Rank and File 2019: Platz 25 – Big­ger than us

Gera­de mal drei Songs für sechs namen­lo­se Teilnehmer/innen: zwar stell­te die ARD, eine der finanz­stärks­ten öffent­lich-recht­li­chen TV-Sta­tio­nen der Erde, bereits vor zwei Jah­ren unter Beweis, dass eine sol­che Dis­count-Vor­ent­schei­dung nicht funk­tio­niert. Aber die bocki­gen Bri­ten erwei­sen sich beim Euro­vi­si­on Song Con­test als genau so ver­nunft­re­sis­tent wie beim Brexit: sie wie­der­hol­ten die­sen Feh­ler mit Euro­vi­si­on: you deci­de erneut.

Platz 25: Groß­bri­tan­ni­en – Micha­el Rice: Big­ger than us (Grö­ßer als wir)

Und so ver­tritt nun ein dick­li­cher, etwas unge­lenk wir­ken­der Jun­ge, im ech­ten Leben Besit­zer eines Waf­fel-Shops, die zu ihren längst ver­gan­ge­nen Glanz­zei­ten einst­mals kul­tu­rell wie kom­mer­zi­ell füh­ren­de euro­päi­sche Pop-Nati­on beschä­men­der­wei­se mit einem Aller­welts­song aus schwe­di­scher Feder. John Lund­vik, der aktu­el­le Reprä­sen­tant aus dem Land der Elche, hat­te das von ihm mit­ver­fass­te ‘Big­ger than us’ ursprüng­lich als einen von zwei Vor­schlä­gen zum Melo­di­fes­ti­valen ein­ge­reicht, sich dann aber auf Rat von Chris­ter Björk­man für den stär­ke­ren sei­ner zwei Titel ent­schie­den und lös­te mit ‘Too late for Love’ denn auch das Ticket nach Tel Aviv, wo er nun gewis­ser­ma­ßen doch mit bei­den Lie­dern ver­tre­ten ist. Und so passt es ins Bild, dass neben der fabel­haf­ten Mel Gie­droyc der Schwe­den­hap­pen Måns Zel­mer­löw den Vor­ent­scheid des König­reichs mode­rier­te – und mit einem halb­nackt vor­ge­tanz­ten Med­ley bri­ti­scher Euro­vi­si­ons­er­fol­ge aus dem ver­gan­ge­nen Jahr­tau­send auf char­man­te Art und Wei­se noch Salz in die Wun­de rieb. Denn seit dem Mill­en­ni­um hat das UK halt schlicht­weg nichts mehr zustan­de gebracht und das Zep­ter wohl oder übel an Schwe­den weitergereicht.

Mari­ja Šerif­o­vićs jün­ge­rer Bru­der: Micha­el Rice beim Vorentscheidungsauftritt.

Nun ist ‘Big­ger than us’, vor allem in der Stu­dio­fas­sung, kein schlech­ter Song: er ver­fügt über einen wenn auch nur schwach mess­ba­ren Puls, eine leicht merk- und mit­singba­re Melo­die und sogar – oh kniet mit mir, dies selt’ne Glück zu prei­sen! – einen von wei­tem schon ein­deu­tig als sol­chen erkenn­ba­ren Refrain. Sowie über ein gro­ßes, auf­wal­len­des Fina­le (das übri­gens, die­ser klei­ne Wink mit dem Zaun­pfahl in Rich­tung der bri­ti­schen Dele­ga­ti­on sei mir gestat­tet, zur opti­schen Unter­stüt­zung zwin­gend nach einem Fun­ken­re­gen ver­langt), bei dem sowohl Micha­el als auch sein vier­köp­fi­ger Begleit­chor noch­mal alles geben und dem Titel sogar einen win­zi­gen Fun­ken Soul abrin­gen. Man möch­te gar nicht drü­ber nach­den­ken, was erst der Ori­gi­nal-Künst­ler aus der Num­mer hät­te machen kön­nen! Denn im Fern­se­hen lei­det das Lied deut­lich unter der offen­sicht­li­chen Uner­fah­ren­heit sei­nes jet­zi­gen Inter­pre­ten, die er mit grau­en­haf­tem Over­ac­ting zu über­de­cken sucht. Pein­lich für eine Pop-Nati­on wie Groß­bri­tan­ni­en, aber auch sym­pto­ma­tisch für das hilf­lo­se Des­in­ter­es­se, mit dem die BBC den Wett­be­werb seit Jah­ren behan­delt. Und ja, ich weiß: Glas­haus, Stei­ne und so wei­ter. Um mit einer ver­söhn­li­chen, wenn auch bit­ter­sü­ßen Note zu enden: schön, dass sich das König­reich am Vor­abend sei­nes vor­aus­sicht­li­chen Aus­tritts aus der EU mit einem Euro­vi­si­ons­bei­trag vom Fest­land ver­ab­schie­det, das schon im Titel die Idee der Uni­on als ein Kon­strukt, das grö­ßer ist als die Sum­me sei­ner Ein­zel­tei­le, ein letz­tes Mal gebüh­rend wür­digt. Ja, wir wer­den euch auch ver­mis­sen, lie­be Bri­ten. Sehr.

Grö­ßer als du und ich: Micha­el, die sin­gen­de Reis­waf­fel, beim EiC in Ams­ter­dam. Oh weh.

