Sollte es diesmal tatsächlich wahr werden? Wie die auf internationale Musikwettbewerbe spezialisierte Seite Eurovoix World diese Woche berichtete, soll die nach dem Ausstieg der Türkei aus dem Eurovision Song Contest erstmalig im Jahre 2013 (und bis dato letztmalig 2015) ausgerichtete Türkvizyon nach fünfjähriger Zwangspause noch in diesem Jahr wieder von den Toten auferstehen. Und zwar, dem Beispiel des Junior-ESC folgend, coronabedingt als Online-Veranstaltung. Nun gab es ähnliche Ankündigungen in der Vergangenheit schon des Öfteren, ohne dass ihnen auch Taten folgten. Doch zwischenzeitlich erhärten sich die Hinweise, dass es diesmal tatsächlich anders sein könnte: neben der belarussischen Sängerin Gunesh Abasova, den neben zahlreichen Versuchen beim heimischen Eurovisionsvorentscheid (zuletzt im Jahre 2018) das nach einem Volksaufstand gegen die manipulierten Präsidentschaftswahlen derzeit im politischen Umbruch befindliche Land bei der Türkvizyons-Première vertrat und die nach eigener Aussage diesmal dort als Jury-Vorsitzende fungieren soll, bestätigte heute auch der in Köln lebende Seyran Ismayilkhanov, als deutscher Vertreter angefragt zu sein. Der in Baku geborene Künstler war bereits 2016 in dieser Funktion vorgesehen, allerdings fiel die Türkvizyon seinerzeit der innenpolitischen Krise in der Türkei und den Spannungen mit Russland zum Opfer. Spätere Wiederbelebungsversuche scheiterten an einem Namensrechtsstreit.
Seyrans aktuellste Songveröffentlichung (Repertoirebeispiel). Für die Türkvizyon wird er allerdings einen neuen Titel vorbereiten.
Laut Eurovoix World ist der in Köln sitzende Fernsehsender Türkshow TV, der schon 2014 und 2015 die deutschen Vertreter:innen für die Türkvizyon bestimmte, auch 2020 für den Beitrag des zweitgrößten osmanischen Siedlungsgebietes außerhalb der Türkei verantwortlich. Damit ist Deutschland das zweite bestätigte Teilnehmerland nach der im Kaukasus lebenden turksprachigen Volksgruppe der Nogaier, die ebenfalls bereits ihre Vertreterin benannten, nämlich die Sängerin Zhanna Musayeva. Deren Song steht allerdings noch nicht fest, genau so wenig wie der deutsche Beitrag. Gegenüber aufrechtgehn.de bestätigte Seyran aber heute, dass er selbst für die Türkviyzon einen neuen Titel schreiben und produzieren wird. Einen offiziellen Termin für den Online-Wettbewerb gibt es indes noch nicht, und so steht noch immer ein großes Fragezeichen über dem Unterfangen. Um so mehr würde es mich freuen, falls es sich bewahrheiten sollte, entpuppten sich die drei bislang durchgeführten Wettbewerbe doch als eine wahre Schatzkammer der popmusikalischen Kleinode und offenbarten mit ihrer prallen Mischung aus tuwarischem Kehlgesang, vorderasiatischen Boybands und syrischen Dschinghis-Khan-Nachfolgern etliches Entdeckenswertes. Außerdem ist Seyran, der im letzten Jahr an The Voice of Germany teilnahm und den zu interviewen ich 2016 das große Vergnügen hatte, ein Supersympathischer, dem ich nur zu gerne die Daumen drücken möchte.
In diesem ebenfalls aus 2020 stammenden Lied (Repertoirebeispiel) will Seyran wissen, wann er uns endlich küssen darf. Och, jederzeit!
[Update 19.10.20]: Zwischenzeitlich bestätigte der türkische Musiksender TMB offiziell, dass die Türkvizyon “im Dezember 2020” zurückkehren werde, und veröffentlichte die Regeln für den Musikwettbewerb der turksprachigen Völker. Wie schon gemeldet, soll der aktuelle Jahrgang coronabedingt als Online-Variante stattfinden, d.h. die Teilnehmer:innen müssen vorab ein HD-Video ihrer Performance produzieren und zur Verfügung stellen, dürfen dieses jedoch bis zum Wettbewerb nicht veröffentlichen. Auch wenn bis dato erst zwei Sänger:innen feststehen, erwartet man in Istanbul wohl so viele Mitmachwillige, dass man sogar ein Semifinale plant. Eine vierköpfige Jury aus allen Teilnehmernationen soll die Beiträge nach einem ausgefeilten Verfahren bewerten, welches sowohl eine Punktevergabe als auch eine schriftliche Kommentierung der Beiträge beinhaltet, welcher im Falle eines Punktegleichstandes besondere Bedeutung zukommen soll. Den drei Topplatzierten winken Geldpreise, außerdem will TMB die oder den Sieger:in zur Türkvizyon 2021 nach Istanbul einladen, die dann also offensichtlich wieder als reale Veranstaltung stattfinden soll.
So fing es an: die erste Türkviyzon von 2013.
Das kommt jetzt aber mal unerwartet. Aber ohne Datum hat das ganze ein, wie wir auf Schwäbisch sagen würden, “Gschmäckle”. Noch haben wir ja zweieinhalb Monate in diesem Jahr, aber an eine Rückkehr des Wettbewerbs in diesem Jahr glaube ich erst, wenn er über meinen Monitor flackert.
Jo, Türkei und Aserbaidschan, mehr Singen und weniger Krieg führen!
So wie oben anzuschauen und zu hören gefallt Ihr mir gleich viel besser.
Und Seyran im unteren Video hätte König Ludwig sofort fürs Schachenhaus gebucht. (wenn er noch leben würde) 😀