Warum es vielleicht nicht die beste Idee ist, im Jahr 1 nach dem seuchenbedingt ausgefallenen Eurovision Song Contest zwar eine pro forma offene nationale Vorentscheidung zu veranstalten, dazu aber auch den Vorjahressieger einzuladen, belegt das (erwartbare) Ergebnis der Eesti Laul-Finales vom vergangenen Samstag. Der schon 2020 aus unerfindlichen Gründen vom heimischen Publikum ausgewählte schleimige Schönling Uku Suviste setzte sich nämlich auch dieses Mal in beiden Abstimmungsrunden des estnischen Auswahlverfahrens durch und kann sich nun zu Recht ‘The lucky One’ nennen. Dabei gab sich die neunköpfige internationale Jury extra Mühe und verfrachtete ihn auf den achten Platz in ihrem Ranking. Dank des überwältigenden Zuspruchs der Zuschauer:innen schaffte er es jedoch spielend ins Superfinale der besten Drei und kassierte dort knapp die Hälfte der abgegebenen Stimmen. Immerhin, das muss man Uku zugute halten, erwies sich sein diesjähriger, von ihm mitgeschriebener, überproduzierter Midtemposeich im Vergleich zum Vorgängermodell ‘What Love is’ als nicht ganz so vollends unerträglich ranziger Klischeequark.
Duncan Laurence und Chingiz haben angerufen und wollen ihre Unterwassersequenz zurück: Uku Suviste.
Die Juror:innen sahen übrigens die stimmstarke Sissi Nylia Benita vorne, die Tochter des einstigen Eurovisionssiegers Dave Benton. Die aber rangierte im Televoting unter ferner liefen. Auch der von den “Profis” favorisierte Karl Killing mit ‘Kiss me’ (oder war es Karl Kissing mit ‘Kill me’?) und das juvenil-cringige Nerd-Duo Andrei Zevakin & Pluuto, das aufgrund eines positiven Coronatests dem Finale fernbleiben musste (stattdessen kam die Aufzeichnung aus dem Semi zum Einsatz), konnte beim Publikum keinen Blumentopf gewinnen. Einiger zeigte man sich da schon beim früheren Grand-Prix-Vertreter Jüri Pootsmann, der eine erstaunlich elektro-entspannte ‘Magus melanhoolia’ (‘Schöne Melodie’) präsentierte und zur allgemeinen Überraschung unter Beweis stellte, dass er verdammt sexy aussehen kann, wenn er sich nicht als arroganter Verbindungsstudent verkleidet und mit billigen Kartentricks aufwartet. Um so ärgerlicher, dass ihm die im Superfinale alleine abstimmungsberechtigten Zuschauer:innen die zweite Chance verwehrten und an seiner Stelle nun doch wieder ein unsympathischer Schnösel zum Contest fährt. Augenscheinlich wollen die Est:innen um jeden Preis verhindern, von Europa als cool wahrgenommen zu werden.
Zweieinhalb Stunden überwiegend öde Musik und eine halbstündige Unterbrechung für die Nachrichten: das Eesti-Laul-Finale 2021 am Stück.
Das lässt sich natürlich auch am Schicksal des Elektropunkduos Redel (estnisch für: Leiter, daher auch das Bühnengimmick) ablesen, bestehend aus dem Sänger Indrek Vaheoja, ein studierter Archäologe und nebenberuflicher Radio- und Gameshowmoderator (Das große Backen), und dem Drummer Kristjan Oden. Die beiden sind ebenfalls Teil der nach wie vor bestehenden, legendären Band Winny Puuh, die 2013 beim Eesti Laul mit ‘Meiecundimees üks Korsakov läks eile Lätti’ den unbestreitbar sensationellsten Vorentscheidungsbeitrag aller Zeiten ablieferte und damals wenigstens noch Dritte wurde. ‘Tartu’, Redels aktueller Versuch und knapp zweiminütiger Frontalangriff auf sämtliche Sinne, in dem die Beiden hauptsächlich diverse estnische Käffer als “hölzern” dissten, landete hingegen auf einem inakzeptablen Rang 9, und dies auch nur, weil es wenigstens vonseiten des Publikums etwas Zuspruch gab. Die dummen, dummen Juror:innen verschmähten das grenzgeniale Machwerk hingegen fast vollständig, mit Ausnahme zweier US-amerikanischer Produzent:innen. Ach, man möchte schier verzweifeln an der popmusikalischen Inkompetenz seiner Zeitgenoss:innen!
