Melo­di Grand Prix 2021: Not sure what you ever saw in me

Sechs direkt für die gest­ri­ge End­run­de gesetz­te Teilnehmer:innen, fünf Vor­run­den mit jeweils vier Konkurrent:innen, drei Abstim­mungs­run­den im Fina­le, zwei Gull­fi­nal-Duel­lis­ten und eine Second-Chan­ce-Run­de: das bereits 2020 anläss­lich des sech­zig­jäh­ri­gen Bestehens der nor­we­gi­schen Vor­ent­schei­dung Melo­di Grand Prix (MGP) mas­siv auf­ge­bla­se­ne For­mat erfuhr in die­sem Jahr eine zusätz­li­che Aus­wei­tung. Und wofür der gan­ze Auf­wand? In den Vor­run­den flo­gen regel­mä­ßig die weni­gen inter­es­san­ten Acts her­aus, sei­en es der offen schwu­le Care-Bare-Rap­per Big Dad­dy Kars­ten oder die Abrisspar­ty fei­ern­den Land­ei­er TuVeia. Bei der ver­gan­ge­nen Mon­tag als Radio­show mit Live­über­tra­gung im Netz ver­an­stal­te­ten Sis­tes­jan­sen stell­te man alle 15 bereits aus­ge­schie­de­nen Bei­trä­ge noch­mals zur Wahl, was einer­seits für einen wirk­lich hoch­ver­gnüg­li­chen Wochen­start sorg­te. Aller­dings ver­gab man nur an einen von ihnen die begehr­te Wild­card für das Fina­le und ließ so die Fans der ande­ren 14 Konkurrent:innen gleich ein zwei­tes Mal in tie­fer Ent­täu­schung zurück.

Viel Lärm um Nichts: über zwei­ein­halb Stun­den dau­er­te das MGP-Fina­le 2021.

Zumin­dest durf­ten dies­mal die Zuschauer:innen in allen Shows allei­ne abstim­men, und so nimmt es wenig Wun­der, dass sich in die­ser Run­de der 52jährige Rock-Opi Jørn Lan­de mit sei­nem melo­di­schen Metal-Schla­ger ‘Faith bloo­dy Faith’ durch­setz­te. Schließ­lich sind Hard­rock­fans für ihre Anruf­stär­ke gefürch­tet. Auch im gest­ri­gen Fina­le konn­ten sich die ker­ni­gen Ker­le und ihr hut­ze­li­ger Front­mann auf ihre Anhänger:innen ver­las­sen, zumin­dest in der ers­ten Abstim­mungs­run­de. Gemein­sam mit dem Elek­tro-Blech­blä­ser-Trio Blå­se­ma­fi­an, gegen wel­ches die Hard­ro­cker im ers­ten Semi noch den Kür­ze­ren zogen, kamen sie wei­ter ins Sil­ber­fi­na­le und tra­fen dort auf die fix gesetz­ten Fina­lis­ten Kei­i­no und Tix, deren Publi­kums­pre­mie­re iro­ni­scher­wei­se eben­falls im ers­ten Semi statt­fand. Zumin­dest die rest­li­chen vier Sams­tag­aben­de hät­te sich NRK also im Prin­zip kom­plett schen­ken kön­nen. Streng­ge­nom­men sogar alle fünf, denn ins abschlie­ßen­de Gold­fi­na­le gelang­ten dann nur noch die bei­den Letztgenannten.

Schon ein pracht­vol­ler Anblick: Jorn-Gitar­rist Tore Moren, Bas­sist Sid Rings­by und Drum­mer Fran­ces­co Jovi­no. Und “God ver­sus God ver­sus Earth ver­sus Life” ist lei­der eine ver­dammt gute Hookline.

Und nun galt das noch vom letz­ten statt­ge­fun­de­nen Euro­vi­si­on Song Con­test in 2019 als dama­li­ge Publi­kums­sie­ger bekann­te Pop­schla­ger-trifft-Joik-Trio Kei­i­no eigent­lich als von vor­ne­her­ein fel­sen­fest siche­rer Favo­rit, zumal die Ver­öf­fent­li­chung ihres epi­schen aktu­el­len Wett­be­werbs­bei­trags ‘Monu­ment’ vor gut einem Monat von ver­zück­ten Grand-Prix-Fans euro­pa­weit gefei­ert wur­de wie die zwei­te Erschei­nung des Erlö­sers. Aller­dings wirkt die­ser gegen ihren dama­li­gen Song ‘Spi­rit in the Sky’ weni­ger fröh­lich und spie­le­risch, so als hät­ten die Drei ihren natür­li­cher­wei­se eher unbe­schwer­ten Stil eigens für die Jurys mit dun­kel wabern­der Schwer­mut ange­rei­chert, damit ihnen eine der­ar­ti­ge Unge­rech­tig­keit wie in Tel Aviv nicht noch ein­mal zustößt. Ob es dar­an lag oder ob die Norweger:innen schlicht­weg die Nase voll hat­ten von guten Plat­zie­run­gen beim euro­päi­schen Gesangs­wett­be­werb? Man weiß es nicht.

