Ex-unga­ri­scher HoD: Homo­se­xua­li­tät ist noch immer ein Stigma

Wie euro­voix berich­tet, inter­view­te der ehe­ma­li­ge tsche­chi­sche Dele­ga­ti­ons­lei­ter Jan Bors in der aktu­el­len Aus­ga­be sei­ner You­tube-Rei­he Humans of Euro­vi­si­on sei­nen frü­he­ren unga­ri­schen Euro­vi­si­ons­kol­le­gen Lörinc Bubnó, der seit 2016 die magya­ri­sche Grand-Prix-Teil­nah­me ver­ant­wor­te­te. In dem rund ein­stün­di­gen Gespräch ging es unter ande­rem auch um die Grün­de für den Aus­stieg des unter sei­nem Prä­si­den­ten Vik­tor Orbán zuneh­mend ins rechts­kon­ser­va­tiv-natio­na­lis­ti­sche abge­drif­te­ten Lan­des beim Euro­vi­si­on Song Con­test. Bubnó, der zum Zeit­punkt der letz­ten Teil­nah­me der Papri­ka­na­ti­on in Tel Aviv bereits sei­nen Rück­zug vom Pos­ten des HoD ver­kün­det hat­te und in die Ent­schei­dungs­fin­dung des Sen­ders MTV nicht ein­ge­bun­den war, nann­te hier­für – neben der hohen finan­zi­el­len Belas­tung – spe­ku­la­tiv auch das Unbe­ha­gen gro­ßer Bevöl­ke­rungs­tei­le mit dem quee­ren Aspekt der euro­päi­schen Lie­der­fest­spie­le. “Ich glau­be, die Ungarn brau­chen noch Zeit, um sich [im glei­chen Maße] wie West­eu­ro­pa auf die LGBTQ+-Community ein­zu­stel­len und sie zu akzep­tie­ren,” sag­te der aus­ge­bil­de­te klas­si­sche Musi­ker, nicht ohne klar­zu­stel­len, dass das nicht für ihn per­sön­lich und die meis­ten Men­schen in sei­nem Alter gilt. Gera­de bei der älte­ren Gene­ra­ti­on und im länd­lich gepräg­ten Raum sei Homo­se­xua­li­tät aber nach wie vor ein “Stig­ma” und ein “gro­ßes Thema”.

Das hoch­in­ter­es­san­te Inter­view mit Lörinc Bubnó. Der LGBTQ+-Part fängt hier an.

Dies betrifft nach sei­ner Ein­schät­zung nicht nur Ungarn, son­dern sämt­li­che post­so­zia­lis­ti­schen Natio­nen. “Ich bin da nicht sehr opti­mis­tisch: ich fürch­te, wir brau­chen noch ein paar Gene­ra­tio­nen, bis sich das aus­ba­lan­ciert hat”. Ungarn nimmt seit 2020 nicht mehr am Euro­vi­si­on Song Con­test teil, auch für die­ses Jahr gab es bereits eine Absa­ge, ohne dass der Sen­der jedoch eine offi­zi­el­le Begrün­dung dafür lie­fer­te. Das frü­he­re Vor­ent­schei­dungs­for­mat A Dal fin­det hin­ge­gen nach wie vor statt, dient aber nicht mehr zur Aus­wahl des Grand-Prix-Bei­trags, son­dern läuft sen­der­seits unter dem Stich­wort “För­de­rung ein­hei­mi­scher Kul­tur”. Nach Bubnós Ein­schät­zung beruh­te sowohl der Tri­umph der magya­ri­schen Metal­band AWS beim A Dal 2018 als auch der zwei­ma­li­ge Sieg des Roma Joci Papái in den Jah­ren 2017 und 2019 auf dem star­ken Zusam­men­halt der jewei­li­gen Min­der­heit. Gera­de Papái sei vor­her wei­test­ge­hend unbe­kannt gewe­sen, habe aber mas­si­ve Unter­stüt­zung aus der in Ungarn stark dis­kri­mi­nier­ten Volks­grup­pe der Roma erhal­ten. Und auch Metal-Anhän­ger, deren Lieb­lings­mu­sik im Main­stream nicht vor­kommt, sind für ihre abstim­mungs­star­ke Fan­ba­se bekannt. Inso­fern könn­te die Befürch­tung, als nächs­tes von quee­ren Fans unter­wan­dert zu wer­den, mit eine Rol­le für den Rück­zug des Sen­ders vom ESC gespielt haben.

Berührt das Herz: Joci Papái, zwei­fa­cher Ver­tre­ter Ungarns beim Grand Prix.

Bubnó, der ursprüng­lich vom Radio kam und zu Beginn sei­ner Auf­ga­be als unga­ri­scher Dele­ga­ti­ons­lei­ter nach eige­ner Aus­sa­ge kei­ne Berüh­rungs­punk­te zum Euro­vi­si­on Song Con­test besaß, gab im Inter­view zu, vor der Über­nah­me des Jobs erheb­li­che Vor­be­hal­te gegen den Grand Prix gehabt zu haben. “Die Musik dort ist furcht­bar,” sei ein noch heu­te weit ver­brei­te­tes Kli­schee, dem auch er ange­han­gen habe. Erst bei nähe­rer Beschäf­ti­gung mit dem Wett­be­werb habe er fest­ge­stellt, dass sich unter den jähr­lich rund 40 Lie­dern zwar natür­lich auch sol­che befän­den, die man musi­ka­lisch oder in Sachen Pro­duk­ti­on kri­ti­sie­ren kön­ne. Aber eben auch “eine Men­ge rich­tig guter Songs”. So wür­de er sich bei einer Rück­kehr des Lan­des zum Grand Prix für den natio­na­len Vor­ent­scheid wün­schen, dass der Sen­der Geld in eine Image­kam­pa­gne bei den Künstler:innen inves­tiert, um vor­han­de­ne Vor­be­hal­te abzu­bau­en. Auch müs­se die Vor­macht­stel­lung der natio­na­len Jury bei A Dal zuguns­ten einer inter­na­tio­na­len Abstim­mung über den magya­ri­schen Bei­trag gebro­chen wer­den, wenn man Erfolg beim Wett­be­werb wol­le. Er befür­wor­tet aber wei­ter­hin, wie zu sei­nen A‑Dal-Zei­ten, auf hei­mi­sche Sin­ger-Song­wri­ter zu set­zen, die ihre eige­nen Lie­der mit­brin­gen, anstatt ein­fach inter­na­tio­na­le Kom­po­nis­ten­teams und Sänger:innen zusam­men­zu­brin­gen (wie es bei­spiels­wei­se Deutsch­land ger­ne macht).

Auf jeden Fall authen­tisch: AWS beim ESC 2018.

1 Comment

  • Sehr bedau­er­lich! Aber wes­halb nimmt Polen dann noch beim ESC teil? Nicht, dass ich mir wün­schen wür­de, dass Polen aus­steigt, aber da ist es unter Duda genau das­sel­be. Zudem sind Polen und Ungarn Bluts­brü­der. Die müss­ten sich doch bei sowas einig sein.

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