Patriotisch gestimmte Leser/innen dieses Blogs müssen nun sehr tapfer sein oder sollten bei Neigung zu Bluthochdruck vielleicht lieber woanders weiterlesen, denn bei dem vaterlandslosen Gesellen von aufrechtgehn.de hat es der deutsche Eurovisionsbeitrag mal wieder nur in die untersten Ränge des Rankings geschafft.
Platz 36: Deutschland – Sisters: Sister (Schwester)
Fairerweise soll gleich gesagt sein: dafür können die beiden vom NDR für das in der Schweiz eingekaufte und nachträglich ins Starterfeld gehievte Lied eigens gecasteten Interpretinnen noch am Wenigsten. Vor allem die dunkelhaarige Laura Kästel trug ihre jüngere und beim Vorentscheid noch etwas aufgeregt wirkende Kollegin Carlotta Truman mit sanfter, aber bestimmter Hand durch den gemeinsamen Auftritt und unterstrich, auch durch den stimmigen Harmoniegesang, damit die textliche Botschaft der Schwesterlichkeit. Das aber kann die Retortenhaftigkeit des Beitrags leider nicht überdecken. Michael Schultes edsheeraneske Ballade zündete im Vorjahr auch deswegen so stark, weil er eine sehr persönliche Geschichte sehr glaubhaft erzählte und die Herzen der Zuschauer/innen (und Juror/innen) damit erreichte. Dieser Funke fehlt bei den Sisters, authentisch wirkt das Ganze auf mich nicht. Und ja, ich gebe es zu: ich bin noch immer verärgert, weil wir bei Unser Lied für Israel mit Aly Ryan und lily among clouds gleich zwei ausgesprochen glaubwürdige Künstlerinnen mit tollen, auffälligen und auf ihre Art “kantigen” Songs im Wettbewerb hatten, der NDR aber auf Biegen und Brechen noch diese stromlinienförmige Durchschnittsnummer dabei haben wollte, von der ich bis heute nicht begreife, wie sie gewinnen konnte. Dass die Hamburger ausgerechnet dafür das vielversprechende neue Konzept gleich im zweiten Jahr fahrlässig beschädigten und dass die Zuschauer/innen dies auch noch belohnten, bringt mich gegen unser Lied auf. Es gibt Menschen, die können Grand-Prix-Beiträge losgelöst von ihrer Vorentscheidungsgeschichte betrachten. Das finde ich toll. Ich gehöre aber nicht dazu. Sorry, Sisters.
Und ja, für das “!” im Bandnamen gab es auch noch mal mindestens vier Plätze Abzug.
Chancen im Finale: Versuche ich mal, den Ärger über ULfI beiseite zu schieben, muss ich einräumen, dass die Botschaft und die stimmige Chemie zwischen den beiden Frauen moderat ansprechend wirken und vielleicht, wenn wir viel Glück haben, die eine oder andere Solidaritätsstimme bringen könnten. Nul Points wird’s also vermutlich nicht geben, irgendwo zwischen Platz 17 und 22 könnte der germanische Beitrag 2019 landen.
Beste Liedzeile: Gleich die Auftaktzeile “I’m tired, tired of always losing”, kollektiver Stoßseufzer der deutschen Fans und angesichts der Hartnäckigkeit, mit welcher der NDR beim Wettbewerb die hinteren Plätze sucht, von hoher ironischer Qualität.
In welche Kategorie fällt ‘Sister’ für dich?
- Verzichtbar. (48%, 85 Votes)
- Ganz nett. (22%, 40 Votes)
- Unerträglich. (21%, 37 Votes)
- Absolut geil. (9%, 16 Votes)
Total Voters: 178
Aargh!! Wenn ich daran denke dass jetzt Lilly Among Clouds für Deutschland hätte singen können dann wird mir wieder mal klar was für einen durchschnittlichen Song wir dieses Jahr wieder haben.
Der Song bleibt einfach nicht im Gedächtnis, dass die beiden Interpretinnen mir auch nicht sooo sympathisch sind hilft der Sache auch nicht gerade.
Ich glaube wir werden uns dieses Jahr wieder mit einem hinteren Platz begnügen müssen, nicht der letzte, da gibt es noch miesere Songs im diesjährigen Teilnehmerfeld, aber die Top 10 können wir definitiv knicken. 🙁
hmmmm ich denke zwar auch nicht, dass es irgendwo naeher der top-10 landen wird, aber so wirklich aufregend fand ich keinen der Vorentscheidungsbeitraege, um ehrlich zu sein. Insofern ist das hier zumindest grundsolide (und ein einem insgesamt eher schwachen Jahr auch nicht das “verzichtbarste” im Programm. Ein Rang oberhalb von Grossbritannien sollte schon ‘rausspringen 🙂
Da nach Baku 2012 immer ein Big5 Land die Ehre des letzten oder vorletzten Platzes hinter dem Gastgeber hatte, wird dieser Battle wohl diesmal zwischen GB und DE ausgefochten.
