Einen rituellen Freudentanz zur Begrüßung des Frühlings beschert uns das ukrainische Quartett Go_A beim Eurovision Song Contest. ‘Shum’ heißt der unlängst senderintern von einer fünfköpfigen Jury (darunter Jamala) unter drei Liedvorschlägen ausgewählte und heute offiziell als Beitrag des Landes für Rotterdam präsentierte Titel, was sich wörtlich mit ‘Der Krach’ übersetzt. Als solchen könnte der Eine oder Andere die Nummer auch empfinden, denn wie schon im Vorjahr griff die Elektrofolk-Kapelle für ihren bereits im Januar veröffentlichten Song auf all die Elemente zurück, die ihren eigenwilligen Stil kennzeichnen. Nämlich den monotonen weißen Gesang, traditionelle Instrumente wie die Flöte und die Maultrommel sowie bizarre Ethno-Sounds, verbunden mit düster wabernden Synthie-Flächen und einem treibendem Beat. Und so klingt ‘Shum’ für das westliche Ohr zunächst womöglich eher aggressiv als freudvoll, zumal sich die Frontfrau Kateryna Pavlenko gleich zweimal während der aktuell noch knapp vier Minuten Liedlänge stimmlich in die Höhe und Lautstärke eines langanhaltenden, schrillen Sirenenwarntons schraubt, wie er vor einem Bombenangriff warnen soll. Dennoch besteht kein Anlass zur Flucht in den nächstgelegenen Luftschutzbunker.
Ja, es sieht aus, als sei gerade mal wieder ein Atomkraftwerk hochgegangen: Go_A begrüßen den Frühling in Tschernobyl.
Denn inhaltlich heißen die Ukrainer:innen mit ihrem Beitrag tatsächlich die hoffnungsspende Jahreszeit willkommen. Schon die leicht mitsingbare, mantraartige Hookline “Siyu-viyu, siyu-viyu konopelechky / Siyu-viyu, siyu-viyu zelenesenʹky” weist den Weg, ist doch hier die Rede davon, Hanfsamen auszusäen, was natürlich auch die Freunde der THC-haltigen Variante dieser vielseitigen, traditionsreichen Nutzpflanze aufhorchen lässt. Wobei: für Kiffer hat die Nummer zu viel Schub, steigert sich das Tempo vom anfänglich eher noch Moderaten über das Lied hinweg in mehreren Stufen (und konterkariert von mehreren E‑Gitarren-lastigen Breaks) schließlich bis ins Technoide. Mal schauen, was von der vielschichtigen Verspieltheit der Nummer nach der leider notwendigen Kürzung auf grand-prix-konforme drei Minuten noch übrig bleibt. Im März erst soll die ESC-Fassung präsentiert werden. Zumindest bis dahin dürfte sich der ukrainische Beitrag ein stetiges Kopf-an-Kopf-Rennen mit dem voraussichtlichen litauischen um die Spitzenposition in meiner ESC-2021-Hitliste liefern.
Mit dem fantastischen ‘Solovey’ gewannen Go_A letztes Jahr die Vidbir und zählten zu Recht mit zu den Favoriten. Mit ihrem aktuellen Beitrag werden sie dieser Rolle erneut gerecht.
Ach ja, der Doppelherz-Korb von der Vidbir 2020. Unvergessliches Bild!
Was soll ich sagen? Es ist genau so gut wie “Solovey”, auch wenn ich fürchte, dass es dem Lied nicht gut tun wird, auf drei Minuten zusammengestaucht zu werden. Gerade dieses Lied lebt davon, dass es sich über knapp 4 1/2 Minuten ausbreitet und einem genug Luft zum Durchatmen gibt. Genießen wir es, solange man es sich noch anhören kann. Wer braucht schon nen Drogentrip, wenn er dieses Lied haben kann 🙂 ?
Da hat sich der Werbeeinsatz gelohnt . Mancher wird viel Doppelherz trinken müssen, um den Song zu ertragen. Und wer weiß, vielleicht ist Shum auch unter einer Überdosis Doppelherz
im “Dschumm” entstanden.
Großartig. Gefällt mir fast noch besser als Solovey. Und wegen der Kürzung mach ich mir auch keine Sorgen. Die kriegen das hin.
