mal kein Trauma gibt…
Selbst so eine superschmalzige Performance hätte sich Siegel in seinen schlimmsten Zeiten wohl nicht mit seinen Schützlingen erlaubt.
In jeglicher Hinsicht ein absolut unterirdisches Machwerk. Mich wundert, daß die Sechs bei diesem Text nicht plötzlich anfangen lauthals zu lachen.…..
Leider war Andrea live nicht der Brüller, vor allem dieser Zombi als Tänzer und sie wirkte wie eine Domina. Da rechtfertigt dennoch in keinster Weise diese Entscheidung.
Hilfe, mir kommt das so seltsam surreal vor. Ich gucke mir gerade nochmal die Performance an – allerdings ohne Ton.……