Ukrai­ne 2021: They can­not stop the Spring

Einen ritu­el­len Freu­den­tanz zur Begrü­ßung des Früh­lings beschert uns das ukrai­ni­sche Quar­tett Go_A beim Euro­vi­si­on Song Con­test. ‘Shum’ heißt der unlängst sen­der­in­tern von einer fünf­köp­fi­gen Jury (dar­un­ter Jama­la) unter drei Lied­vor­schlä­gen aus­ge­wähl­te und heu­te offi­zi­ell als Bei­trag des Lan­des für Rot­ter­dam prä­sen­tier­te Titel, was sich wört­lich mit ‘Der Krach’ über­setzt. Als sol­chen könn­te der Eine oder Ande­re die Num­mer auch emp­fin­den, denn wie schon im Vor­jahr griff die Elek­tro­folk-Kapel­le für ihren bereits im Janu­ar ver­öf­fent­lich­ten Song auf all die Ele­men­te zurück, die ihren eigen­wil­li­gen Stil kenn­zeich­nen. Näm­lich den mono­to­nen wei­ßen Gesang, tra­di­tio­nel­le Instru­men­te wie die Flö­te und die Maul­trom­mel sowie bizar­re Eth­no-Sounds, ver­bun­den mit düs­ter wabern­den Syn­thie-Flä­chen und einem trei­ben­dem Beat. Und so klingt ‘Shum’ für das west­li­che Ohr zunächst womög­lich eher aggres­siv als freud­voll, zumal sich die Front­frau Katery­na Pav­len­ko gleich zwei­mal wäh­rend der aktu­ell noch knapp vier Minu­ten Lied­län­ge stimm­lich in die Höhe und Laut­stär­ke eines lang­an­hal­ten­den, schril­len Sire­nen­warn­tons schraubt, wie er vor einem Bom­ben­an­griff war­nen soll. Den­noch besteht kein Anlass zur Flucht in den nächst­ge­le­ge­nen Luftschutzbunker.

Ja, es sieht aus, als sei gera­de mal wie­der ein Atom­kraft­werk hoch­ge­gan­gen: Go_A begrü­ßen den Früh­ling in Tschernobyl.

Denn inhalt­lich hei­ßen die Ukrainer:innen mit ihrem Bei­trag tat­säch­lich die hoff­nungs­spen­de Jah­res­zeit will­kom­men. Schon die leicht mit­singba­re, man­tra­ar­ti­ge Hook­li­ne “Siyu-viyu, siyu-viyu kon­o­pelech­ky / Siyu-viyu, siyu-viyu zel­e­ne­senʹky” weist den Weg, ist doch hier die Rede davon, Hanf­sa­men aus­zu­sä­en, was natür­lich auch die Freun­de der THC-hal­ti­gen Vari­an­te die­ser viel­sei­ti­gen, tra­di­ti­ons­rei­chen Nutz­pflan­ze auf­hor­chen lässt. Wobei: für Kif­fer hat die Num­mer zu viel Schub, stei­gert sich das Tem­po vom anfäng­lich eher noch Mode­ra­ten über das Lied hin­weg in meh­re­ren Stu­fen (und kon­ter­ka­riert von meh­re­ren E‑Gi­tar­ren-las­ti­gen Breaks) schließ­lich bis ins Tech­no­ide. Mal schau­en, was von der viel­schich­ti­gen Ver­spielt­heit der Num­mer nach der lei­der not­wen­di­gen Kür­zung auf grand-prix-kon­for­me drei Minu­ten noch übrig bleibt. Im März erst soll die ESC-Fas­sung prä­sen­tiert wer­den. Zumin­dest bis dahin dürf­te sich der ukrai­ni­sche Bei­trag ein ste­ti­ges Kopf-an-Kopf-Ren­nen mit dem vor­aus­sicht­li­chen litaui­schen um die Spit­zen­po­si­ti­on in mei­ner ESC-2021-Hit­lis­te liefern.

Mit dem fan­tas­ti­schen ‘Solovey’ gewan­nen Go_A letz­tes Jahr die Vid­bir und zähl­ten zu Recht mit zu den Favo­ri­ten. Mit ihrem aktu­el­len Bei­trag wer­den sie die­ser Rol­le erneut gerecht.

13 Comments

  • Ach ja, der Dop­pel­herz-Korb von der Vid­bir 2020. Unver­gess­li­ches Bild!

    Was soll ich sagen? Es ist genau so gut wie “Solovey”, auch wenn ich fürch­te, dass es dem Lied nicht gut tun wird, auf drei Minu­ten zusam­men­ge­staucht zu wer­den. Gera­de die­ses Lied lebt davon, dass es sich über knapp 4 1/2 Minu­ten aus­brei­tet und einem genug Luft zum Durch­at­men gibt. Genie­ßen wir es, solan­ge man es sich noch anhö­ren kann. Wer braucht schon nen Dro­gen­trip, wenn er die­ses Lied haben kann 🙂 ?

  • Da hat sich der Wer­be­ein­satz gelohnt . Man­cher wird viel Dop­pel­herz trin­ken müs­sen, um den Song zu ertra­gen. Und wer weiß, viel­leicht ist Shum auch unter einer Über­do­sis Doppelherz
    im “Dschumm” entstanden.

