Rank and File 2019: Platz 16 – La Venda

Mit einem ähn­li­chen Rezept wie die im aufrechtgehn.de-Ranking eine Num­mer tie­fer plat­zier­te Schweiz ver­su­chen es in die­sem Jahr auch die Spa­ni­er. Nur, dass ihr mit­klatsch­fä­hi­ger Lati­no­pop deut­lich authen­ti­scher klingt als die eid­ge­nös­si­sche Rös­ti-Vari­an­te. Den­noch ver­mag ‘La Ven­da’ nur in Maßen zu über­zeu­gen. Der Schwach­punkt hier vor allem: der Interpret.

Platz 16: Spa­ni­en – Miki Núñez: La Ven­da (Die Augenbinde)

Dabei ist der jun­ge Kata­lo­nier kein Kind von Häss­lich­keit. Es gibt Fan­sei­ten im Netz, die gan­ze Elo­gen auf sei­ne durch­trai­nier­ten Ober­ar­me sin­gen. Sein aus­ge­spro­chen nach­läs­si­ger Klei­dungs­stil und sein tap­si­ges Auf­tre­ten las­sen ihn gleich­zei­tig zugäng­lich wir­ken. Selbst sei­ne in man­chen Momen­ten an den toten Biber auf dem Kopf des US-ame­ri­ka­ni­schen Prä­si­den­ten erin­nern­de tuf­fi­ge Natur­krau­se wirkt an ihm noch ganz ansehn­lich, solan­ge Miki nicht im Takt zur Musik auf und ab hüpft und der Biber in Wal­lung gerät. Mit dem Gesprin­ge, einer Polo­nä­se durchs TV-Stu­dio und der direk­ten Inter­ak­ti­on mit den Fans gelang es dem Sän­ger­schlumpf, im Fina­le der Ope­ra­ción Tri­unfo die Meu­te mit­zu­rei­ßen und so den Vor­ent­scheid zu gewin­nen. Für Tel Aviv braucht es jedoch eine ande­re Stra­te­gie: gera­de die nor­di­schen Natio­nen ent­flam­men nicht so leicht für Bal­ler­mann­schla­ger, und der etwas ver­pei­le Kif­fer­char­me des Inter­pre­ten dürf­te ober­halb des Weiß­wurst­äqua­tors eher auf eisi­ge Ableh­nung sto­ßen. Für schwe­di­sche See­len muss Mikis OT-Per­for­mance vor allem lin­kisch und unpro­fes­sio­nell wir­ken, und in Kom­bi­na­ti­on mit sei­nem von kei­ner­lei Selbst­zwei­fel ange­kratz­ten Auf­tre­ten und den fünf aus­schließ­lich zu Deko­ra­ti­ons­zwe­cken hin­ter ihm (deut­lich strin­gen­ter) ope­rie­ren­den Mädels könn­te er als Mus­ter­bei­spiel für einen wei­ßen Hete­ro-Mann her­hal­ten, der sich sei­ner Pri­vi­le­gi­en nicht bewusst ist.

Der Adam Sand­ler des ESC: Miki “Krau­se” Núñez bei der OT.

Näm­lich des hier demons­trier­ten Pri­vi­legs, dass Män­ner mit eher halb­her­zi­gen Leis­tun­gen durch­kom­men, die man Frau­en nie­mals durch­ge­hen las­sen wür­de. Ein Beth bei­spiels­wei­se hät­te man für so ein Her­um­ge­hüp­fe und so eine Kla­mot­ten­aus­wahl von der Büh­ne gebuht. Die gute Nach­richt: direkt nach dem OT-Fina­le kün­dig­te der spa­ni­sche Sen­der an, dass man an einem Remix von ‘La Ven­da’ arbei­te. Und tat­säch­lich klingt der in der Ori­gi­nal­ver­si­on noch arg plat­te Song in der eini­ge Zeit spä­ter vor­ge­stell­ten, instru­men­tal auf­ge­mö­bel­ten Stu­dio­fas­sung deut­lich fri­scher und erträg­li­cher. Span­nend dürf­te nun sein, ob es gelingt, dem Inter­pre­ten bis Tel Aviv noch eine ohne Augen­schmerz anschau­ba­re Cho­reo­gra­fie ein­zu­b­läu­en. Und ihm ein­zu­trich­tern, dass er für die euro­päi­schen Zuschauer/innen mit der Kame­ra agie­ren muss und nicht mit dem Stu­dio­pu­bli­kum. Wer das Händ­chen der Ibe­rer für das Sta­ging kennt, dürf­te wie ich wenig Hoff­nung hegen, dass die­se Übung gelingt. Bis dahin hören wir uns, je nach Nei­gung, den Bei­trag durch wie­der­hol­ten Genuss noch schön oder ver­su­chen, uns so weit wie mög­lich ent­fernt davon zu hal­ten, um uns kei­nen schreck­li­chen Ohr­wurm einzufangen.

Eine cle­ve­re Abrech­nung mit der furcht­ba­ren Austeri­täts­po­li­tik der EU, wel­che die ibe­ri­sche Jugend vor­über­ge­hend in die Hoff­nungs­lo­sig­keit stürz­te, oder eine plum­pe Huren­ret­tungs­fan­ta­sie? Egal, von den Lyrics bleibt ohne­hin nur das vuvuz­ela­haf­te “La Ven­da va cayooooooooooo­hooo­hooooo­hoooo” hängen.

