Und noch eine Ballade! Nachdem das Schweizer Fernsehen 2019 mit einem hervorragend inszenierten Uptempo-Banger erstmals seit einem guten Jahrzehnt das tiefe Tal der Tränen verließ, entschied man sich beim SRG heuer für ein entgegengesetztes Konzept. Erneut bestimmte man den Interpreten intern: der heißt Gjon Muharremaj, stammt gebürtig aus dem französischsprachigen Kanton Fribourg und nahm natürlich schon an The Voice teil, in Frankreich. Sein Künstlername lautet Gjon’s Tears und macht bereits deutlich klar, wohin die Reise geht. Folgerichtig besteht ‘Répondez-moi’ (‘Antwortet mir’), sein Beitrag für Rotterdam, aus drei Minuten hochelegantem Sadboi-Gejammer, das sich zu einem recht zurückgenommenen, molllastigen Musikbett stimmlich in geradezu alpine Höhen schraubt. Es passt zur trüben Stimmung des Liedes, dass es im heute präsentierten Musikvideo praktisch ununterbrochen auf den Sänger herrunterregnet und ‑schneit. Denn der junge Helvete mit den kosovo-albanischen Wurzeln schreit sich in seinem Text Existenzielles von der Seele: mit “Ici Étranger / Là-bas Étranger” (“Hier ein Fremder, dort ein Fremder”) besingt er das Lebensgefühl vieler Menschen mit Migrationshintergrund, die weder in ihrem Geburtsland noch in der Heimat ihrer Eltern so richtig dazugehören. Warum eigentlich? Darauf verlangt Gjon von uns allen eine Antwort, und zwar zu Recht.
Trotz schlimmer Schamhaarfrisur und Balladenflut: der berührende Text und die fantastische Stimme von Gjon Muharremaj machen den Schweizer Beitrag zu etwas Besonderem.
Wenn du dich in einer ruhigen minute mal hinsetzt, merkst du auch, das die “balladenflut” gar keine ist. Die up-und midtempo songs sind in der überzahl. Gjon wird die zuschauer in rotterdam verzaubern und ähnlich wie salvador sobral einschlagen.
Ballade ist auch zum Glück nicht gleich Ballade. Diese gehört für mich zud en hochwertigsten dieses Jahrgangs.
Gratulation an Gjon und die Schweiz, einer der besten Songs des Jahrgangs.
Wird hoffentlich auch in Rotterdam angemessen gewürdigt, Finale sollte sicher sein.
Wie bitte? Der Hausherr bemängelt nicht den irgendwie fehlenden Refrain? Hätte ich nicht gedacht.
Ehrlich gesagt habe ich was die Erfolgsaussichten beim ESC angeht, so gar keine richtige Vision. Kann funktionieren und in die Top 10 gehen oder auch abschmieren. Mir persönlich zum Ende hin etwas zu sehr drüber, was auch von anderen so empfunden werden könnte.
Einen kommerziellen Erfolg sehe ich hier definitiv genauso wenig wie viele Einsätze im Radio.
Aber: Viel Glück, Schweiz.
@Rainer1 zum Thema “Balladenflut”:
Die Einordnung in ein Genre ist ja nicht immer so ganz eindeutig. Insofern kann man mitunter streiten, wo eine Ballade aufhört und eine Midtempo-Nummer anfängt.
Auffällig an diesem Jahrgang ist aber schon, dass, würde man ein durchschnittliches Tempo aller bisherigen Beiträge herausfiltern, dieses heuer ungewöhnlich langsam wäre.
Ich denke die Schweiz wird es mit dem Song sehr, sehr schwer haben, den Erfolg von 2019 zu wiederholen. Französisch als Gesangssprache ist schon seit Jahrzehnten total out. Das kann man gut finden oder nicht, ist aber so. Selbst die Franzosen singen nicht mehr komplett in Französisch. Da bin ich mal froh, das Deutschland und Österreich nen anderen Weg als mit ner Balladen. Und ich finde nicht das der Jahrgang zu balladesk ist. Sind Australien oder Lettland etwa Balladen? Was ist mit Weißrussland? Ich finde ihn dafür, das letztes Jahr eine Ballade gewonnen hat, doch sehr abwechslungsreich und es sind mehr schräge Nummern dabei als letztes Jahr.
Vielleicht noch mal zum Thema der von mir beklagten Balladenflut: da gilt für mich nach wie vor die Definition “If I can’t dance to it, it’s a Ballad”. Midtempo-Nummern zählen für mich zur selben ungeliebten Kategorie; strenggenommen sind sie die Höchststrafe.
Es ist ja nicht so, dass ich Balladen grundsätzlich hasse, es gibt etliche wirklich sterbensschöne langsame Lieder. Balkanballaden gehören dazu, aber auch den Schweizer Beitrag oder den aus Holland mag ich ja. Wobei dennoch meine persönliche Toleranzobergrenze bei zwei Balladen pro Jahrgang liegt, alles darüber hinaus ist mir Zumutung, ergo “Flut”.
Mit was ich aber so gar nichts anfangen kann, ist der in diesem Jahr omnipräsente Midtemposeich. Das ist nicht Fleisch noch Fisch. Ich kann dazu weder ergriffen mitschluchzen noch die Hände entfesselt in die Luft werfen und tanzen. Da liegt meine Toleranzgrenze bei Null, jeder einzelne Midtempobeitrag ist also einer zu viel.
????midtemposeich.…..den merk ich mir!
der schweizer beitrag ist das berührendste, was ich in den letzten jahren beim esc so gehört habe. eine großartige nummer – und natürlich überhaupt nichts für kommerz und/oder radio. aber mich bringt´s an den rand der fassung – was will ich mehr von musik (wenn es mir nicht um´s tanzen geht)? ob europa das mag, ist mir wurscht.