Die weiße Gesangshölle… ich empfinde das nur als ganz schrecklich nervtötend.
Kann man für Go‑A nicht die 3Min. Grenze aussetzen?
Ich könnt mir das auch 10 Minuten anhören
Der Break bei 1:10 mit der Maultrommel und den Beats.…Hammer!
Möchte die mal Live sehn, das muss man unbedingt laut hörn.
Ja, großartig, zeitgemäß.Bin auch für Sondergenehmigung bezüglich der Länge.
In ukrainischen TV-Shows werden halt die Geschenkkörbe mit den besten Inhalten verteilt. Die können’s einfach.
Zum aktuellen Song: Bin seeehr zufrieden. Grundsätzlich. Wie sich die Kürzung auswirkt, weiß ich natürlich noch nicht. Eine Option könnte sicherlich sein, Gesangsanteil zu Gunsten von Instrumentalparts zu kürzen. Aber wir werden sehen.
Hm, da möchte ich erstmal die offizielle ESC-Version abwarten. Prinzipiell sind mir solche Genres zwecks musikalischer Vielfalt herzlich willkommen, aber besonders in der letzten Minute klingt das Stück ziemlich monoton und nervig.
Ich werte vorläufig mit 5/10.
Die Performance im Videoclip erfüllt nebenbei die Corona-Hygieneregeln perfekt…
Die Maultrommel ist mir auch aufgefallen. Hat sicherlich noch Potential für meine bessere Hälfte, dann aber eher “gut” als “exzellent”.
Was das Thema der Liedlänge und Kürzungspotentiale angeht, aber auch den Divisivness-Faktor, erinnert mich ‘Shum’ übrigens an einen anderen ESC-Lieblingstitel von mir, nämlich ‘Suus’. Der war im Original ja auch mehr als eine Minute länger – und in dieser längeren Fassung viel, viel besser! Da hat man damals leider die (tollen!) Instrumentalparts rausgekürzt, dadurch wurde der – für die Einen anstrengende, für die Anderen göttliche – Gesang fast schon zu prägnant und zu verdichtet. In der Viereinhalbminutenfassung konnte ‘Suus’ viel mehr atmen. Ich habe schon ein bisschen Angst, dass es bei ‘Shum’, von dem ich mir ehrlich gesagt auch eine 15-Minuten-Fassung mit Freude anhören würde, ähnlich ausgeht.
Sehr schön. Bislang mein absoluter Favorit. Bei gerade mal 5 bekannten Beiträgen muss das natürlich nichts heißen, aber ich hatte sie letztes Jahr auch als Nummer 2 auf meinem Zettel …
So, heute (09.03.2021) gab es ja endlich den 3‑Minuten-Revamp zu hören.
Zum Lied: Es ist immer noch gut, aber durch die veränderten Gesangsparts fühlt es sich wie ein ganz anderes Lied an. Das passt irgendwie nicht.
Eigentlich hatte ich bisher nicht so viel gegen die 3‑Minuten-Regel (nicht mal bei “Occidentali’s Karma”), aber bei “SHUM” ging’ es mir jetzt zu weit. Das war bisher ein Top 5‑Titel für mich, jetzt ist er “nur” noch auf der 11. Die EBU MUSS sich unbedingt Gedanken machen, ob das mit den drei Minuten noch zeitgemäß ist. Sie lässt Lieder teilweise stark ausbluten und das darf nicht im Sinne des ESC sein! Anstelle auch nur einen Gedanken darüber zu verlieren, ob man die neue Playback-Regelung über 2021 weiterhin anwendet, sollte man sich mal da drüber Gedanken machen. Auch wenn ich nicht mal ansatzweise daran glaube, dass Herr Österdahl sich dafür stark machen wird!
Derzeit eines meiner Lieblingslieder.
Die lange Version ist zwar besser, aber ich finde die gekürzte Version auch noch gut uns sehr behutsam gekürzt. Die Steigerung kommt auch dort noch zur Geltung und es reißt mit. Verleitet mich dann immer zum “nochmal, nochmal” und schwups ist der Skip-Back Button geklickt. Großartig.