Per­len der Vor­ent­schei­dun­gen: die tigh­te Büchse

Mit der ers­ten von vier Vor­run­den des Melo­di­fes­ti­valen begann am gest­ri­gen Super­sams­tag die hei­ße Pha­se der dies­jäh­ri­gen Vor­ent­schei­dungs­sai­son. Jeden­falls, wenn es nach der Auf­merk­sam­keit der inter­na­tio­na­len Grand-Prix-Fans geht. Inhalt­lich ist die Begeis­te­rung für den schwe­di­schen Vor­ent­scheid kaum nach­zu­voll­zie­hen: sel­ten in mei­nem Leben lang­weil­te ich mich so sehr wie ges­tern Abend bei die­ser Para­de von sie­ben glei­cher­ma­ßen grun­de­ga­len, müden Main­stream-Pop­songs, von denen mich nicht einer auch nur im Ent­fern­tes­ten erreich­te. Dem Auf­trag zur Unter­hal­tung kam als ein­zi­ger der gut­ge­bau­te Schwe­den­schnu­ckel Dan­ny Sau­ce­do in ange­mes­se­ner Wei­se nach, der für sei­ne mit­tel­mä­ßi­ge Grand-Prix-Dis­co-Num­mer ‘Dan­di dan­sa’ ein gigan­ti­sches Büh­nen­gim­mick in Form eines von meh­re­ren Büh­nen­ar­bei­tern in stän­di­ger Bewe­gung gehal­te­nen Paket­ver­teil­zen­trums auf­fah­ren ließ, in dem und um das her­um er eine mili­tä­risch durch­ge­tak­te­te Tanz­per­for­mance ablie­fer­te, so als habe er sei­nen Mas­ter auf der ukrai­ni­schen Euro­vi­si­ons­dar­bie­tungs­uni­ver­si­tät mit Sum­ma cum lau­de abge­schlos­sen. Die Mel­lo-Mode­ra­to­rin und ehe­ma­li­ge schwe­di­sche ESC-Reprä­sen­tan­tin Lena Phil­lip­son, die mit einem herr­lich selbst­iro­ni­schen Eröff­nungs­sketch für den ein­zi­gen Höhe­punkt des Abends sorg­te, bezeich­ne­te Dan­ny in einem wei­te­ren Pau­sen­über­brü­ckungs­sketch irri­tie­ren­der­wei­se als “tigh­te Büch­se”. Oder lob­te sie sei­ne “tigh­te Buch­se”? Dann natür­lich mit Recht!

Den blau­en Wol­ken-Anzug sah ich schon mal bei einer bal­ti­schen Vor­ent­schei­dung. Dan­ny steht er aber auch. Und Extra­punk­te für den Trick­kleid-Moment kurz vor Schluss.

So nahm es nicht wei­ter Wun­der, dass Dan­ny, der als klei­nen Gag den mit Edding auf die Deko gekrit­zel­ten Lie­bes­gruß an den Kon­kur­ren­ten Eric Saa­de nicht ver­gaß, als Ein­zi­ger neben der Rent­ner-Dans­band Arvin­g­ar­na direkt ins Fina­le wei­ter­zog, deren Bei­trag ‘Tän­ker inte alls gå hem’ (oder, wie das aufs Eng­li­sche geschul­te Ohr ver­stand: ‘Take it in the Ass, go home’) sich musi­ka­lisch bei den Ami­gos bedien­te und in der Dar­bie­tung bei den Herreys, und die es damit ver­stand, die Stim­men der Gene­ra­ti­on 60+ geschlos­sen auf sich zu ver­ei­nen. Raus flo­gen dafür (zu Recht) geschlos­sen alle drei ange­tre­te­nen Frau­en, dar­un­ter die ehe­ma­li­ge schwe­di­sche Ver­tre­te­rin von 2003, Jes­si­ca Anders­son, wel­che die Idee für ihr Büh­nen­out­fit scham­los bei ihrer dama­li­gen Euro­vi­si­ons­kol­le­gin Ser­tab Ere­ner klau­te. In die Andra Chan­sen ging es unter­des­sen für den schnit­ti­gen Paul Rey, der mit ‘The miss­ing Peas’ ein mehr als berech­tig­tes Kla­ge­lied über gei­zig bemes­se­ne Gemü­se­bei­la­gen anstimm­te und sei­ne opti­schen Vor­zü­ge durch eine sehr unvor­teil­haf­te Bund­fal­ten­ho­se ver­hunz­te, sowie für die müde wir­ken­de Dad­dy­rock-Band Lil­la­sys­ter, deren ‘Pre­ten­der’ wohl eine akku­ra­te Eigen­be­schrei­bung dar­stell­te. Bekannt­lich mar­kiert das dies­jäh­ri­ge Mel­lo das zwan­zigs­te Jubi­lä­um der inhalt­li­chen Rund­erneue­rung des schwe­di­schen Vor­ent­schei­dungs­for­ma­tes. Mir scheint, es ist an der Zeit für eine neu­er­li­che Generalüberholung.

Oh look, the who­le Cir­cus is in Town”: Royane.

