Falls der kroatische Sender HRT glaubte, mit der gnädigen Direktnominierung des früheren Dora-Dauergastes Jacques Houdek für den ESC 2017 sei man die menschliche Kanonenkugel nun für immer los, so sah man sich getäuscht. Zum in diesem Jahr nach längerer Pause wieder aufgelegten Vorentscheid kehrte er als Komponist zurück – und gewann fulminant.
Platz 21: Kroatien – Roko Blažević: The Dream (Der Traum)
Für seine aktuelle Song-Monstrosität bediente sich der beleibte Songschreiber eines stimmstarken, zarten Jünglings, dem er zu allem Überfluss auch noch ein paar mannshohe Engelsflügel umschnallte, so als wolle er alle Welt mit Gewalt auf die mehr als subtil homoerotisch-pädophile Ader seiner künstlerischen Zusammenarbeit mit dem gerade erst Volljährigen hinweisen. Und prompt schaut der zweisprachig auf englisch und kroatisch vor sich hin sülzende Sänger zwischendrin auch noch dermaßen verschmitzt grinsend in die Kamera, dass es sämtlichen katholischen Würdenträgern spätestens an dieser Stelle die Soutane sprengt. Selbst als mit allen Wassern gewaschener, langjähriger Grand-Prix-Fan steht man mit vor Staunen weit offenem Mund vor dieser Darbietung, die in ihrer kitschigen Schamlosigkeit ihres Gleichen sucht, und weiß nicht, ob man lachen, weinen oder sich Augen und Ohren zuhalten soll. Doch so sehr es einen graust, man muss Houdek auch widerwillig Respekt zollen. Niemand suhlt sich so schamlos im Kitsch wie er, und niemand meint das so unironisch.
Bis zur Minute 1:50 will man das Jugendamt anrufen, danach erst recht: Roko beim Dora-Auftritt.
Glaubte man, mit Houdeks versteckter Coming-Out-Hymne ‘My Friend’ sei der Gipfel des schlechten Geschmacks bereits erreicht gewesen, so belehrt einen die kroatische Wuchtbrumme hier eines Besseren. Und es gehören schon Cojones (oder zumindest eine gute Verdrängung) dazu, mit so einer Nummer bei Europas größtem Pop-Wettbewerb anzutreten, wohl wissend, dass man als neueste Attraktion im Kuriositätenkabinett ausgestellt wird bzw. als liedgewordenes Schreckgespenst in der Geisterbahn des Grand-Prix-Rummelplatzes. Und natürlich lieben echte Fans den Wettbewerb ja gerade für seine musikalischen Unfälle und für die tragischen Missgriffe bei Kostümierung und Inszenierung. Andererseits kommt ‘The Dream’ als Gesamtpaket viel zu deutlich kalkuliert herüber, um es wenigstens auf ironische Weise goutieren zu können. So bleibt am Ende im Spannungsfeld zwischen Guilty Pleasure und Brechmittel mit viel gutem Willen die Top-Platzierung im Block mit den überflüssigen Beiträgen, mit Verständnis für Jede/n, der/die bei dieser Nummer schreiend davonläuft. Man hätte sich gewünscht, Houdek hätte den Wink des Senders mit der Direktnominierung von zwei Jahren verstanden.
Wer es bereits erfolgreich verdrängt hat: hier singt der Komponist seinen damaligen ESC-Beitrag im Medley als Duett mit seinem “Schützling”.
Semi: 2. Finalchancen: nope. Das ist selbst für die Jurys zu abgeschmackt.
Beste Liedzeile / bester Verhörer: “The City’s extreme”, “To pull a World together, out of the Bart” – Rokos verwaschene Aussprache sorgt für einige Schmunzler.
In welche Kategorie fällt ‘The Dream’ für dich?
- Unerträglich. (62%, 58 Votes)
- Verzichtbar. (21%, 20 Votes)
- Ganz nett. (14%, 13 Votes)
- Ein Traum! (3%, 3 Votes)
Total Voters: 94
Ohne flügel, dafür nur kroatisch. Dann wärs richtig gut. Aber bei mir drängt sich immer das bild von houdek und dem armen roko im dark-room auf.
Ein Guilty Pleasure allererster Kajüte!
der Rennsattel des Grauens!!
Welche innere Jury hat das denn bei dir auf Platz 21 gehievt?
Ja, da muss ich auch mal einhaken: Platz 21 – seeehr großzügig.
Hat Jaques Houdek mit einem Besuch bei dir gedroht bei einer Platzierung nicht wenigstens ziemlich genau mittig?
Da überrascht mich die gnädige Platzierung vom oft bissigen Hausherrn sehr…
Mich erinnert das Gesäusel an die Hintergrundmusik von billigen Sexfilmchen Ende Achtziger, Anfang Neunziger. Zudem wirkt Roko auf mich wie 35, dabei ist er 2001 geboren.…
Houdek kann dann kurz mit Netta knutschen und hinterher mal wieder den Moralapostel spielen, weil Europa sein ach so tolles Meisterwerk ignoriert hat.
Allerdings finde ich “Home” mittlerweile noch schlimmer.
Ach Kroatien, wenn ich daran denke dass sie der Eurovisionsgemeinde Künstler wie Danijela und Doris Dragovic geschenkt haben dann ist dieser Beitrag ein ziemlicher Schlag in die Magengrube.
Das Englisch passt hier einfach gar nicht in den Song, und die Performance mit den Engelsflügen lässt mir das Frühstück nochmal duch den Kopf gehen!!
Ne, ist gar nicht meins!!
Nachdem ich meine Schockstarre beim erstmaligen Höhren überwunden habe:
Eine Balkan Kitsch-Schmalznummer beim ESC muss sein, und mir gehts wie Rainer, unbedingt auf Kroatisch!
Könnte trotz Beginn auf Englisch einer von vielen Schock-Qualifikanten in diesem Jahr werden, singen kann er ja ausgezeichnet.