  • Groß­ar­tig. Gefällt mir fast noch bes­ser als Solovey. Und wegen der Kür­zung mach ich mir auch kei­ne Sor­gen. Die krie­gen das hin.

  • Die wei­ße Gesangs­höl­le… ich emp­fin­de das nur als ganz schreck­lich nervtötend.

  • Kann man für Go‑A nicht die 3Min. Gren­ze aussetzen?
    Ich könnt mir das auch 10 Minu­ten anhören
    Der Break bei 1:10 mit der Maul­trom­mel und den Beats.…Hammer!
    Möch­te die mal Live sehn, das muss man unbe­dingt laut hörn.

  • Ja, groß­ar­tig, zeitgemäß.Bin auch für Son­der­ge­neh­mi­gung bezüg­lich der Länge.

  • In ukrai­ni­schen TV-Shows wer­den halt die Geschenk­kör­be mit den bes­ten Inhal­ten ver­teilt. Die können’s einfach.

    Zum aktu­el­len Song: Bin see­ehr zufrie­den. Grund­sätz­lich. Wie sich die Kür­zung aus­wirkt, weiß ich natür­lich noch nicht. Eine Opti­on könn­te sicher­lich sein, Gesangs­an­teil zu Guns­ten von Instru­men­tal­parts zu kür­zen. Aber wir wer­den sehen.

  • Hm, da möch­te ich erst­mal die offi­zi­el­le ESC-Ver­si­on abwar­ten. Prin­zi­pi­ell sind mir sol­che Gen­res zwecks musi­ka­li­scher Viel­falt herz­lich will­kom­men, aber beson­ders in der letz­ten Minu­te klingt das Stück ziem­lich mono­ton und nervig.

    Ich wer­te vor­läu­fig mit 5/10.

  • Die Per­for­mance im Video­clip erfüllt neben­bei die Coro­na-Hygie­ne­re­geln perfekt…

    Die Maul­trom­mel ist mir auch auf­ge­fal­len. Hat sicher­lich noch Poten­ti­al für mei­ne bes­se­re Hälf­te, dann aber eher “gut” als “exzel­lent”.

  • Was das The­ma der Lied­län­ge und Kür­zungs­po­ten­tia­le angeht, aber auch den Divi­siv­ness-Fak­tor, erin­nert mich ‘Shum’ übri­gens an einen ande­ren ESC-Lieb­lings­ti­tel von mir, näm­lich ‘Suus’. Der war im Ori­gi­nal ja auch mehr als eine Minu­te län­ger – und in die­ser län­ge­ren Fas­sung viel, viel bes­ser! Da hat man damals lei­der die (tol­len!) Instru­men­tal­parts raus­ge­kürzt, dadurch wur­de der – für die Einen anstren­gen­de, für die Ande­ren gött­li­che – Gesang fast schon zu prä­gnant und zu ver­dich­tet. In der Vier­ein­halb­mi­nu­ten­fas­sung konn­te ‘Suus’ viel mehr atmen. Ich habe schon ein biss­chen Angst, dass es bei ‘Shum’, von dem ich mir ehr­lich gesagt auch eine 15-Minu­ten-Fas­sung mit Freu­de anhö­ren wür­de, ähn­lich ausgeht.

  • Sehr schön. Bis­lang mein abso­lu­ter Favo­rit. Bei gera­de mal 5 bekann­ten Bei­trä­gen muss das natür­lich nichts hei­ßen, aber ich hat­te sie letz­tes Jahr auch als Num­mer 2 auf mei­nem Zettel …

  • So, heu­te (09.03.2021) gab es ja end­lich den 3‑Mi­nu­ten-Revamp zu hören.
    Zum Lied: Es ist immer noch gut, aber durch die ver­än­der­ten Gesangs­parts fühlt es sich wie ein ganz ande­res Lied an. Das passt irgend­wie nicht.
    Eigent­lich hat­te ich bis­her nicht so viel gegen die 3‑Mi­nu­ten-Regel (nicht mal bei “Occidentali’s Kar­ma”), aber bei “SHUM” ging’ es mir jetzt zu weit. Das war bis­her ein Top 5‑Titel für mich, jetzt ist er “nur” noch auf der 11. Die EBU MUSS sich unbe­dingt Gedan­ken machen, ob das mit den drei Minu­ten noch zeit­ge­mäß ist. Sie lässt Lie­der teil­wei­se stark aus­blu­ten und das darf nicht im Sin­ne des ESC sein! Anstel­le auch nur einen Gedan­ken dar­über zu ver­lie­ren, ob man die neue Play­back-Rege­lung über 2021 wei­ter­hin anwen­det, soll­te man sich mal da drü­ber Gedan­ken machen. Auch wenn ich nicht mal ansatz­wei­se dar­an glau­be, dass Herr Öster­dahl sich dafür stark machen wird!

  • Der­zeit eines mei­ner Lieblingslieder.
    Die lan­ge Ver­si­on ist zwar bes­ser, aber ich fin­de die gekürz­te Ver­si­on auch noch gut uns sehr behut­sam gekürzt. Die Stei­ge­rung kommt auch dort noch zur Gel­tung und es reißt mit. Ver­lei­tet mich dann immer zum “noch­mal, noch­mal” und schwups ist der Skip-Back But­ton geklickt. Großartig.

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