Im aufrechtgehn.de-Ranking der diesjährigen Eurovisionsbeiträge verlassen wir nun die Hassliederabteilung und begeben uns in den Bereich der schlicht verzichtbaren Titel. Und gleich der erste von ihnen auf Rang 30 bildet das Musterbeispiel für einen Song, in dessen Arbeitszeugnis wohl der Satz “sie haben sich stets bemüht” stünde.
Platz 30: Montenegro – D‑Mol: Heaven (Himmel)
“Sie”, das ist in diesem Fall das gemischtgeschlechtliche Schülerchor-Sextett D‑Mol, das mit einem kitschigen Songriemen, wie ihn selbst ein Ralph Siegel in seinen verzweifelsten Zeiten verschämt auf der B‑Seite irgendeines seiner im Dutzend komponierten Grand-Prix-Schlager versteckt hätte, aus unerfindlichen Gründen den heimischen Vorentscheid, die Montevizija, gewann. Auf offensichtlich im Werkunterricht selbst gezimmerten Holztreppen standen sie da im hochgeschlossenen Schwarzen vor einer unschuldsweißen Präsentationswand, immer schön zu heteronormativen Zweierpärchen gruppiert, und jaulten mit erkennbarer Aufgeregtheit und drolligem performatorischem Übereifer in miserabelstem Pidgin-Englisch irgendwelche nicht identifizierbaren Worte zu ihrer schalen Alle-Meine-Entchen-Melodie. So viel Harmlosigkeit, so viel Biedersinn, so viel rückwärtsgewandtes Heile-Welt-Eiapopeia strahlte dieser Auftritt aus, dass sich selbst die keimfreieste dänische Eurovisionsnummer dagegen ausnimmt wie ein Fledermausköpfe abbeißender Ozzy Osbourne. Was ist nur aus dem Land geworden, das uns einst grandios rotzige Perlen wie ‘Euro Neuro’ und ‘Igranka’ schenkte?
Der Preis für das härteste Overacting des Jahres geht zweifelsfrei an die Blondine rechts neben dem Schönling: der Montevizija-Auftritt.
Die unisono verheerenden Reaktionen in den internationalen Fan-Foren veranlassten den montenegrinischen Sender RTCG zu einer prompten Überarbeitung des Songs, inklusive aufgepeppter Beats, in jede irgendwie noch freie Stelle hineingequetschte instrumentale Ethno-Verzierungen und sogar, sie sehen es mich mit freudentränenblinden Augen schreiben, einer Rückung! Doch ein Hundehäufchen, das man in Glitter wälzt, bleibt immer noch ein Hundehäufchen: jedweder Versuch des Aufpimpens muss sich bei dem Ausgangsmaterial als vergebene Liebesmüh gestalten. Immerhin erfüllt das offensichtlich vom Fremdenverkehrsbüro des kleinen Balkanlandes beigesteuerte Video seinen Zweck und weckt die Lust auf einen Urlaub in Montenegro, das von majestätischen, schneebedeckten Berggipfeln bis hin zu lauschigen Meeresstränden alles bietet, was das Touristenherz begehrt. Den Beitrag zu retten vermag es jedoch nicht: als wohlerzogener, leidensbereiter Grand-Prix-Fan lässt man ihn geduldig über sich eregehen und spendet anschließend natürlich auch einen Höflichkeitsapplaus, weil man ja nicht möchte, dass die armen, so sehr bemühten Kinder vor Enttäuschung weinend von der Bühne abgehen. Aber man ist auch froh, wenn es vorbei ist und will dann nie wieder was davon hören.
Immerhin bietet die Strandszene an Schluss ein paar Highlights für Fussfetischisten: der offizielle Videoclip.
Semi: 1. Finalchancen: eher friert die Hölle zu.
Beste Liedzeile: “Being good, but not good enough”. Den Teil vor dem Komma würde ich bestreiten, der danach trifft jedoch den Nagel auf den Kopf.
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Ach Montenegro, was ist denn bloß lost bei euch?? Wart ihr früher für interessante Beiträge, die zwar nicht immer meinen Geschmack getroffen haben aber wenigstens anders als der Rest waren, hat euch in letzter Zeit der Mut verlassen. Das sieht man ganz besonders am diesjährigen Beitrag, der für mich persönlich der zweitschlimmste dieses Jahrgangs ist!!
Dieses Jahr schicken sie den Oberstufenchor der Gesamtschule Podgorica-Nord und lassen sie einen derartig schleimigen und vor ausgelutschten Weltfriedensklischees nur so triefenden “Song” singen gegen den selbst “If We All Give A Little” aus dem Jahr 2006 total modern wirkt. Über das “Englisch” breiten wir lieber einen großen Mantel des Schweigens aus. Und dann noch das Video, welches sich nicht entscheiden kann ob es lieber der Werbespot für die neue Weißhemdenkollektion von C&A oder der Imagefilm für irgendeine erzkonservative evangelikale US-Kirche sein möchte.
Ich gönne Montenegro immer eine Finalteilnahme, aber mit diesem ranzigen Quark ganz sicher nicht, wobei die Chancen, wenn sie denn jemals vorhanden waren, mit Startplatz 2 im ersten Semi eh hinüber sind!!
Autsch, ganz schlimmer Song. Dabei kamen aus Montenegro schon so coole Beiträge. Und wenn man bedenkt, was für tolle Songs sie dieses Jahr in ihrer VE hatten, ist das Resultat um so enttäuschender.
Okay, ich konnte es erfolgreich verdrängen. Aber jetzt, beim zweiten Mal hören, kommt es bei mir zum Dreikampf um die rote Laterne. Tiefer kann man nicht in die Grütze greifen als mit diesem Rausschmeißer bei einer Hochzeitsfeier, wenn man auch die hartnäckigsten Sitzenbleiber am frühen Morgen endlich loswerden will.
Huch, wie haben die sich den hier hochgemogelt?
Ich muss schnell zurück zu meiner geliebten letztplatzierten Suizidballade, sonst fange ich noch an mitzusingen.