Ein die Fans gleichermaßen in Liebende wie Hassende spaltender Marmite-Song eröffnete vor knapp sechs Wochen diese Artikelserie, und ein ebensolcher beschließt sie heute.
Platz 1: Island – Hatari: Hatrið mun sigra (Der Hass wird siegen)
Als hätten die Jungs von Laibach, Rammstein, Depeche Mode und Bronski Beat einen gemeinsamen Bastard gezeugt, so klingen Hatari. Brachialer Industrial-Lärm mit einer schmerzhaft verzerrt dahingerotzten Strophe, aufgefangen von einem watteweichen Synthie-Pop-Refrain und engelsgleichem Kastratengesang, und das alles auch noch auf isländisch: Hatari verstören nicht nur musikalisch. Das sich als satirisch und antikapitalistisch verstehende Art-Kollektiv, das auf spielerische Weise in Bondage-Gear auftritt, verpackt darin eine bittere, dystopische Botschaft. Nämlich die vom baldigen Zusammenbrechens Europas, vom Ende des zügellosen Bacchanals, das uns so lange notdürftig zusammenschweißte, wie es (auf Kosten weiter Teile der restlichen Welt) jedes Jahr mehr zu verteilen gab. Vom Obsiegen des Hasses. Und im Angesicht des Brexits, des europaweiten Wiedererstarkens der Nationalkonservativen, des bewusst tatenlosen Zusehens, wie im Mittelmeer von Krieg und Armut verfolgte Mitmenschen ertrinken und dem Schweigen darüber sowie von immer faschistoideren Polizeiermächtigungs- und Internetzensurgesetzen muss man fürchten, dass sie leider Recht haben und es sich vielleicht sogar eher um eine akkurate Beschreibung der Gegenwart handelt als eine düstere Zukunftsfantasie.
Gleich die Eröffnungssequenz des Musikvideos zitiert Depeche Mode.
All das stellt musikalisch wie inhaltlich eine Abkehr von bisherigen Eurovisionsprinzipien dar und ist alleine deswegen schon gut und zu begrüßen. Um den von der EBU mantraartige behaupteten unpolitischen Charakter des Wettbewerbs scheren sich die Hassenden (so der Bandname) einen feuchten Dreck, ihre Botschaft fangen sie mit keinerlei verlogen-zuckrigen Plattitüden à la “Liebe ist für alle da” auf, bieten keinen Ausweg, keinen Optimismus. In der Wolle gefärbte Grand-Prix-Traditionalist/innen, die noch eisern an der Hoffnung auf “Ein bisschen Frieden” hängen, rennen hier natürlich schreiend davon. Und alleine dafür feiere ich den Titel schon hart ab. Und natürlich, das muss für diejenigen gesagt sein, die der Gefahr unterliegen, Überbringer und Botschaft zu verwechseln, wollen die Isländer die beschriebenen Zustände nicht herbei singen, sondern uns wachrütteln, um sie – falls möglich – doch noch zu verhindern. Dafür, und für ihre fantastische Show und den großartigen Song, liebe ich sie. Sie sind die Fridays for Future des ESC und sie kommen keine Sekunde zu früh.
Und eine Rückung hat der Song auch noch! Fabelhafter geht es einfach nicht mehr!
Semi: 1. Finalchancen: sollte ‘Hatrið mun sigra’ im Semi scheitern, ist meine Liebesbeziehung mit dem ESC für immer beendet. Allerdings sehe ich diese Gefahr nicht: auffällige Songs und Performances schneiden in den Qualifikationsrunden traditionell gut ab. Manche Fans wollen bereits Lordi-Vibes ausgemacht haben und halten einen Sieg im Finale für möglich. Davon wage ich noch nicht einmal, zu träumen, doch die heimliche Hoffnung stirbt zuletzt. Kurz, bevor der Hass siegt.
Beste Textzeile: “Lífið er tilgangslaust” (“Das Leben ist sinnlos”). Noch ein schönes T‑Shirt-Motiv.
In welche Kategorie fällt ‘Hatrið mun sigra’ für dich?