Egal, wie mild du bist, Egert ist milder (plus alle anderen Finalbeiträge als Playlist).
Sehr hübsch mit anzuschauen war die Interaktion zwischen dem erneut angetretenen zweifachen estnischen Eurovisionsvertreter Koit Toome, der mit ‘We could have been beautiful’ eine eher so mittelprächtige, melancholische Klavierballade am Start hatte, die er allerdings mit tiefen Blicken in die Kamera extrem gut verkaufte, und seinen beiden Chordamen Kaire Vilgats und Dagmar Oja. Die traten nämlich unter dem sehr passenden Projektnamen Suured tüdrukud (Große Mädchen) selbst an, mit einem herrlich altmodischen, von Koit und dem bereits erwähnten Mitbewerber Karl Killing geschriebenen, Popschlager namens ‘Heaven’s not that far tonight’. Der erinnerte im besten Sinne an frühere Melodifestivalen-Beiträgen aus den goldenen Zeiten des schwedischen Vorentscheids und machte einfach nur Spaß. Zumal die beiden fabelhaften Schlagertanten sich erkennbar selbst nicht all zu ernst nahmen, aber dennoch eine überzeugende Choreografie ablieferten. Und Koit wiederum bei ihnen im Chor sang! Wie toll war das denn? Ab sofort bitte jedes Jahr, bis es mit dem ESC-Ticket klappt!
Fabelhaftigkeit im Doppelpack: mit den zwei Großen Mädchen kann man garantiert jede Menge Spaß haben!
Vorentscheid EE 2021
Eesti Laul. Samstag, 6. März 2021, aus der Saku Suurhall in Tallin. 12 Teilnehmer:innen. Moderation: Karl-Erik Taukar und Tõnis Niinemets.# | Interpreten | Songtitel | Televote | Jury | Superfinale | Platz |
---|---|---|---|---|---|---|
01 | Egert Milder | Free again | 01 | 24 | – | 12 |
02 | Suured Tüdrukud | Heaven’s not that far tonight | 06 | 34 | – | 07 |
03 | Hans Nayna | One by one | 00 | 47 | – | 10 |
04 | Ivo Linna, Robert Linna, Supernova | Ma olen siin | 02 | 18 | – | 11 |
05 | Karl Killing | Kiss me | 00 | 61 | – | 08 |
06 | Uku Suviste | The lucky One | 12 | 42 | 24.081 | 01 |
07 | Sissi Benton | Time | 03 | 73 | 15.357 | 02 |
08 | Jüri Pootsmann | Magus melanhoolia | 08 | 59 | 12.776 | 03 |
09 | Redel | Tartu | 07 | 17 | – | 09 |
10 | Koit Toome | We could have been beautiful | 10 | 43 | – | 04 |
11 | Andrei Zevakin + Pluuto | Wingman | 04 | 63 | – | 05 |
12 | Kadri Voorand | Energy | 05 | 44 | – | 06 |
Och, ich kann die Esten sehr gut verstehen. Er hat doch so tolle blaue Augen und ist so gefühlvoll, hat so eine warme samtene Stimme und das ihm vertonte Lied ist die vielleicht beste Ballade seit es den ESC gibt.….…..NICHT!!!
Leider war es so zu erwarten und wie toll war Jüri, wie mitreißend Sissi und wie unterhaltsam Suured Tüdrukud.
Aber nein, es musste natürlich der „ach-was-bin-ich-doch-so-hetero“ Uku Suviste sein. Besonders schlimm finde ich, dass er auch in diesem Jahr nicht viel besser Englisch kann, wie noch im letzten Jahr.…ich mag es echt nicht hören.
Estland, wie könnt ihr nur? Die Mädels von Suured Tüdrukud hätten es machen sollen. Wegen mir auch noch der Koit oder Juri… aber Uku? An Belanglosigkeit kaum zu übertreffen. Schade…
Dieser Uku ist bis hin zum Songtitel eine Mischung aus Sehrgay Lazarev 2016 in ganz schlecht und dem (an sich schon schlechten) letzten Gewinner. Platz 15–20 und jetzt schon vorgemerkt zum Klogang.