Es scheint sich wohl doch um ein Strohfeuer gehandelt zu haben bei dem kurzen Lauf des litauischen Vorentscheidungsverfahrens Pabandom iš naujo (PIN), das in der zweimaligen Delegation der fantastischen Formation The Roop zum Eurovision Song Contest resultierte. Deren charismatischer Frontmann Vaidotas Valiukevičius sitzt in diesem Jahr allerdings in der Jury, zu deren Hauptaufgaben erneut das Strecken der Sendezeit der insgesamt sechs PIN-Ausgaben durch ausufernde Sabbelblöcke zwischen den Auftritten der insgesamt 36 Vorrundenteilnehmer:innen zählt. Der gestern Abend ausgestrahlten Auftaktshow nach zu urteilen, folgt die litauische Vorauswahl leider zunehmend dem Vorbild des baltischen Nachbars Estland: richtig trashige Beiträge, wie sie sich in Vilnus früher die Klinke in die Hand gaben, fanden sich leider kaum. Wettbewerbsfähiges allerdings auch nicht. Stattdessen eine schon millionenfach dagewesene, klassische Eurovisionsballade, eine Eins-zu-eins-Kopie von Britney Spears Hit ‘Womanizer’ aus dem Jahre 2008 (minus dem Refrain), ein Michael Schulte für Arme sowie eine etwas zusammengestoppelt klingende Uptemponummer mit refrainmittiger Rückung und äußerst abruptem Ende von der eindeutigen Juryfavoritin Erica Jennings.
Hält die Brüstung bis zum Ende durch, war die bange Frage bei Jennings Auftritt?
Das von der anno 2001 als Teil der Formation Skamp bereits für das Baltenland auf der Eurovisionsbühne gestanden habenden Irin selbst mitverfasste Lied ratterte jedoch ziemlich an den Gehörgängen vorbei, da man als Zuschauer:in die ganzen drei Minuten mit angehaltenem Atem bange wartete, ob die fadenscheinigen Träger von Ericas großräumig dekolletiertem Kleid unter dem Gewicht ihrer Silikoneinlagen reißen und die ungefähr 20% noch textil bedeckten Stellen ihres Pamela-Anderson-Gedächtnisbusens ebenfalls freilegen würden. Enttäuschender weise taten sie das jedoch nicht. Bei den heimischen Televoter:innen landete Jennings übrigens mit ganzen 338 Anrufen (zum Vergleich: die Publikums-Spitzenreiterin Urtė Šilagalytė versammelte üppige 824 Stimmen) gerade mal auf Rang fünf, nur ganz knapp vor dem letztjährigen PIN-Dritten Voldemars Petersons. Der hatte sich von dem fabelhaften dänischen Vorjahresduo Fyr & Flamme inspirieren lassen und lieferte mit ‘Up’ einen saftigen Eurodance-Smasher mit wummerndem High-NRG-Beat ab. Dazu verkleidete er sich als Andy Warhol und seine lustig benannte Begleitband The Break Hearters als depressive Manga-Figuren. Gemeinschaftlich präsentierten sie eine sparsame, aber effektive Minimalchoreografie, wobei Voldemars Anerkennung alleine schon für die dreiminütige Dauer-Armspannung verdient hätte.
Hoch die Hände, Wochenende: Lord Voldemars und die Break Hearters.
Doch spaßig Schräges ist auch in Litauen mittlerweile verboten: mit einem gezielten Strafvoting sorgten die doofen Juror:innen für ein frühzeitiges Ausscheiden der Cosplayerbande. Schande über Euch! Um so mehr übrigens, da sich sowohl die Jury als auch die heimischen Zuschauer:innen stattdessen gleichermaßen für einen echten Car-Crash-Beitrag erwärmten, das passend betitelte ‘Deadly’ des Nachwuchskünstlers Joseph June. Der in Vilnus Geborene benennt US-amerikanische Rap-Größen wie Tyler the Creator, Eminem und 50 Cent als seine Vorbilder, bezeichnet seinen eigenen Stil jedoch als Mischung aus Jazz, Hip-Hop, R&B und Indie mit eigenironischen Elementen und hofft laut der Werbeprosa seiner Agentur, “Musik zu kreieren, die nicht bloß wie ein Kaugummi ausgespuckt wird, sondern ein Mahl voller Geschmäcker zu bereiten, das man immer und immer wieder essen möchte”. Sein PIN-Auftritt in einem mehreren Nummern zu großen, pinkfarbenen Jackett, mit zurückgegelten Haaren und stotterndem Sprechgesang in ruppigem Englisch verdarb mir indes eher den Appetit, stellte andererseits erneut unter Beweis, dass es sich bei Litauen einfach um die größte Freiluft-Irrenanstalt Europas handelt.
Er ist der Falco, bei dem man sich hundertprozentig sicher sein darf, dass er Jeanny tatsächlich meuchelte: Joseph June.
Bei Lord Voldemar hab ich gewartet bis Fred Buljo von Keiino nach dem Chorus joikt.…aber das passiert ja leider nicht!
So ist es doch eine etwas schwachbrüstige Weltverbesserungshymne.
Wobei die Bühnenshow schon genial ist 😀
Man könnte glauben, der NDR hätte den litauischen Sender übernommen. Denn alles war wirklich ausschließlich nicht genießbarer Mainstream-Quark. Dabei ist die litauische Musikszene eigentlich echt toll, es gibt viel coolen Elektro-Pop. Hoffen wir mal auf die nächste Woche…
Nach den ganz ansehnlichen Vorentscheidungen aus Tschechien und Albanien hier also die Total-Ernüchterung.
Da bleibt nur zu hoffen, dass die beiden anderen Vorrunden bessere Songs im Lineup haben und diese sich dann auch durchsetzen. Vorrunde eins hatte es jedenfalls nicht. Die Songs wenn überhaupt mittelmäßig, der Gesang größtenteils schwer zu ertragen, die Bühnenshows einer Dorfkirmesveranstaltung noch nicht mal würdig. Dies gilt allerdings auch für den ausgeschiedenen Lord Voldemort. Bin dann nächsten Samstag mal auf den Direktvergleich zu Norwegen gespannt.
Andy Warholdemars war der Carcrash, wo man gerne zuguckte, Joseph June derjenige, wo man sich eifrige Helfer gewünscht hätte, die das Geschehen mit Plastikplanen abschirmen und dazu laut eine Sirene zum Übertönen laufen lassen: in einem Barbara-Dex-Anzug und zu ungelenken Verrenkungen hat dieser Herr Juni jeden, aber auch wirklich jeden Ton versemmelt, garniert mit ausgesprochen nicht vorhandenem Rhythmusgefühl.
Erica hat zwar auch nicht soo viel besser gesungen, aber sie hatte zumindest ihre sehr rhythmischen Schau(ckel)werte…
Ich mochte übrigens noch die alte Gunda, äh Aldegunda, die allerdings (genauso wie alle anderen) nicht gerade vor Originalität sprühte…
Diese Vorrunde war ein Fall für die Tonne, mir gefiel lediglich der Song mit Viktoriija.…..
Ganz schlimm Augusté, wer glaubt denn wirklich, daß diese Sex-Sells-Nummern ziehen ? Ich kriege von der Frau vielmehr Angst.…