- Absolut geil. (60%, 90 Votes)
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Sorry Oliver, aber mit Qualität hat das wenig zu tun. Eine 08/15 Komposition, die von talentfreien Kastratenstimmen geschrien wird. Diese vorpubertären Rotzbacken sind zwar ein Farbtupfer, aber mehr auch nicht. Zudem unglaubwürdig: zum ESC-Israel-Boykott aufrufen, aber dann selbst antreten.
Ich kann Dir nur voll und ganz Zustimmen. Deine Beschreibung ist sehr treffend und mich erinnert es auch an die 80er Musikgrößen kombiniert mit Rammstein. Ich wünsche mir sehr das Hatari beim ESC den Titel davonträgt, fürchte aber schon das ich enttäuscht werde.…für mich wäre es in diesem Jahr der einzige wirklich würdige Gewinnertitel und nebenbei würde ich mich sehr für Island freuen, ein tolles Land, mit wunderbaren Menschen.
Und hier ist er nun, mein Platz 41 2019!! Boah wie ich dieses “Lied” hasse!! Einfach nur drei Minuten aggressives Geschrei auf Isländisch, und so “Botschaften” mit erhobenen Zeigefinger kann ich schon dreimal nicht ab!!
Wird es wohl dank einiger Hardcorefans ins Finale schaffen, dort glaube ich aber nicht an einen Sieg oder selbst an eine Platzierung in den Top 5. Man hat ja schon letztes Jahr bei Ungarn gesehen dass die Hauptzielgruppe dieser Musik den ESC gar nicht erst anschaut!!
Einerseits ganz nett, andererseits nehmen sie sich für meinen Geschmack ein bisschen zu ernst. Bei mir reicht’s für Platz 13.
Zu “Liebe ist für alle da” – dachte im ersten Moment, das wär ein Rammstein-Diss! 😉
Die Botschaft hör ich wohl, allein, das Lied ist schau-der-haft. Das kann ich mir beim besten Willen nicht schönhören. Wird aber oben mitspielen. Als Sieger brauch ich das aber nicht.
och nö. das brauch ich nicht.
und wenns im semi abkackt bin ich auch nächstes jahr noch fan des esc 🙂
Klasse Beschreibung von Band / Song /Message und verdienter Platz 1!
Ich war so froh, dass die Isländer den VE nicht vergeigt haben, dass mir die Platzierung im Finale des ESC beinahe wurscht ist.
Bin gespannt wie die Kameras die Jungs auf der Bühne einfangen werden. Wenn sie das gut hinkriegen (was ja leider nicht immer der Fall ist), dann ist alles möglich, sogar der Sieg.
Der einzig wirkliche Konkurrent in Punkto Show ist nach dem Weggemobbe von Maruv jetzt höchstwahrscheinlich nur noch Sergey.
Die 6 Wochen-Hitparade hier ging ja mal schnell rum, mal sehen wie stark die Proben die diversen persönlichen Ranglisten umwerfen werden
Deine überbordende Faszination in Deinem Text ist fast körperlich zu spüren… ( bin gerade an der Nordsee und erlebe bei stürmischen Wetter die Wellenbrecher..). Auch ich empfinde die isländischen Wellenbrecher als erfrischenden Kontrapunkt zu all’dem Mittelmaß, was wieder beim Esc als Favorit gilt (dazu zählen ich Russland, Schweiz, Schweden und Zypern. .. sorry, ist einfach nicht meins). Das ist ähnlich wie bei Lord anno dazumal. Aber für mich liegen vor Island auf alle Fälle Portugal und Italien.
Wenn man alle Elemente separat voneinander sieht, war im Grunde alles schon beim ESC da: Harte Klänge, heiserer Gesang, düstere Botschaft, Lack und/oder Leder. Wie man’s zusammen mischt, ist mal was anderes, zumindest fällt mir gerade nichts genau Vergleichbares ein. Das ist durchaus sehr Aufmerksamkeit bindend, da schaut man als Zuschauer schon hin. Viele darunter, die sich so was sonst nicht anhören. Und dass viele davon den Beitrag zumindest beachtlich finden im Feld der Mitbewerber, davon gehe ich sogar aus.
So weit so gut.
