“Ich habe beschlossen, nicht an der Eurovision im nächsten Jahr teilzunehmen”! Per Instagram machte Ben Dolic heute Schluss mit dem Song Contest. Ursprünglich ausgesucht, Deutschland 2020 beim europäischen Wettsingen in Rotterdam mit der für heimische Grand-Prix-Verhältnisse erstaunlich guten Popnummer ‘Violent Thing’ zu vertreten, begann für den gebürtigen Slowenen nach der coronabedingten Absage der Veranstaltung im März diesen Jahres eine quälende Zeit der Ungewissheit. Anders als viele konkurrierende Nationen, die ihre:n Repräsentant:in ebenfalls intern bestimmt hatten und sich umgehend bemühten, klarzustellen, dass sie mit dieser_m selbstverständlich auch 2021 ins Rennen gehen, gab es aus Hamburg erstmal das, was wir vom NDR seit jeher kennen: beredtes Schweigen nämlich. Erst im Hochsommer gab der deutsche Sender seine ein wenig schofelige Entscheidung bekannt, dass Ben nicht automatisch gesetzt sei, sondern sich wie alle anderen erneut bewerben müsse. Was er wohl auch tat: so nahm er im August am Black Sea Eurovision Songwriting Camp teil, bei dem neue potentielle Beiträge für seine bulgarische Kollegin Victoria Georgieva entstehen sollten, die – wie Dolic – beim Vielfachkomponisten Boris Milanov unter Vertrag steht, anders als Ben aber von ihrem Sender eine fixe Zusage für 2021 bekam.
It’s the Safety Dance: Ben & die Mindestabstands-Tänzer:innen beim Deutschen Finale 2020 in der Elphi.
Ob am Schwarzen Meer auch ein guter neuer Song für den falsettstimmigen 23jährigen abfiel und wie weit er damit beim sich derzeit auf der Zielgeraden befindlichen deutschen Auswahlprozess für 2021 kam – man weiß es nicht, man kann es nur vermuten. Der Wortlaut seines Postings legt jedenfalls nahe, dass er freiwillig ausstieg, noch bevor er hätte rausfliegen können. Ben: “Es war eine harte und schwierig zu treffende Entscheidung, aber die richtige für diesen Moment. Meine Karriere hat eine andere Richtung eingeschlagen, ich bin als Künstler so sehr gewachsen und es gibt noch so viel mehr, was ich erreichen möchte”. Dabei von Herzen viel Glück – begleitet von der stillen Trauer um die verpasste Chance.
Eigentlich sollte es mir egal sein. Für mich ist die deutsche Beitragsauswahl schon seit Jahren die uninteressanteste Entscheidung der ganzen Saison, weil man als Deutscher eh nicht dafür abstimmen kann und ich es ja selbst schon mal erlebt habe, dass Deutschland den ESC gewinnt. Das muss nicht mehr sein. Es sei denn, er findet im Jahr darauf in Stuttgart vor meiner Haustür statt. Ich will das endlich mal live erleben und nicht Kilometer weit reisen…ich schweife ab.
Meiner Meinung nach hätte er es als intern ausgewählter Kandidat verdient gehabt, nochmal für Deutschland antreten zu dürfen. Aber der NDR wollte das Glücksrad wieder neu drehen. Und dazu kommt, dass die meisten Leute in Deutschland (sofern sie sich dafür nur halbwegs interessieren) ganz froh seien dürften. Hierzulande kamen er und sein Beitrag ja nicht so gut an. Ich weiß, dass dies im Kontext des ESCs, wo man ja nur von den anderen Ländern Punkte bekommt, nicht reinpasst. Aber die Einschaltquote ist auch wichtig. Habe schon manche wütenden Kommentare gelesen von Leuten, die sich fragen, warum sie überhaupt noch als Rundfunkbeitragszahler die deutsche Teilnahme am ESC finanzieren sollen, wenn am Ende nicht sie bestimmen dürfen, wer für uns ins Rennen geht. Und wenn man den heimischen Leuten, die sich so halbwegs für den ESC interessieren, den deutschen Beitrag nicht schmackhaft macht, schalten diese sicher nicht ein. Deshalb ist die bevorstehende interne Auswahl für 2021 problematisch. Daher hoffe ich auf einen guten, deutschsprachigen deutschen Beitrag. Nochmal, ich hoffe es, wünschen tue ich mir es nicht zwingend, aber das würde wenigstens die Landsleute etwas zufriedener stellen.
Ben wünsche ich jedenfalls alles Gute für seinen weiteren Weg. Vielleicht muss er auch einfach noch etwas reifen und dann über sich selbst hinauswachsen. Die EMA in Slowenien könnte ihn in den kommenden Jahren sicher gut gebrauchen.