Ach, Estland, was ist nur aus dir geworden? Einstmals das Zuhause der coolsten Vorentscheidung der Welt, hat sich die ehedem hochgelobte Eesti Laul – nicht zuletzt aufgrund jahrelanger, fortgesetzter schwerer Fehlentscheidungen der dortigen Jury – zu einer bedeutungslosen Ansammlung glatter, völlig nichtssagender Liedchen entwickelt. Noch nicht einmal mehr in den Semis findet sich irgendetwas Interessantes, wofür sich das Einschalten lohnen würde. Zum europäischen Hauptwettbewerb vermag der baltische Staat so natürlich ebenfalls nichts Wesentliches beizutragen. Stattdessen setzt man auf das Ewiggleiche: als direkten Nachfolger des schleimigen schwedischen Schönlings Victor Crone, aktuell noch beim Melodifestivalen im Rennen, und seines staubgrauen Songs ‘Storm’ schickt der Ostseeanrainerstaat nun den Zweitplatzierten der Eesti Laul 2019, den selbstverliebten, staubgrauen Schönling Uku Suviste. Nämlich mit der zähen, glanzlosen Midtempoballade ‘What Love is’, einem weiteren Tropfen im Meer der Langeweile, zu welchem der Eurovision Song Contest 2020 zunehmend rettungsloser zu verkommen droht. Der Unsympath Uku, dies zur Erinnerung, rief letztes Jahr im Superfinale der Eesti Laul seine Landsleute noch vergeblich auf, für ihn zu stimmen, da er anders als seine schwedisch- bzw. armenischstämmigen Konkurrenten der einzige echte Este sei.
Grau zieht der Nebel: Uku Suviste.
Das Argument konnte er heuer nicht bringen: mit ihm in der Endauswahl schafften es die reinrassigen Landsleute Jaagup Tuisk sowie das von der Jury ins Superfinale manipulierte Duo Anett Kulbin und Frederik Küüts alias Fredi x Anett, die allerdings beide noch viel Schnarchnasigeres vortrugen als unser Uku. Dessen Endgegner Crone fand sich zwar erneut in der Konkurrenz, diesmal allerdings lediglich als Mitkomponist des nicht weniger, aber auch nicht mehr als netten Countrysongs ‘Üks kord veel’ (‘Noch einmal’) von Stig Rästas Bandprojekt Traffic, welcher es jedoch nicht in die Endrunde packte. Obschon es sich um eines von lediglich zwei landessprachlichen Angeboten handelte. Synne Valtri steuerte gemeinsam mit den beiden barfüßigen burschikosen Seebären des für Hochzeiten buchbaren Duos Väliharf (Cembalo) das zweite bei, in Form des altmodischen Schlagers ‘Majakad’ (‘Leuchttürme’): ebenfalls kein all zu großer Wurf, aber von allen zwölf Finalbeiträgen des diesjährigen Eesti Laul so ziemlich der einzige mit so etwas wie einer eigenen Seele. Laura Põldvere (‘Verona’) wollte im Laul-Semi eigentlich nur ihr neues, völlig egales Lied ‘Break me’ vorstellen, wurde dann aber mangels Konkurrenz versehentlich ins Finale weitergewählt, wo sie sich bemühte, extra lustlos zu singen, um bloß nicht zu gewinnen. Es gelang: mit lediglich einem einzigen Punkt aus dem Televoting landete sie auf dem vorletzten Platz.
Kein Leuchtturmprojekt: Synne sang für die Schlagerfreunde.
Der Rest ist nicht der Rede wert: Inger Fridolin, die liebenswerte Lesbe mit der Gitarre und der Froschstimme, war wieder dabei, leider mit einem deutlich schlechteren Lied als noch im Vorjahr, das irgendwo im Mittelfeld landete. Auch Stefan Airapetjan zählte zu den Rückkehrer:innen und winselte die Zuschauer:innen mit der Jammerlappenballade ‘By my Side’ ins Koma. Von seinem Auftritt bleiben vor allem seine schlauchbootgroßen Schuhe in Erinnerung. So dürfte stattdessen die vom estnischen Fernsehballett begleitete Schlagerlegende Anne Veski, ihres Zeichens Trägerin des russischen Ordens der Freundschaft für ihre Verdienste um die musikalische Völkerverständigung, die als Stargast in der Wertungspause ein Medley ihrer größten Hits zum Besten gab, als Höhepunkt der Sendung gelten. Ach ja, Tanel Padar, Estlands einziger Eurovisionssieger, war auch da und stellte seine neue Single vor. Der sieht aber mittlerweile aus wie ein harte Drogen vertickender Türsteher vor einem übel beleumundeten Rockschuppen. Traurig für eine Show, die mal als das Nonplusultra der nationalen Vorentscheidungen galt und mittlerweile doch zum Verzichtbarsten gehört, das Europa aufzubieten hat. Vielleicht ist es auch für Estland an der Zeit für eine interne Auswahl?
Versetzte das traditionell eher reservierte estnische Publikum in Schlagerekstase: Pausenact Anne Veski.
Der Glanz ist weg: drei Stunden Geschnatter und laue Songs machen das Finale der Eesti Laul 2020 aus.
Vorentscheid EE 2020
Eesti Laul. Samstag, 29. Februar 2020, aus der Saku Suurhall in Tallin. 12 Teilnehmer:innen. Moderation: Karl-Erik Taukar und Tõnis Niinemets.# | Interpreten | Songtitel | Anrufe | Jury | Superfinale | Platz |
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01 | Inger Fridolin | Only Dream | 2.762 | 32 | – | 08 |
02 | Rasmus Rändvee | Young | 999 | 23 | – | 12 |
03 | Stefan Airapetjan | By my Side | 1.948 | 48 | – | 07 |
04 | Synne Valtri + Väliharf | Majakad | 2.758 | 19 | – | 09 |
05 | Uudo Sepp | I’m sorry. I messed up | 991 | 38 | – | 10 |
06 | Uku Suviste | What Love is | 16.880 | 56 | 33.582 | 01 |
07 | Shira | Out in Space | 2.236 | 48 | – | 06 |
08 | Anett Kulbin + Fredi Küüts | Write about me | 3.469 | 87 | 07.690 | 03 |
09 | Jaagup Tuisk | Beautiful Lie | 5.259 | 65 | 07.944 | 02 |
10 | Traffic | Üks kord veel | 3.271 | 46 | – | 05 |
11 | Egert Milder | Georgia (on my Mind) | 5.005 | 38 | – | 04 |
12 | Laura Põldvere | Break me | 1.504 | 12 | – | 11 |
“einem weiteren Tropfen im Meer der Langeweile,zu welchem der ESC 2020 immer rettungsloser zu verkommen droht“
Ja,mal wieder treffend gesagt!
Auch meine Hoffnung auf Rettung schwindet..