Woll­ten sich selbst ein Denk­mal set­zen: Keiino.

Fakt ist: sie stimm­ten mit knapp ein­hun­dert­tau­send Stim­men Vor­sprung (!) für den 28jährigen Andre­as Hau­keland, einen unter dem Tour­et­te-Syn­drom lei­den­den und damit vor­bild­lich offen umge­hen­den Sän­ger mit mit­tel­ge­schei­tel­tem, unge­wa­schen aus­se­hen­den Zot­tel­haar und mit dem eige­nen, sich aus sei­nen krank­heits­b­ding­ten Ticks ablei­ten­den Künst­ler­na­men bestick­ten Kopf­band. Der ver­dien­te sein Geld in der Ver­gan­gen­heit mit lyrisch frag­wür­di­gen Abrisspar­ty-Songs für hor­mon­ge­steu­er­te Abitu­ri­en­ten, schwenk­te aber nun zu per­sön­li­che­ren Titeln um und genießt seit­her im Lan­de hohe Sym­pa­thie­wer­te. Sei­nen im Semi noch in Lan­des­spra­che als ‘Ut av Mør­ket’ (‘Aus der Dun­kel­heit’) dar­ge­bo­te­nen, auto­bio­gra­fi­schen Bei­trag sang er im Fina­le auf eng­lisch, und dabei soll es wohl auch in Rot­ter­dam blei­ben. Musi­ka­lisch kann ich zu ‘Fal­len Angel’ nun lei­der über­haupt kein Urteil abge­ben, weil mein Gehör sich nach den ers­ten drei Sekun­den aus Grün­den des Selbst­schut­zes auto­ma­tisch taub schal­tet. Immer­hin: mein letz­ter Platz für 2021 steht schon mal. Hat sich ja gelohnt, NRK!

Roko hat ange­ru­fen und will sei­ne Engels­flü­gel zurück: Tix.

Vor­ent­scheid NO 2021

Melo­di Grand Prix. Sams­tag, 20. Febru­ar 2021, aus der H3 Are­na in For­ne­bu, Nor­we­gen. 12 Teilnehmer:innen. Mode­ra­ti­on: Kåre Magnus Bergh, Sil­je Nord­nes und Ron­ny Bre­de Aase.
#Inter­pre­tenSong­ti­telBron­ze­fi­na­leSil­ber­fi­na­leAnru­fePlatz
01Atle Pet­ter­senWorld on Firex---
02Ray­leeHerox---
03Sta­vang­er­ka­me­ra­te­neWho I amx---
04KiimMy lonely Voicex--
05Blå­se­ma­fi­an + HazelLet loo­seQx-
06EmmyWitch Woodsx---
07TixFal­len AngelQQ380.03301
08Kaja RodeFeel againx---
09Rein Alex­an­derEyes wide openx---
10ImE­ri­kaI can’t escapex---
11Kei­i­noMonu­mentQQ281.04302
12JornFaith bloo­dy FaithQx--

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9 Comments

  • Ich fin­de den letzt­end­li­chen Bei­trag ganz in Ord­nung, aber mei­ne Anru­fe wür­de ich dafür jetzt auch nicht ver­schwen­den. War­um der gute Herr den Bei­trag nicht schon im Semi auf Eng­lisch vor­stell­te, bleibt mir ein Rät­sel. Wobei ich das Lied lie­ber auf Lan­des­spra­che gehabt hät­te. Ich wür­de aber trotz­dem ger­ne wis­sen, wie er es schaf­fen konn­te, sich gegen KEi­i­NO durch­zu­set­zen. War es sei­ne bereits im Arti­kel ange­spro­che­ne Bekannt­heit? War es sei­ne bis­he­ri­ge Lebens­ge­schich­te, die alle so berüh­rend fan­den? Oder wol­len die Nor­we­ger ein­fach nicht um den Sieg mit­spie­len? Es bleibt wohl das größ­te Mys­te­ri­um die­ser Vorentscheids-Saison.

  • Naja, sooo schei­ße ist die Num­mer jetzt nun auch nicht. Aber trotz­dem wäre ein Kle­ben­blei­ben im semi alles ande­re als überraschend.
    Kei­i­no hät­ten mit ihrem müden Auf­guss ihres Erfolgs­ti­tel in Rot­ter­dam übri­gens auch nur einen ganz klei­nen Blu­men­topf geholt.

