Salvador Sobral, der Sieger von 2017, antwortete erst unlängst auf eine (ziemlich überflüssige) Interviewfrage, dass er nicht zwingend nochmal am ESC teilnehmen möchte. Andere Künstler/innen zieht es hingegen immer wieder zurück auf die große europäische Bühne, dieses Jahr alleine sind es sechs Wiederkehrer/innen. Zu ihnen zählt auch mein
Platz 5: Ungarn – Joci Pápai – An én Apám (Mein Vater)
Der schöne Joschi steuerte im Jahr des Sobral-Siegs die hochgradig ergreifende Schmerzensballade ‘Origo’ zum Geschehen bei und erreichte damit eine der wenigen Top-Ten-Platzierungen des Landes. Sein aktueller Beitrag folgt einem Trend der beiden letzten Jahre, ist es doch ein Lied über seinen Vater. Allerdings handelt es sich nicht um eine bittere Abrechnung wie bei seinen Nachfolgern, der ungarischen Rockband AWS, oder beim diesjährigen italienischen Konkurrenten Mahmood, sondern um eine zärtliche Eloge, eine liebevolle Erinnerung an seinen verstorbenen Senior und die schönen, sorglosen Zeiten der Kindheit, die er mit seinem Song wieder zum Leben erweckt. Das klänge beinahe ein bisschen kitschig, wäre das – musikalisch vergleichsweise simple und fröhliche Liedchen – nicht durchzogen von einer leisen, unaufdringlichen, aber dadurch um so präsenteren Melancholie. Erneut stellt Pápai unter Beweis, das man die Sprache nicht verstehen muss, um die Intention des Künstlers zu verstehen; dass Musik direkt das Herz berühren kann. Den Auftritt beim nationalen Vorentscheid A Dal, wo er sich unter anderem gegen den ebenfalls vom ESC bekannten András Kállay-Saunders durchsetzte, bestritt Joci wie weiland Sandie Shaw barfuß und ohne Begleittänzerin, was die Intimität seines Beitrags noch verstärkte.
Schlicht, aber stimmungsvoll: Joci bei A Dal.
Das zwischenzeitlich nachgeschobene Musikvideo visualisiert die Geschichte auf berührende Weise, in dem es einen traurigen jungen Mann (offensichtlich der Protagonist in jüngeren Jahren, nach dem Tod seines Vaters) auf der Suche zeigt, der am Schluss mit Hilfe eines in den Himmel gerichteten Beamers die Verbindung wieder herstellen möchte. In Zwischenschnitten kehrt der heutige, erwachsene Joci in das mittlerweile leerstehende Haus seiner Kindheit zurück, um dort sein Erinnerungslied zu singen und zu pfeifen. Ja, richtig: pfeifen. Denn als Serviceteil für alle wie mich nicht des Ungarischen Mächtigen baute Pápai neben einem mitsingbaren “Na na na”-Part auch eine Lippenspitz-Bridge ein. Beides hätte es nach meinem Dafürhalten nicht zwingend gebraucht, es macht den Song aber ein bisschen zugänglicher. Um so bedauerlicher, dass der magyarische Rückkehrer vermutlich dem “Letztes Mal war’s aber besser”™-Fluch zum Opfer fallen wird. Denn wie etliche entsprechende Rezensionen bereits erahnen lassen, zieht natürlich Jede/r umgehend den Vergleich zu ‘Origo’, fraglos eine der schönsten beim Grand Prix jemals präsentierten Schmerzensballaden, und den kann das völlig anders strukturierte ‘Az én Apám’, das gar keine Fortsetzung des 2017er Beitrags sein möchte, nur verlieren. Damit tut man der schlichten Schönheit von Jocis Vaterballade aber Unrecht.
Eine fesche Ledermaid: der Joschi im Musikvideo.
Semi: 1. Finalchancen: Machen wir uns nichts vor: die Welt ist ungerecht. Die Erinnerung an ‘Origo’ ist noch zu frisch und die Fans sind viel zu sehr aufs Vergleichen fixiert, als dass sie sich hiervon freimachen könnten oder wollten. Pápai wird es heuer schwer haben, auch nur ins Finale einzuziehen. Ich hoffe und bete, dass er es dennoch schafft, aber meine Hoffnung ist gering.
Beste Textzeile: “Játszani így volt szép” (“Das war so toll, zu spielen”). Hach.
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Ja, es ist tatsächlich nicht leicht, ein Nachfolge-Lied zu finden, welches seinem Vorgänger das Wasser reichen könnte. Aber das ist sicher auch nicht die Intention gewesen. Auch wenn das erste Lied wunderschön und zu einer der Perlen der Eurovision geworden ist; so ist auch der “Nachfolger” ein wunderschönes und eigenständiges Lied , was es verdient, im Finale vorne mit zu spielen. Die Melodie, die Sprache, der Auftritt … alles ist stimmig. Ich drücke die Daumen. .. so etwas braucht der ESC.
Also ich war ja 2017 ein großer Fan von “Origo”, dieser Song reicht da leider nicht ganz ran. Dennoch hat die Melodie auf mich eine hypnotische Wirkung, keine Ahnung wieso.
Hoffe aber dennoch auf einen Finaleinzug.