Innerhalb des ESC ist das sicherlich.…wie soll ich sagen.…ein sehr offensives Lied mit Statement, aber zu WIRKLICHEM Mut fehlt Hatari dann doch noch ein Stück. Ja, eine Mischung aus Laibach, Rammstein, Depeche Mode kann man das durchaus nennen, aber es ist halt eine koffeinärmere Version davon. Die Kompromisse gehen weiter, wenn man mitbekommen hat, wie die Jungs zum Veranstaltungsort stehen und dass sie jetzt nicht gerade Fans des ESC sind. Wenn also in den nächsten zwei Wochen nicht wirklich was die Verantwortlichen der Veranstaltung richtig Provozierendes kommt, hat das für mich schon ein bisschen was von Schwanz einziehen und Statement light. Deshalb liegt mir eine Überhöhung des isländischen Beitrags fern.
Nichtsdestotrotz ist er eine Bereicherung für die Show, landet bei mir persönlich zwar nicht in meiner Top 3, aber bei den nachfolgenden dreien.
Alles Stand jetzt, mal sehen, wie das alles auf die Bühne gebracht wird.
Ehrlich gesagt kann ich die Begeisterung für diesen Bullshit überhaupt nicht nachvollziehen. Was soll das? Das ist nur Lärm ohne jegliche Substanz. Und dann besteht die Gruppe aus lauter Anti-Semiten. Oder was soll dieser Schwachsinn über Israel? Ich hoffe die Gruppe wird sich in Tel Aviv in Zaum halten und sich auf ihren Auftritt konzentrieren und nix verrücktes machen
Ich wollte grad die Frage aufwerfen, ob der doch irgendwie anbiedernde Beitrag Hataris wirklich noch jemanden zum wegrennen animiert, bis ich hier einige Kommentare las und mich überraschten.
Ich mag “Hatrið mun sigra”, es wagt mir aber fast noch ein bisschen zu wenig und ist im Refrain schon recht dünne. Zudem noch die eher billig wirkende “Kostümierung”… Joa…
Trotzdem reicht es natürlich für meine besten Zehn – und meine Hoffnung das in Tel Aviv noch eine Schippe draufgelegt wird.
Ich glaube Oliver , du hast von Anfang an Island auf eins gelegt und alle weiteren wahllos absteigend gezogen. Stimmts ?
Alle mögliche Varianten habe ich durch .
Nach dem Alter aufsteigend, der Jugendlichkeit im allgemeinem, dem Thema des Liedes ‚der Farbe des Hintergrunds , den Chorsängern, Brusthaaren ‚ohne Brust . Nix passt. Versuche es nach der Musik zu ordnen hörten auch nach Italien aufsteigend auf.
Und da heißt es das Mathe Abi in Bayern sei 2019 schwer!
Ich glaube sogar ARTE würde deine Reihenfolge so nicht senden ?
Hatari mun sigra! Zwar nicht ganz mein erster Platz (knapp hinter Italien) und einen Sieg halte ich wegen der Jury für ausgeschlossen, aber ich würde es Island wirklich gönnen, die nach Jahren des mal mehr und mal weniger guten Mittelmaßes endlich mal etwas Mutiges schicken.
Und Hatari wären auch nicht die ersten Sieger, die mit dem ESC eigentlich nichts anzufangen wissen (wenn diese Behauptung tatsächlich zutrifft). *hüstel* Sobral *räusper*
Hatari werden zudem auch schon deshalb in den Probenwochen brav sein, weil sie wissen, dass ein Sieg beim ESC tatsächlich die größte Provokation wäre. Das werden sie meiner Ansicht nach nicht aufs Spiel setzen.
@Oliver
So sehr ich deine Formulierungskünste auch liebe, aber inhaltlich ist das kompletter Bullshit. Du erliegst dem pubertären, undifferenzierten, manchmal auch ziemlich dümmlichen Antikapitalismusgeschwätz von Hatari, weil du deine eigenen politischen Ansichten wiederfindest. Das hat aber nichts mit der musikalischen Leistung der Band zu tun, die sehr zu wünschen übrig lässt. Mit “engelsgleichem Kastratengesang” hat das nun wirklich nichts zu tun. Selbst die lächerlich, billigen BDSM Outfits können die Schwächen in Komposition und Gesang nicht kompensieren. Auch wenn ich sowas lese, wie
“Sie sind die Fridays for Future des ESC und sie kommen keine Sekunde zu früh”, interpretierst du da was rein, was gar nichts mit dem Song zu tun hat. Niemals wird Hatari Sieger des ESC in Tel Aviv werden. Sorry @Oliver, aber ich glaube, du verrennst dich gerade im Hamsterrad.
