Acht Acts traten an im gestrigen Finale des portugiesischen Festival da Canção, übriggeblieben aus doppelt so vielen Semifinalist:innen. Und dennoch drehte sich der ganze Abend nur um einen einzigen Künstler und die Frage, ob er es schaffen wird, die Stimmen des Publikums und der Jurys zu gewinnen. Er schaffte es: Tiago Miranda oder, wie wir ihn kennen, Conan Osíris führte am Ende mit zweimal Douze Points das Feld klar an. Alles andere hätte sicherlich auch zu tumultartigen Szenen geführt, schließlich erhielten der gebürtige Lissabonner und sein absolut anmutiger Tänzer João Reis Moreira als einzige der Teilnehmer/innen stehende Ovationen im Saal. ‘Telemóveis’ (‘Mobiltelefone’), sein Beitrag, handelt von der Abhängigkeit der Menschen von ihren tragbaren Teleportationsmaschinen in die virtuelle Welt, und entspricht musikalisch so überhaupt kein bisschen irgendwelchen gängigen Eurovisions- oder Pop-Konventionen.
Edward mit den Scherenhänden: in diesem Aufzug kommt Conan am Ben-Gurion-Flughafen nicht durch die Kontrolle.
Als “atemberaubende Fusion aus Fado, Techno und arabischen Einflüssen” beschreibt es der fachkundige Dr. Eurovision, als schräge Collage aus treibenden Elektrobeats, China-Restaurant-Beschallung auf Pilzen und osmanischen Klagegesängen will es mir erscheinen. Die wilde Kostümierung mit Pharanonenmaske und die ekstatischen Tänze machen die Sache nur noch trippiger und lassen die Zuschauer/innen garantiert ratlos zurück. Mit anderen Worten: es ist großartig! Dass Osíris im Televoting obsiegen würde, stand von vorne herein außer Frage. Allerdings setzte ihn die Jury in seinem Semifinale noch auf den vierten Rang. Doch für das Finale tauschte der Sender RTP diese gegen regionale Juror/innen aus, wie es beim FdC Usus ist. Und diese fürchteten wohl, vom aufgebrachten Mob gelyncht zu werden, sollten sie sich dem Hype verschließen. Oder aber sie verfügten schlichtweg über Geschmack.
Noch schöner: die Siegerreprise mit einer spontanen Tanzeinlage aller Konkurrent/innen. So mögen wir das!
‘Telemóveis’, eine Nummer, die man wohl kaum in Dauerrotation hören mag und die in Tel Aviv in der gleichen Hälfte des ersten Semis antreten muss wie die am gleichen Abend in Reykjavik ausgewählten Hatari, bringt RTP sicherlich nicht in die Verlegenheit, den Eurovision Song Contest demnächst schon wieder in Lissabon austragen zu müssen, dürfte aber ebenso für mediale Aufmerksamkeit und eine zwischen bedingungsloser Liebe und konsterniertem Kopfschütteln strikt geteilte Öffentlichkeit sorgen wie die Isländer. Etwas, das sich über die restlichen sieben Beiträge des gestrigen Vorentscheidungsabends, die irgendwo zwischen konventionell und fade schwankten, nicht sagen lässt. Für das Line-up in Tel Aviv jedoch sind Osíris und Reis Moreira eine unbedingte Bereicherung und ein weiteren Grund zur Freude. Gut gemacht, Portugal!
Die nächsten zweieinhalb Stunden nichts zu tun? Hier ist das FdC-Finale 2019!
Vorentscheid PT 2019
Festival da Canção. Samstag, 2. März 2019, aus Portimão, Portugal. Acht Teilnehmer:innen. Moderation: Filomena Cautela und Vasco Palmeirim.# | Interpreten | Songtitel | Televoting | Jury | Platz |
---|---|---|---|---|---|
01 | Calema | A dois | 07 | 04 | 06 |
02 | Mariana Bragada | Mar doce | 05 | 03 | 07 |
03 | Matay | Parfeito | 10 | 07 | 03 |
04 | Surma | Pugna | 04 | 08 | 05 |
05 | NBC | Igual a ti | 08 | 10 | 02 |
06 | Madrepaz | Mundo a mudar | 06 | 07 | 04 |
07 | Conan Osíris | Telemóveis | 12 | 12 | 01 |
08 | Ana Cláudia | Inércia | 03 | 04 | 08 |
Großartig die 2. vom gestrigen Samstag. Portugal hat durch den Sieg vor 2 Jahren einen richtigen Schub bekommen, ganz, ganz großartige Nummer!
Und das Publikum war der Hammer, Gänsehaut pur!
Hab ich schon gesagt wie großartig ich das finde?
Kleine Anmerkung eines Lusitanistik-Studenten an den Hausherren: Bei dem Titel “Telemóveis” handelt es sich um den Plural. Ansonsten schließe ich mich da voll und ganz an! Ich bin sehr glücklich über den Sieg von Conan Osíris und auch ich begrüße den Trend zum Experimentellen.
Danke, korrigiert. 🙂
Auch ich bin dieses Jahr wieder für meu querido Portugal. Zudem hat die Einsinsel nach vielen Jahren musikalischer Ebbe endlich zurück in die Spur gefunden. Ich stimme dem Hausherrn zu, diese Beiträge haben den Jahrgang gerettet. “Spirit in the sky” mag ich auch, erinnert aber stark an Saara Aalto meets Rednex.
Portugal 10/10
Island 9/10
Italien 9/10
Ungarn 8/10
Dänemark 7/10
Albanien 7/10
Norwegen 6/10
Spanien 6/10
Estland 6/10
Slowenien 5/10
Litauen 5/10
Rumänien 4/10
GB 4/10
Belgien 3/10
Deutschland 2/10
Finnland 2/10
Tschechien 2/10
Frankreich 1/10
Lettland 1/10
Moldau 1/10
Australien 0/10
Kroatien 0/10
Montenegro 0/10
Na ja, netter Farbtupfer. Für mich aber auch nicht DER polarisierende Beitrag, wie er auf verschiedenen Plattformen angepriesen wird. Kunst halt, die aber schnell wieder vergessen wird.