Chan­cen im Fina­le: Hän­gen von der Prä­sen­ta­ti­on ab. Wenn es gelingt, den Auf­tritt pro­fes­sio­nel­ler wir­ken zu las­sen, könn­te es fürs Mit­tel­feld rei­chen. Sonst droht erneut das gewohn­te Ergebnis.

Bes­te Text­zei­le: gleich die aller­ers­te, “Te com­pran por­que te ven­des” (“Sie kau­fen dich, weil du dich ver­kaufst”). Die Kapi­ta­lis­mus­kri­tik ist in die­sem Jahr­gang irgend­wie omni­prä­sent. Was ange­sichts der äuße­ren Umstän­de ja auch nicht verwundert.

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8 Comments

  • Boah Nein!! Die­ser Song ver­ei­nigt für mich das aller­nervigs­te aus “Des­pa­ci­to” und “Ai Seu Eu Te Pego”, ein Song den ich mir noch nicht mal mit 3 Pro­mil­le am Bal­ler­mann schön­hö­ren kann. Wird wahr­schein­lich so ablau­fen wie jedes Jahr, die Spa­ni­er wer­den sich sooo sicher sein das ihr Song gewin­nen wird und nach dem mau­en End­re­sul­tat dann die Welt wie­der nicht verstehen.

    Ich wür­de den Spa­ni­ern ein gutes Ergeb­nis wirk­lich gönn­nen, zu die­sem Song sage ich aber nur: No gracias!!

  • mmmh. Anfangs wäre die­ser Song bei mir auf Platz 30 oder tie­fer gelan­det. Bal­ler­mann eben. Stimmt so aber nicht. Der Text ist dann doch des Nach­den­kens wert. Soweit mein Spa­nisch reicht jeden­falls. Und auf jeden Fall ist das deut­lich authen­ti­scher als der “Lati­no-Hit” aus der Schweiz.
    Für eine pri­ma Par­ty reicht das auf jeden Fall.
    Das wird so schlecht nicht daste­hen. Aller­dings habe ich mich bei wesent­lich bes­se­ren Bei­trä­gen aus Spa­ni­en schon schwer verschätzt.
    Viel­leicht liegt es an der Spra­che – was dra­ma­tisch unge­recht ist/wäre!
    Die Gefahr liegt hier in der Prä­sen­ta­ti­on. Bit­te nicht so wie im Vor­ent­scheid. Dann gäbe es Hoff­nung auf einen Platz zwi­schen 6 und 16

  • Einer mei­ner abso­lu­ten Haß­bei­trä­ge die­ses Jahr – besof­fe­ner Depp auf der Ver­triebs-Office-Par­ty grölt und stol­pert über die Büh­ne und fin­det sich dabei ganz toll. Dazu ganz schlim­mes sub-Pri­mark Sty­ling mit dem in Deutsch­land belieb­ten Hete­ro-Män­ner-Look “ich müss­te eigent­lich mal wie­der zum Fri­sör”. Gibt lei­der sicher Tele­vo­te-Punk­te von Kar­ne­vals- und Bal­ler­mann-Fans aus D, NLUK.

  • Den Song mag ich sehr ger­ne. Von den TOP 5 gefällt mir Spa­ni­en am bes­ten. Wür­de mir echt wün­schen, dass sie die­ses Jahr bes­ser abschnei­den, zumin­dest vor­de­res Mittelfeld.

  • IN deut­schen Foren heißt es natür­lich abge­dro­schen “Bal­ler­mann”, inter­na­tio­nal zumin­dest schon “mucha ale­gria” und Sta­di­on­hym­ne und damit liegt man gar nicht so falsch. Da ich den Text ver­ste­he, kann ich gut nach­voll­zie­hen, war­um mei­ne spa­ni­schen Freun­de die­sen Song aus­ge­wählt haben. Mich erin­nert “La Ven­da” sehr an bras­li­la­ni­sche Sän­ger wie Michel Telo und Gustavo Lima und nach den Rohr­kre­pie­rern 2016 und 2017 sowie der Schmon­zet­te 2018 ist es wenigs­tens ein Bei­trag, dem ich zumin­dest eine Plat­zie­rung im Mit­tel­feld wünsche. 

    Das Duell mit Por­tu­gal geht aber auch die­ses Jahr verloren.

  • @ Ulrich

    An der Spra­che läge es wohl nicht, denn vie­le fin­den Spa­nisch rich­tig cool. Wahr­schein­lich eher an der Performance.

  • Nach­dem der Dream Team Art-Direk­tor tat­säch­lich aus Miki einen Ricky machen wird, wer­den die Wett­quo­ten für Spa­ni­en nach den ers­ten Pro­ben nur so durch die Decke gehen!
    Und als Mensch süd­lich des Weiß­wurst-Äqua­tors steh ich ja sowie­so drauf 🙂

  • Sta­di­on­hym­ne nen­nen das man­che? Da wür­de ich aber ein ‑chen dahin­ter­set­zen. Die waren wohl noch nie bei einer Sport­ver­an­stal­tung im Sta­di­on, son­dern nur bei einem die­ser Mam­mut-Tref­fen der Zeu­gen Jehovas.
    Nur den Song hörend, ist das für mich weit über­wie­gend ein hek­ti­scher Takt im Schweins­ga­lopp, nicht gera­de super gesun­gen. Den Auf­tritt beim Vor­ent­scheid sehend, fra­ge ich mich, wer da alles vom wil­den Affen gebis­sen wur­de, das so auf die Büh­ne zu brin­gen. Aber zumin­dest das kann ja noch anders wer­den in Tel Aviv.
    Bei mir im hin­ters­ten Fünftel.

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