Chan­cen im Fina­le: das läuft wohl wie­der auf eines der übli­chen Ergeb­nis­se für das König­reich hin­aus. Eine 2 steht da auf jeden Fall davor.

Bes­te Lied­zei­le / bes­ter Ver­hö­rer: “Cau­se I can feel the Uni­ver­se / when I’m fee­ding you Weed” im Refrain. Naugh­ty naugh­ty, very naughty!

In wel­che Kate­go­rie fällt ‘Big­ger than us’ für dich?

  • Ver­zicht­bar. (43%, 41 Votes)
  • Ganz nett. (33%, 32 Votes)
  • Uner­träg­lich. (15%, 14 Votes)
  • Grö­ßer als du und ich. (9%, 9 Votes)

Total Voters: 96

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7 Comments

  • Ein har­mo­ni­scher Bei­trag, weil jedes Ele­ment fein auf­ein­an­der abge­stimmt ist, ein Räd­chen greift exakt ins ande­re: Er besticht in sei­ner Gesamt­heit durch das gewis­se Nichts.

  • Tja, auch die­ses Jahr lei­der kei­ne Bes­se­rung bezüg­lich Groß­bri­tan­ni­en. Erneut schi­cken die Bri­ten einen der­ma­ßen faden “Song” zum Wett­be­werb, der beson­ders am Schluss lei­der ganz schlimm wie ein DSDS-Sie­ger­ti­tel klingt. Der Sän­ger klingt stimm­lich zwar ganz ok, hat aber lei­der so viel Aus­strah­lung wie ein nas­ses Küchen­tuch und wirkt auf der Büh­ne so ver­schüch­tert wie ein Viert­kläss­ler bei einem Auf­tritt am Schul­fest. Ne, das ist auch die­ses Jahr wie­der ein hei­ßer Kan­di­dat für die rote Laterne!!

    Gene­rell regt mich Groß­bri­tan­ni­en beim ESC schon seit Jah­ren auf!! Man merkt ganz deut­lich dass die BBC eigent­lich gar kei­ne Lust mehr auf dem Wett­be­werb hat und sich jedes Jahr nur noch aus rei­ner Gewohn­heit anmel­det. Und so klin­gen meis­tens auch die Titel, fade Dut­zend­wa­re vom Grab­bel­tisch die die meis­ten Künstl­rer noch nicht mal als Füll­ti­tel aus ihr Album packen wür­den. Vor­ge­tra­gen wer­den die­se Songs meis­tens von geschei­ter­ten Cas­ting­show­teil­neh­mern bzw. von Per­so­nen die es nicht mal soweit gebracht haben, die dann nach der erwart­ba­ren Klat­sche so schnell wie­der in der Ver­sen­kung ver­schwin­den wie sie auf­ge­taucht sind. Beson­ders wenn man bedenkt wie vie­le tol­le Künst­ler das König­reich her­vor­ge­bracht hat stimmt das einem ziem­lich trau­rig, aber die wol­len sich natür­lich alle nicht die Kar­rie­re ver­mas­seln las­sen indem sie an einem Wett­be­werb teil­neh­men der in der Öffent­lich­keit so der­ma­ßen ver­brannt ist und dort einen der letz­ten Plät­ze belegen.

    Ganz ehr­lich?? Wenn das so wei­ter­geht dann folgt in eini­gen Jah­ren noch der ESC-Brexit!!

  • Ganz, nett, das Lied­chen, aber es haut mich nicht wirk­lich aus den Socken.

  • Trink­spiel, ein­fach mal bei dem Wort “Big­ger” einen kip­pen. Ich ver­ste­he es nicht, dass Län­der, deren Mut­ter­spra­che Eng­lisch ist, es nicht hin­be­kom­men einen anspruchs­vol­len Text zustan­de­zu­brin­gen, wie es Ita­li­en, Ungarn oder auch Alba­ni­en die­ses Jahr unter Beweis stel­len. UK, Aus­tra­li­en (Stone in My shoe?!?), Mal­ta (I‘m bluer than the oce­an) soll­ten sich echt schämen!

  • Ich weiss ja nicht, wie­viel am sams­tag abend an hoch­ste­hen­den tex­ten inter­es­siert sind. Ich nicht.
    Mir gefällt “big­ger than us“ganz gut und ich wün­sche micha­el rice einen top15 platz.

  • Inter­es­sant, ich seh’s genau anders­rum: Micha­el Rice singt den John Lund­vik-Song mit der Lei­den­schaft, die John Lund­vik bei sei­nem ande­ren Song ver­mis­sen lässt und ich wür­de anneh­men, dass sich Too Late For Love von Micha­el Rice gesun­gen noch bes­ser anhö­ren würde.

  • Discout-VE ! Vie­len Dank an den Haus­herrn, so kann man die­se pro­vin­zi­el­le Vali­um­show namens “You Deci­de” nicht bezeich­nen. GB und DE dann im Ren­nen um den letz­ten Platz.… OK, es könn­te auch Ope­ra Part 2 (“Home”) ganz hin­ten landen.

    Eigent­lich sind die Bri­ten beim ESC mitt­ler­wei­le ver­zicht­bar. Sowohl ihrer Spra­che und ab und zu auch inno­va­ti­ven Klän­gen bedie­nen sich mitt­ler­wei­le genü­gend ande­rer Län­der, lei­der auch an Castingsternchen .…

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