Das Patriarchat regiert mit eiserner Faust beim Eesti Laul: im ersten Semi des estnischen Vorentscheids 2021 fielen heute Abend ausnahmslos alle angetretenen Frauen gnadenlos durch, ins Finale kamen nur Männer weiter. Nun befanden sich unter ihnen mit den früheren Teilnehmern Koit Toome (der seine Sülzballade sehr unpassend in einer legeren Jeansjacke vortrug) und dem schätzungsweise 75jährigen Heiner-Bremer-Double Ivo Linna zwar zwei sehr bekannte Namen. Doch auch Tatjana Mihhailova-Saar (unter Freunden: Tanja), die Vertreterin von 2014, versuchte es erneut – und scheiterte gnadenlos. Dabei konnte ihr durch und durch belangloses, fröhliches Popschlagerchen ‘Best Night ever’ zumindest mit einer hübschen Hairography aufwarten sowie mit fabelhaften, einheitlichen Glitzerkleidern für sie und ihre vier Tänzerinnen, die davon Zeugnis ablegten, dass es auf Stoff wohl Mengenrabatt gab. Nun wäre ihre aufgetriedelte Junggesellinnenabschiedsparty für sich alleine genommen im Prinzip nicht weiter der Rede wert. Doch das galt letztlich für alle zwölf Beiträge dieser Vorrunde gleichermaßen, unter denen sich nicht ein einziger befand, der irgendeinen nachhaltigen Eindruck hinterlassen hätte. Um so frappierender also, dass offenbar einzig die Geschlechtszugehörigkeit über das Weiterkommen in die Endrunde entschied.
Kinky: für die Sex-Party danach hat Tanja schon mal das Ledergeschirr druntergezogen.
Woran noch nicht mal das Vorrunden-Aus der nach einem surrealistischen estnischen Maler des zwanzigsten Jahrhunderts benannte Country-Band Wiiralt etwas ändert, der einzigen Penisbesitzer, welche dieses Schicksal mit den Damen teilten. Und das, obwohl sich ihr Leadsänger im Vorstellungsfilm extra noch ein (echtes!) Tattoo stechen ließ, während er irgendetwas erzählte, um besonders hart und maskulin herüberzukommen. Ein memorabler Augenblick, den auch der optisch leider ein wenig an den CDU-Politiker Philipp Amthor erinnernde Eesti-Laul-Moderator Tõnis Niinemets beim Green-Room-Interview mit der Band durch die Aufbringung eines Aufklebe-Tattoos aufgriff. Wobei dies erst zum Schluss richtig herauskristallisierte, was er da machte, und man lange glauben konnte, der Wiiralt-Frontmann sei für einen zufälligen Drogentest ausgewählt worden oder solle seine Corona-Impfung erhalten. Was im übrigen keine schlechte Idee gewesen wäre, denn bis auf die anwesenden Juror:innen, die immerhin Masken trugen, allerdings ebenso dicht an dicht saßen wie alle Anderen, gab niemand in der Saku Suurhall einen Pfifferling auf Mindestabstände, Mikrofon-Spuckschutz oder sonstige Seuchenschutzmaßnahmen. Und obschon Wiiralts in der Landessprache dargebotener Country-Rocksong ‘Tuuled’ nun auch nicht schlechter war als alles andere an diesem Abend, begingen sie einen Kardinalfehler: in ihrer Band spielte neben lauter Herren auch eine einzelne Frau. Damit war ihr Schicksal wohl besiegelt.
Texas Lightning haben angerufen und wollen ihre Leuchtkakteen zurück: Wiiralt.