Ein weiteres nationales Vorentscheidungsfinale ging gestern Abend noch über die Bühne, das ich vor lauter Supersamstagsstress beinahe übersehen hätte. Die lettische Supernova macht das einem aber auch leicht: die mit sofortiger Seekrankheit induzierenden, stümperhaften Kameraschwenks gefilmten Shows (einschließlich der beiden vorgeschalteten Semis) laufen schließlich stets parallel zu anderen, wesentlich interessanteren Formaten. Einschließlich der beinahe unendlichen Eurovizijos im baltischen Nachbarland Litauen, das zwar stets zu ähnlich aussichtslosen Ergebnissen gelangt, auf dem langen Weg dorthin aber zumindest den deutlich gruseligeren musikalischen Irrsinn auftischt. Das lettische Fernsehen LTV scheint hingegen aus einem sehr begrenzten Pool von sehr mäßig begabten Talenten zu fischen, und so handelte es sich bei gleich drei der insgesamt acht diesjährigen Supernova-Finalist/innen um bereits hinlänglich bekannte Namen. Neben der entsetzlich zurechtondulierten Samanta Tīna, die in ‘Cutting the Wire’ in ermüdender Weise die erwartbaren Reime “Fire, Desire” auftischte und allenfalls mit den einleitenden Worten “What the Fuck” für einen kurzen “Das hat sie gerade nicht gesagt!”-Moment sorgte, durften auch Edgars Kreilis und der ewige Markus Riva nicht fehlen.
Es kostet sicher verdammt viel, so billig auszusehen: Markus Riva.
Der als Miķelis Ļaksa geborene Riva versucht es seit 2014 unermüdlich Jahr für Jahr bei der Supernova. Mit pornoblond gefärbten Haaren, einer schicken Lackfetisch-Bühnengarderobe und einem herrlich billigen Discoschlager aus der Sergey-Lazarev-Schule zog er heuer mit seinem bisher besten Ergebnis, dem zweiten Platz in 2015, gleich. Womit auch ihm nun endgültig klar sein sollte, dass die LTV-Senderjury seine Eurovisionsteilnahme so lange um jeden Preis verhindern wird, solange sie existiert. Selbst wenn er, wie gestern, eine wirklich erfolgversprechende Performance abliefert. Was hat man in Riga nur gegen Riva? Dass es sich um eine Verschwörung handeln muss, lässt der Blick auf den Siegertitel erahnen: ein fröhlich-dezent vor sich hin plätscherndes Indiepopliedchen namens ‘That Night’, das niemandem wehtut und das man problemlos unmittelbar mitpfeifen kann, während es läuft, zwanzig Sekunden später aber auch schon wieder vergessen hat. Das 2015 gegründete Duo Carousel (ernsthaft?), bestehend aus der Sängerin Sabine Žuga und dem Gitarristen Marcis Vasilevskis, entbietet es mit so viel Sprödheit und so wenig Charme wie gerade eben möglich.
“They tried to make us go to Rehab, and well we went, went, went”.
Dabei will ich noch nicht einmal ausschließen, dass Lettland 2019 damit der Sprung ins Eurovisionsfinale gelingen könnte, denn unter den bis dato ausgewählten Konkurrenztiteln findet sich – mit Ausnahme der fixen Finalisten Italien und Frankreich – nicht wirklich etwas Besseres. Und so hilft gegen den gestrigen Katastrophen-Supersamstag eigentlich nur noch hartes Trinken, um schnell zu vergessen. Ein passendes Angebot lieferten uns die Letten da sogar: der eingangs erwähnte Edgars Kreilis nämlich lud uns ein auf eine Runde ‘Cherry Absinthe’. Eine perfide Kombination, übertüncht der süße Kirschgeschmack doch die bittere Beinote des besonders zerstörerisch wirkenden Kräuterwermuts. Da bekommt man dann – so wie der gute Edgars – sehr rasch nicht mehr mit, welche Hände einen so alles begrabbeln. Doch wenn die in den nächsten Wochen noch anstehenden nationalen Vorentscheidungen weiterhin so furchtbare Ergebnisse zeitigen wie bisher, sollte diese Spirituose vielleicht wirklich in keinem Eurovisionshaushalt fehlen.
Besonders schön, wie die Bühnentechniker bei 1:04 Minute völlig unauffällig die Mikrofonständer der Chordamen richten.
Vorentscheid LV 2019
Supernova. Samstag, 16. Februar 2019, aus dem Rīgas Kinostudija, Riga, Lettland. Acht Teilnehmer:innen. Moderation: Dagmāra Legante und Ketija Šenberga.# | Interpreten | Songtitel | Platz |
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01 | Markus Riva | You make me so crazy | 02 |
02 | Edgars Kreilis | Cherry Absinthe | 06 |
03 | Aivo Oskis | Somebody’s got my Lover | 08 |
04 | Double Faced Eels | Fire | 04 |
05 | Dziļi Violets + Kozmens | Tautasdziesma | 05 |
06 | Laime Pilnīiga | Awe | 03 |
07 | Samanta Tīna | Cutting the Wire | 07 |
08 | Carousel | That Night | 01 |
Irgendjemand muss ganz dringend wieder Amanita Savadogo nach Lettland zurückholen, koste es was es wolle!
Der Siegersong gewinnt zwar keinen Innovationspreis, ist aber nicht die schlechteste Wahl. Sie können von mir aus mit dem ruhigen Gitarrengeplonkel und der schönen Stimme gerne ins Finale einziehen
Ich hätte mir dieses Jahr so sehr Markus Riva gewünscht. Und es sah tatsächlich mal so aus als hätte er Chancen. So kann man sich irren.
@ onlime
Sie war als Songwriterin dabei.
Was für ein blöder Bandname ist denn bitte Double Faced Eels?
Da denke ja selbst ich mir bessere aus.