Im Nach­bar­land Nor­we­gen, wo zeit­gleich die bereits vier­te Vor­run­de des Melo­di Grand Prix (MGP) über die Büh­ne ging, erhielt der müde Dad­dy­rock hin­ge­gen kei­ne zwei­te Chan­ce. Hier war es die “Super­grup­pe” Lan­de­vei­ens Hel­ter (nein, hat nichts mit Land­ei­ern zu tun, son­dern heißt “Hel­fer der Land­stra­ße”), ein Sam­mel­be­cken ehe­ma­li­ger Solo­künst­ler am Ende ihrer Kar­rie­re, in wel­chem auch Sti­an Thorb­jørn­sen Unter­schlupf fand, den wir noch als Teil des Duos Stays­man & Lazz vom MGP-Atzen-Kra­cher ‘En godt Stekt Piz­za’ (2015) ken­nen. Ihr schnarch­na­si­ges ‘Alt det der’, mit dem sie sowohl optisch wie musi­ka­lisch die Puh­dys wie­der auf­le­ben lie­ßen, flog jedoch zu Recht gleich im ers­ten K.-O.-Duell raus. So erging es auch der optisch wie stimm­lich ein wenig an Gwen Ste­fa­ni erin­nern­den Roya­ne Hak­ar­ti, in die­sem Fal­le lei­der. Die aus Marok­ko stam­men­de und mit neun Jah­ren nach Nor­we­gen gezo­ge­ne Sin­ger-Song­wri­te­rin ver­ar­bei­te­te im selbst­ge­schrie­be­nen ‘Cir­cus’ ihre Kind­heits­er­fah­run­gen als Teil einer chao­ti­schen Fami­lie. Lag es womög­lich an der etwas über­frach­te­ten Büh­nen­show, mit der sie alle zir­zen­si­schen Ele­men­te bedien­te, bis auf die beim Grand Prix ver­bo­te­nen Tie­re? Roya­ne zog den Kür­ze­ren gegen den Vor­run­den­ge­win­ner Kim Rune Hagen ali­as Kiim, einen ehe­ma­li­gen Cas­ting­show­teil­neh­mer und zeit­wei­li­gen Mak­ler mit schlim­mer Scham­haar­fri­sur und sei­ne uner­träg­lich win­seln­de Sülz­bal­la­de ‘My lonely Voice’.

Will die Welt bren­nen sehen: Atlas Pet­ter­sen, der mit dem Knick im Ständer.

Viel­leicht befand das abstim­mungs­be­rech­tig­te Publi­kum ja auch, dass gerech­ter sei, das krei­schen­de Ei ins ohne­hin aus­sichts­lo­se Ren­nen gegen Kei­i­no zu schi­cken, die bekannt­lich bereits fix fürs Fina­le gesetzt sind, eben­so wie der ges­tern vor­ge­stell­te Eric-Saa­de-Imi­ta­tor Atle Pet­ter­sen. So oder so war die­ser Abend eine ein­zi­ge Zeitverschwendung.

5 Comments

  • Mich hat jetzt zwar die ers­te Mel­lo-Run­de auch nicht aus dem Hocker gehau­en, aber die Schwe­den haben ges­tern Abend fast alles rich­tig gemacht. Dass die ein­zi­gen bei­den schwe­di­schen Bei­trä­ge direkt ins Fina­le gewählt wur­den, hat mich fast kom­plett aus­ras­ten las­sen (im posi­ti­ven Sin­ne wohl­ge­merkt). Aber auch so fin­de ich die Bei­trä­ge von Dan­ny und Arvin­g­ar­na toll, auch wenn sie nicht um den Sieg beim Mel­lo mit­spie­len wer­den. Ein­zig die Wahl von Paul Rey in die AC fin­de ich etwas selt­sam, da ich eigent­lich fest davon aus­ging, dass ent­we­der Kadia­tou oder die Vete­ra­nin Jes­si­ca Anders­son sich da rein­ret­ten. Ich bin sehr gespannt auf die kom­men­den drei Run­den, vor allem wegen den Namen. Viel­leicht schaf­fen es die Schwe­den, ein sehr schö­nes Mel­lo-Fina­le zusam­men­zu­wäh­len. Dazu gehört, dass Lil­la­sys­ter es noch über die AC ins Fina­le schaffen.

  • Das ist alles lei­der alles sehr rich­tig beschrie­ben. Musi­ka­lisch war das alles unend­lich belang­los und ver­ges­sens­wert. Lang­wei­li­ge Songs und dann auch noch nicht mal beson­ders auf­wän­dig pro­du­ziert um die Ödnis zu über­tün­chen… Haben die Schwe­den ihren „magic touch“ in Sachen Pop­mu­sik verloren?

  • Ich bin ja gespannt, was die Schwe­den in Zukunft zum Grand Prix schi­cken, wo doch in Zukunft in der EU über­flüs­si­ge Plas­tik­pro­duk­te ver­bo­ten sind.

    In Nor­we­gen moch­te ich zumin­dest die Mode­ra­to­ren. Und ich gebe zu: auch das Lied und die Stim­me von dem wirk­lich schlimm aus­schau­en­den Makler.

  • Ich fürch­te lei­der, dass der Auf­tritt von Sau­ce­do, den Sie hier ver­linkt haben, frü­her oder spä­ter von SVT ent­fernt wird, da ja bei den DTF-Bei­trä­gen eigent­lich ein Upload-Embar­go bis zum Ende des vier­ten Del­tä­v­lings gilt und schon man­che “Dan­di Dansa”-Videos run­ter­ge­wor­fen wur­den. Ich drü­cke die Dau­men, dass es bei dem Video nicht der Fall sein wird!

  • Ja, das wird sicher so sein. Es war halt nur lei­der der ein­zi­ge sehens­wer­te Auf­tritt des Abends. Daher wird der auch, wenn er gelöscht wird, als Platz­hal­ter bis nach dem Mel­lo-Fina­le hier stehenbleiben.

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