Go Sisters, you´re bigger than Michael!
Mich stört das übertrieben Ernsthafte und Dramatische des Liedes. Da fühlt man sich ja, als ob ein verzweifelter Pastor auf einen einpredigt.
Warum kann man so einen Message-Song über Frauensolidarität nicht ein bisschen leichter und fröhlicher aufziehen? So ein (kleines) bisschen Spice Girls? Aber das würde vom deutschen Publikum wohl als zu frivol aufgefasst werden. *Seufz*
Das aktuell bestgehütete Geheimnis der Musikbranche. Seit dem Vorentscheid hört man vom Lied nichts. Gar nix. Keinen Ton. Mal sehen, ob sie das bis zum Finale aufrecht erhalten können. Super Taktik…
Wer Musicals mag wird vermutlich eher für die Disney- Bösewicht-Ballade aus Russland stimmen. Ansonsten weiß ich nicht, wer die Zielgruppe ist.
Ich muss gestehen, dass ich mir das Lied inzwischen halbwegs schön gehört habe (obwohl es sich auf meiner Rangliste der Vorentscheidungs-Beiträge immer noch auf Platz 4 befindet) und meine Rezeption der beiden Interpretinnen hat sich von “boah, wat für nervige Trullas” hin zu “verdammt, die sind ja doch überraschend recht sympathisch und eloquent” verschoben.
Trotzdem ist natürlich nach wie vor die Art und Weise, wie der Beitrag in den Vorentscheid gehievt wurde indiskutabel und warum das gewonnen hat bleibt auch mir ein Rätsel. In Tel Aviv wird der Beitrag auf jeden Fall sein Dasein im rechten unteren Viertel auf der Punktetafel fristen, aber Platz 36 in der Rangliste des Hausherrn find ich dann doch etwas hart.
“Sister” hat mir von Anfang an gefallen, weil ich für derlei sentimentalen Sing-Sang einfach eine Schwäche habe. Und obwohl auch mir Lilly Among Clouds und vielleicht sogar Aly Ryan lieber gewesen wären, bin ich sicher, dass sich auch da ein gerüttelt Maß an Miesepetern gefunden hätte, die sich über deren Performance und/oder gesangliche Qualitäten beschwert hätten.
Nun haben wir also eine etwas glatte aber durchaus charmant performte Ballade, die m.E. in der Lage ist, europäische Herzen anzusprechen. Ob’s für mehr als das untere Viertel reicht, wird sich zeigen, aber der letzte Platz würde mich erneut (vgl. 2016) überraschen.
Auch ich hätte viel lieber Lilly Among Clouds in Tel Aviv gesehen. Aber sei’s drum. Ich bin kein sehr grosser Freund von Verschwörungstheorien und so glaube ich, dass der deutsche sentimentale Durchschnittszuschauer wieder dem vermeintlichen “Underdog” seine Stimme gegeben hat. So eine Art Welpenschutz halt. Aber na ja, die Mädels können auch nichts dafür, und ein bisschen tun sie mir leid. Hoffentlich halten die Nerven. Bei Laurita mache ich mir da weniger Sorgen, aber bei Carlotta?? Ansonsten bleibt bei mir von dem Song nicht wirklich viel hängen. Er verschwindet einfach, die Melodie bleibt (zumindest bei mir) nicht wirklich hängen. Absolut belanglos.
Ich kann auf Grundlage von dem was wir bisher wissen und kennen beim besten Willen nicht erkennen, woher auch nur ein einziger Punkt für diesen Beitrag kommen sollte. Und das völlig zurecht.
Denn auch wenn das textlich eigentlich ganz ok ist und auch die Tonfolgen an manchen Stellen ungewöhnlich sind – wichtig ist was schlussendlich hängenbleibt. Und das ist ein unglaublich glatter und altbackener Titel, vorgetragen von zwei nicht wirklich sympathische wirkenden sich im Refrain anschreienden Sängerinnen, die sich auf einer Drehscheibe hinterherstampfen.
Damit hat der NDR nicht nur sein eigenes neues Konzept genussvoll in die Luft gesprengt, sondern auch noch den eigentlich richtigen Grundgedanken zu Grabe getragen: Einen Beitrag zu suchen, den nicht alle irgendwie “ganz nett” finden, sondern einen mit Ecken und Kanten. Einen Beitrag den vielleicht nicht alle gut finden, aber der einen Teil der Zuschauer so begeistert/berührt dafür zu voten.