@ melodievestivalen
schau doch mal bei arte die Doku “Die Erdzerstörer” an, gibts noch in der Mediathek, dann wird dir vielleicht klar wer hier dümmlich pubertär daherschwätzt.
Das kleine pubertäre schwedische Mädchen aus Fridays for Future ist neben Hatari den meisten Erwachsenen in der Erkenntnis, wohin unser Turbokapitalismus uns gerade führt, meilenweit voraus.
@ Oliver / aufrechtgehn
Bevor ich es vergesse: Vielen Dank für diesen Song-Marathon! Hat mir sowohl inhaltlich wie auch von der Aufmachung (z. B. die Lyrics am Schluss) sehr gut gefallen!
Auch von mir vielen Dank! Das war echt interessant, auch wenn ich in vielen Punkten nicht mit Dir übereinstimme.
Was Hatari angeht, mal for something completely different: Auch hier ist die Phonetik-Else in mir aufgewacht. Freiwilliger vor zum Einsingen? Ich wüsste nicht, wie ich das in irgendeiner Weise hinkriegen sollte.
Ist auch meine Nummer Eins, aber an einen Sieg kann ich leider nicht glauben, dafür fehlt eine Fanbase wie Lordi sie mit den Metalls hatte. Industrial war ja schon immer die Mischung aus Punk und Elektro und ersteres schreckt den Durchschnitts-ESCler genauso ab wie einst der Irokese. Denn seien wir doch ehrlich, die Schlager-Fans mögen zwar abnehmen, aber spießig geht es hier immer noch zu. Schon die Standard-Aussage, dass das Geschrei sei zeigt, wie wenig man sich auf andere Musik einlassen will.
Meiner Meinung nach gibt es zur Zeit zwei Bewegungen beim ESC. Er wird interessanter, weil ausgelöst von Anouk auch Künstler außerhalb des normalen Spektrums mitmachen und dann natürlich die Schwedifizierung, dass also immer die gleichen Autoren und Produzenten für immer andere Länder arbeiten.
Meine Hoffnung geht dahin, dass wir einen vielfältigeren ESC bekommen, vielleicht muss man dann einfach mal Vorentscheide in Frage stellen, wo zu häufig nur das glatte durchkommt.
Ein – in meinen Augen – sehr stimmiger Beitrag zu Island, der mir aus dem Herzen spricht!
Und von mir die volle Punktzahl für diese Band.
Dieses Jahr fällt es mir tatsächlich schwer, ein Lied auszumachen, das mich absolut beglückt. Selbst wenn es schön beginnt, verliert es sich schon bald in Langeweile. Ja, und ich hätte sogar “Wo sind die Katzen?” aus der Not heraus und aus purer Verzweiflung in meinem persönlichen Ranking mit ganz oben gesehen.
So bleibt mir als wachrüttelnder und wunderbar aus der Reihe fallender Beitrag das wunderschöne Island. Mit einer Botschaft, in einer Art vorgetragen, die man nicht übersehen/überhören kann!
So hoffe ich zutiefst auf heute Abend…und habe bereits Unterstützung aus Frankreich angefordert, damit Telefonstimmen zusammenkommen.:-)
An dieser Stelle auch ein “Hallo” in die Runde, der ich mich gerne ab und zu anschließen möchte…und ein großes Lob an den Seitenbetreiber! Tolle Formulierungen, wunderschöne Sprache! Unterhaltsam und mit Tiefe! Ich bin froh, diese Seite gefunden zu haben!:-))
Ich wünsche uns allen einen tollen Abend!:-))…und Island den Einzug ins Finale!!!:-)
Liebe Grüße
Mama Hesselbach