  • Hal­lo zusam­men, ich woll­te schon seit Jah­ren auf die­ser her­vor­ra­gen­den Sei­te mit­kom­men­tie­ren und neh­me nun den. Sehr guten MGP zum Anlass.
    @ESClucas98: die Sache ist lei­der sehr ein­fach. TIX ist schon seit meh­re­ren Jah­ren einer der erfolg­reichs­ten natio­na­len Acts in Nor­we­gen und hat­te dort schon 4 Nr1-Hits. Das wäre unge­fähr so als wür­den sich bei uns Apache207 oder Bau­sa in einen Vor­ent­scheid stel­len, da wür­de deren Fan­ba­sis dann auch dafür sor­gen, dass sie gewin­nen (Gott bewah­re), wäh­rend der Rest der Repu­blik es nicht ver­ste­hen würde.
    Ich für mei­nen Teil fand übri­gens die nor­we­gi­sche Ver­si­on sogar sehr gut, vor allem wenn man sei­nen Hin­ter­grund (Tour­ett) mit ein­be­zieht. Durch die eng­li­sche Holz­ham­mer-Über­set­zung ist aber jeg­li­che Ori­gi­na­li­tät ver­lo­ren gegan­gen. Der Betrei­ber die­ser Web­site hört es nicht ger­ne, aber wenn es eine Lan­des­spra­chen­bo­nus Pflicht gäbe, wäre der Bei­trag bei mei­nen Favo­ri­ten dabei, so bleibt nur ein scha­les 90er-Jah­re Boy­band-Pop­li­ed übrig, dass für alle Nicht-Nor­we­ger, die ihn nicht ken­nen ein­fach nur affig vor­ge­tra­gen wird.
    Noch ein Wort an den Sei­ten­in­ha­ber: Seit Jah­ren lie­be ich die­se Sei­te. Du schreibst mit einer teil­wei­sen umwer­fen­den Iro­nie genau das was ich den­ke, auch über die vie­len ver­gan­ge­nen ESCs, so dass ich manch­mal Trä­nen vor Lachen in den Augen habe. Und auch wenn ich manch­mal ande­rer Mei­nung bin (Geschmä­cker sind halt ver­schie­den) kann ich nur sagen…weiter so.???

  • Was den Sie­ger­ti­tel angeht: Net­te Show, kann man sich angu­cken. Was das Hören des nor­we­gi­schen Bei­trags angeht, fin­de ich ihn eher ver­ges­sens­wert. Oder sagen wir mal, es stört jetzt nicht, aber man braucht es auch nicht.
    Kei­i­no wäre mir lie­ber gewe­sen. Vor allem, weil ein Auf Wie­der­wich­sen mit Tom Hugo ganz in mei­nem Sin­ne gewe­sen wäre.

  • @Gerd Geo­max
    Ja genau. Mein Kom­men­tar war ein typi­scher Fall von “Zuerst geschrie­ben und dann erst recher­chiert”. Schein­bar hat der gute Andre­as sei­ne Fans über Insta­gram noch­mal rich­tig schön mobi­li­siert, um für ihn zu stim­men. Und das sind in Nor­we­gen in der Tat sehr vie­le. Und ich den­ke mal, dass die Wahl von TIX in Nor­we­gen für wenig böses Blut gesorgt hat. Halt nur in Rest-Euro­pa. Und das ist das Fata­le dar­an. Auch wenn ich nach wie vor nicht aus­schlie­ßen möch­te, dass Poten­zi­al da ist, das Halb­fi­na­le zu überstehen.

  • Was für eine Schan­de! Für mich waren bis ges­tern Kei­i­no Anwär­ter auf den inter­na­tio­na­len Sieg. Ich ver­zei­he nicht, dass die­se Grup­pe mit dem (schmacht) bild­schö­nen Tom Hugo (den ich ganz sicher nicht auf dem Bett­vor­le­ger erfrie­ren las­sen wür­de) kalt­ge­stellt wur­de. Der vier­te Sieg Nor­we­gens wird wohl noch war­ten müs­sen. Klei­ner Trost: Die Litau­er haben es ver­dient, auch mal zu gewinnen.

  • Na Gott sei Dank, dann ist ja ein Hass­bei­trag von mir weni­ger in Rot­ter­dam. Fal­len Angel fin­de ich zwar nicht so wahn­sin­nig beson­ders, aber das Lied habe ich tau­send­mal lie­ber als Kei­i­nos pathe­ti­sche, glatt­ge­bü­gel­te Möch­te­gern­hym­ne! Ich bedan­ke mich bei den nor­we­gi­schen Zuschau­ern für die­se Wahl!
    PS: Das Jury­er­geb­nis von Spi­rit In The Sky fand ich voll­kom­men gerechtfertigt.

  • Was soll ich sagen: Ich fin­de “Fal­len Angel” super, es gefällt mir rich­tig gut und ja: die Per­for­mance ist “drü­ber”, aber was soll’s. “Monu­ment” hin­ge­gen ist mir zu kühl, zu kon­stru­iert, berührt mich null. Ich bin mit TIX sehr happy.

  • Ich glau­be, der For­mat­ra­dio-Schlonz ist nicht die schlech­tes­te Wahl gewe­sen. Und Kei­i­no hät­te ich gra­de in die­sem Jahr bei all den Wie­der­keh­rern des letz­ten Jah­res nicht auch noch unbe­dingt gebraucht.
    Ger­ne spä­ter noch­mal mit einem weni­ger ver­kopf­ten Titel.

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